VVN-Logo VVN-BdA Baden-Württemberg, Böblinger Strasse 195, D-70199 Stuttgart / Tel. 0711/603237 Fax 600718 21.11.2004
Rede von Reinhard Hildebrandt am 21.11.2004 in Pforzheim

Gedenkfeiern für die Opfer von Faschismus und Krieg


Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Kameradinnen und Kameraden,

wir gedenken heute wie jedes Jahr am Totensonntag der Opfer von Krieg und Faschismus:
Wir erinnern an die badischen, pfälzer und saarländischen Juden, die vor 64 Jahren in das Internierungslager Gurs am Rand der französischen Pyrenäen deportiert wurden. Unter ihnen befanden sich 200 Pforzheimer Bürgerinnen und Bürger, Männer, Frauen und Kinder.
Wir gedenken heute, stellvertretend für alle Opfer des faschistischen Terrorregimes, der 41 Menschen, deren Namen hier auf den Grabplatten stehen. Sie sind Opfer aus Konzentrationslagern und "Euthanasie"-Mordanstalten.
Wir gedenken der 18 000 Toten des furchtbaren Luftangriffs vom 23. Februar 1945, der Pforzheim fast vollständig zerstört hatte. Unter den Opfern waren auch zahlreiche französische Zwangsarbeiter aus La Bresse in den Vogesen, die in der Pforzheimer Rüstungsindustrie beschäftigt waren.
Die Gedenktafeln und Grabsteine auf diesem Friedhof mahnen uns heute zu Toleranz und Humanität. So ist es auf der Gedenktafel am Eingang zum Neuen Jüdischen Friedhof zu lesen.
Was Menschen anderen Menschen an Leid und Grausamkeit zufügen können, ist tief in das individuelle wie in das gemeinschaftliche Gedächtnis der Menschen in Europa eingeprägt.
Nie wieder Krieg - nie wieder Faschismus
dieser Wunsch prägte das Denken und Handeln der meisten Menschen nach 1945. Doch wo stehen wir heute?
Gespenstische Szenen vor einer Woche im brandenburgischen Halbe. 1 300 Neonazis marschierten zum größten deutschen Soldatenfriedhof. Dort sind rund 22 000 Menschen begraben. Die meisten von ihnen waren in den letzten Kriegstagen ums Leben gekommen, als eingekesselte SS-Divisionen, Wehrmachtsverbände und Angehörige des so genanten Volkssturms gegen die Rote Armee kämpften. "Heldengedenken - ein machtvolles Zeichen für die Treue und Tapferkeit des deutschen Frontsoldaten" nannten die Neonazis ihren Aufmarsch. Die auf dem Friedhof ebenfalls begrabenen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Opfer der Wehrmachtsjustiz wie Deserteure und die gefallenen Soldaten der Roten Armee interessierten die "erwachende deutsche Jugend" nicht. "Erwachende deutsche Jugend" - so die Selbstbezeichnung der Neonazis. Ein "Brückenschlag zwischen der Front von Damals und der jungen Front von Heute" nach den Worten des Hamburger Neonazi-Führers Christian Worch.
In einer stundenlangen Zeremonie legten sie Kränze für Tote der nationalsozialistischen SS und der Wehrmacht nieder. Geehrt wurden auch die Waffen-SS-Division "Frundsberg" und die "Führerbegleitdivision". Befehlshaber der "Führerbegleitdivision" war Otto Ernst Remer, der die Widerstandsbewegung des 20. Juli 1944 niederschlug und nach 1945 als unbelehrbarer Altnazi in der rechtsextremen Szene der Bundesrepublik aktiv war. In mehreren Reden zitierten sie den NS-Propagandaminister Joseph Goebbels und verunglimpften die Soldaten der Roten Armee als Bestien, die Frauen und Kinder vergewaltigt und Pastoren ans Kreuz genagelt hätten. Dagegen bezeichneten sie die deutschen Soldaten als Helden, die Europa vor dem Bolschewismus bewahrt hätten. Geschichtsklitterung, die Ursache und Wirkung vertauscht. Die Polizei schützte das Gedenken an die Täter. 1600 Polizisten waren im nur 1300 Einwohner zählenden Halbe im Einsatz. Antifaschistische Proteste wurden unterbunden, Busse in Berlin beschlagnahmt, Antifaschisten an Abreise nach Halbe gehindert. Erklärtes Ziel der Polizei war es, so wenig Protestierende wie möglich zu den angemeldeten und genehmigten Veranstaltungen nach Halbe zu lassen.
Die Neonazis beschimpften im Internet die Antifaschisten als "klägliches Häuflein Ewiggestriger" als "rote Verbrechersympathisanten" und "dummen Pöbel".
Das war ein trauriger Tag für die Demokratie. Die Gefahr, die von solchen Aufmärschen ausgeht, wird unterschätzt. Gerade jüngeren Neonazis wird hier ein Opfermythos um die "tapfer kämpfenden deutschen Soldaten" vermittelt. Das sich an faschistischen Ritualen orientierende "Heldengedenken" in Halbe hat eine ähnlich identitätsstiftende Wirkung für die rechte Szene wie das alljährliche "Rudolf-Hess-Gedenken" im bayrischen Wunsiedel im August.
"Schwer erträglich" und "Das was vor dem Friedhof ablief, habe ich als sehr bedrohlich empfunden" - so drückten Bürger aus Halbe ihre Gefühle aus.
Auch wir hier in Pforzheim sind vor solchen gespenstischen Szenen nicht sicher. Ich meine den Fackelmarsch und andere Aktionen des rechtsextremen Freundeskreises "Ein Herz für Deutschland". Es ist unerträglich, wie Neonazis die Erinnerung an die Opfer missbrauchen. Ich wende mich auch gegen ein unterschiedsloses Gedenken an Opfer und Täter gleichermaßen, weil dies die Nazi- und Kriegsverbrechen relativiert.
Doch wie konnte es zu diesem veränderten Umgang mit der Vergangenheit kommen, dass versucht wird, mit Lügen die Wahrheit und Erinnerung zu verdrängen ?
Ich lese gerade zu diesem Thema das Buch einer kanadischen Journalistin (Erna Paris) , 1940 in Toronto als Tochter jüdischer Eltern geboren.
Jahrelang empfand sie Deutschland als bedrohlich und unzugänglich. Sie schreibt, und erlauben Sie bitte, dass ich eine längere Passage aus ihrem Buch zitiere:
Das Gedenken des Holocaust ist vielschichtig und die Wiederherstellung der Erinnerung ein langwieriger Prozess, der erst in jüngster Zeit Fortschritte zeigte. Nach 1945 brach für Deutschland eine Zeit an, in der man zuallererst nach vorne schaute. Man übte sich unter Anleitung der siegreichen Alliierten in der Demokratie, versuchte, eine lebensfähige Wirtschaft aufzubauen und den europäischen Nachbarn als Partner und nicht als Kontrahent zu begegnen. Es herrschte der Kalte Krieg, in dem so mancher ehemalige Nazi ein willkommener Mitstreiter gegen den Kommunismus war. Die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse von 1945 und 1946, auch als "Siegerjustiz" abgetan, dienten den meisten als eine Möglichkeit der Katharsis, Hitler und seine Helfershelfer waren tot oder gebührend bestraft - ein Schlussstrich , wie ihn die Franzosen nach dem Krieg gezogen hatten, schien auch in Deutschland möglich zu sein. Die Geschichte konnte wieder von Neuem beginnen.
Doch wer sollte sie gestalten ? Die neu gegründete Bundesrepublik unter ihrem ersten Kanzler Konrad Adenauer brauchte eine starke Justiz, sie brauchte Richter und Beamte. Doch die meisten Richter hatten der Sache der Nazis gedient, stillschweigend Gräueltaten gebilligt, die Ermordung der Schwachen und die berüchtigten Nürnberger Gesetze mitgetragen, di die Juden ihrer bürgerlichen Rechte und ihre Staatsbürgerschaft beraubten. … Und auch die Beamten, das diplomatische Corps und die Militärs waren zu sehr in die Vergangenheit verstrickt, um unbelastet zu sein, und nur wenige hatten sich der Indoktrination unter Hitler entziehen können. Da war Erinnerungslosigkeit eine vergleichsweise schmerzlose und unproblematische Option. Die so genannte Entnazifizierung wurde bestenfalls halbherzig betrieben, und zu Gefängnis Verurteilte wurden so bald wie möglich entlassen, um Aufgaben zu übernehmen. In den Jahren unmittelbar nach dem Krieg war die Infrastruktur der neuen Bundesrepublik, um funktionieren zu können, fast vollständig auf Männer und Frauen angewiesen, deren persönliche Biographie mit Unrechtstaten und in einigen Fällen sogar mit dem Genozid verwoben war.
Als Schutz - auch vor sich selbst - beschloss man 1949 eine neue Verfassung, das Grundgesetz. Es begann mit einer Grundsatzerklärung über die unveräußerlichen Rechte des Menschen, seine unantastbare Würde, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Gleichheit aller vor dem Gesetz. ….
Schüler wurden über die jüngste Vergangenheit informiert, doch über die Verstrickung ihrer Eltern in den Nazismus erfuhren sie nichts. Man sprach zu Hause nicht darüber. …
Erst mit der 68er-Revolution, dem Aufbegehren der westlichen Jugend gegen das Establishment und die Wertvorstellungen ihrer Eltern, zwei Jahrzehnte nach Kriegsende, wurde die Mauer des Schweigens durchbrochen. In Deutschland war der so genannte Generationenkonflikt am schärfsten. Junge Menschen verlangten zu erfahren, was ihre Väter im Namen des "Führers" getan hatten … Sie lehnten den Begriff der Kollektivschuld ab, waren sie doch nach dem Krieg geboren und hatten nichts begangen, für das sie verurteilt werden konnten. …
Richard von Weizsäcker, deutscher Bundespräsident hielt am 8. Mai 1985, dem vierzigsten Jahrestag der Niederlage der Nazis, eine Ansprache vor dem Bundestag über Vergangenheit und Gegenwart seiner Nation und war damit der höchstrangige deutsche Politiker, der offen über die Opfer der NS-Verbrechen und die Notwendigkeit, die Erinnerung lebendig zu halten, sprach. Seine Worte über die Blindheit vor der Geschichte wurden so berühmt, dass sie Gefahr liefen, als Klischee abgetan zu werden, dabei können sie nicht oft genug wiederholt werden. Er zollte allen Opfern den schuldigen Respekt:
"Neben dem unübersehbar großen Heer der Toten erhebt sich ein Gebirge menschlichen Leids, Leid um die Toten … Leid durch unmenschliche Zwangssterilisierung, .. Leid durch Flucht und Vertreibung, durch Vergewaltigung und Plünderung, durch Zwangsarbeit, durch Unrecht und Folter …" Er machte auf das besondere Leid der "Frauen der Völker" aufmerksam und darauf, dass unter dem Naziregime auch Sinti und Roma, Homosexuelle und Geisteskranke ermordet worden waren.
Er gedachte der Opfer des Widerstands und auch derer, "die nicht aktiv Widerstand leisteten, aber eher den Tod hinnahmen, als ihr Gewissen zu beugen". Er fuhr fort: "Am Anfang der Gewaltherrschaft hatte der abgrundtiefe Haß Hitlers gegen unsere jüdischen Mitmenschen gestanden … Der Völkermord an den Juden jedoch ist beispiellos in der Geschichte. …
Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, der wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren."
In seinem richtungsweisenden Buch "1984" macht uns George Orwell auf etwas aufmerksam, das die Mächtigen schon immer wussten: "Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit. Und wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft."
Was hat er damit gemeint? Es ist die Art und Weise, in der jene Ereignisse, die wir Geschichte nennen, durch Selektion oder Manipulation beeinflusst werden können. Genau darum geht es heute.
Die geschichtspolitischen Auseinandersetzungen der 90er Jahre brachten einerseits
eine Denunzierung und Diffamierung des Antifaschismus
eine Wiederbelebung der Totalitarismus-These, die über einen Vergleich eine Gleichsetzung von NS-Vergangenheit und DDR-Geschichte einschloss
massive Versuche, den Widerstand der Arbeiterbewegung aus dem öffentlichen Bewusstsein zu verdrängen
und andererseits
ein enormes Beschäftigen mit Zwangsarbeit in vielen Städten und Gemeinden
die Anerkennung von bisher nicht wahrgenommenen Opfern (Deserteure, Wehrdienstverweigerer und andere) des Nazi-Regimes.
die Debatte um die Beteiligung der Wehrmacht an den NS-Verbrechen
eine Zunahme vielfältiger Formen des Erinnerns an Verfolgung und Widerstand in einzelnen Regionen
Heute erleben wir eine neue Phase dieser geschichtspolitischen Auseinandersetzung, die auch in Vorbereitung des 60. Jahrestages der Befreiung von Faschismus und Krieg
auf eine Banalisierung und Verharmlosung der faschistischen Verbrechen einerseits und
eine geschichtliche Umwertung der faschistischen Vergangenheit andererseits gerichtet ist.
Ich will schlagzeilenartig einige Beispiele nennen. In dem Film "Der Untergang" wird nichts gefragt zu den Ursachen des Faschismus. Die Autorin des ARD-Filmes über den Propagandaminister des NS-Regimes Joseph Goebbels "will das Böse banalisieren" (LKZ 4.10.2004). Der Schlüssel zum Verständnis des 12-jährigen Reiches liege nicht bei den Eichmanns, sondern bei den "Nazis mit menschlichem Antlitz" wie Hosenfeld, so Henry M. Broder im SPIEGEL (30/2004). Sie kennen den Film "Der Pianist", Hosenfeld war der Retter des Pianisten.
Worum geht es heute? Es geht insbesondere um
das Ausblenden von gesellschaftlichen Ursachen, die zum Aufstieg der NSDAP, zu Krieg und Völkermord führten. Die Profiteure dieser Politik und ein großer Teil der Akteure werden aus der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend verdrängt
die ungebrochene Anknüpfung an Traditionen der Täter, besonders in der militärischen Traditionspflege. Eine so bereinigte Geschichte ermöglicht "vorbehaltlose" Einsätze der Bundeswehr auch an den Einsatzorten der Wehrmacht.
die Propagierung eines Bildes der Deutschen als Opfer des Bombenkrieges, als Opfer der alliierten Besatzung, als Opfer der "Vertreibung". Fragen der gesellschaftlichen Verantwortung und der Folgen der faschistischen Verbrechen verschwinden hinter dem Opferbegriff.
die Fokussierung der Geschichte des deutschen Widerstandes auf das Handeln von "Eliten", während der Widerstand "von unten" und der organisierte politische Widerstand marginalisiert wird.
In Vorbereitung auf den 60. Jahrestag der Befreiung benötigen wir ein öffentliches und individuelles Erinnern an Verfolgung und Widerstand in aller Breite und Vielfalt.
Wir wollen an alle Menschen erinnern, die unter Einsatz ihres Lebens und der Freiheit Widerstand gegen das Nazi-Regime geleistet haben.
Wir rufen dazu auf, die historischen Jahrestage nicht allein als Gedenktage zu begehen. Sie sind Herausforderungen für politisches Handeln in der Auseinandersetzung mit aktuellen Entwicklungen von Nazismus, Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus in Politik und Gesellschaft.
Deshalb
wenden wir uns gegen alle Versuche die Aktionen der Neofaschisten als normal hinzunehmen, sie seien in einer Demokratie zu tolerieren.
Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen. Keine Toleranz für Neonazis. Dem Hass auf Ausländer, Juden und die Demokratie treten wir entschieden entgegen.
Wir begrüßen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe, das drei Neonazis wegen Verwendung der Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" bestrafte. Die verwendete Parole sei ein Ersatzkennzeichen für das im "Dritten Reich" verwendete Motto der Hitler-Jugend "Blut und Ehre" und für das damalige Motto der Waffen-SS "Unsere Ehre heißt Treue". Die beanstandete Parole habe sich zu einem Erkennungssymbol innerhalb der rechten Szene entwickelt, sagte der Richter. (LKZ 26.10.2004)
Die Ehrung der Waffen-SS und eine nachträgliche Glorifizierung wurden auch von der Menschenrechtskommission der UN bei ihrem Treffen in Genf in diesem Frühjahr verurteilt. In der von Russland eingebrachten Resolution wird die tiefe Besorgnis über den Bau von Denkmälern für die verbrecherische Nazi-Organisation ausgedrückt. Gedenkstätten dieser Art fügten den NS-Opfern Unrecht zu, vergifteten die Gedanken junger Menschen und förderten den Extremismus von rechts.
Hintergrund der Entschließung war die Einweihung eines Denkmals für die "Lettische Legion", der lettischen Waffen-SS in Lettland.
Aber auch bei uns in Deutschland gibt es ähnlich empörende Vorgänge. In Halle wurden in einer "Grabanlage für die Opfer von Krieg und Gewalt" dort ruhende Kriegsverbrecher mit einer Kranzniederlegung geehrt. Nur ein Beispiel, geehrt wurden zwei NSDAP-Mitglieder, die an der Ermordung von 1017 KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern in Gardelegen teilgenommen haben. Im April 1945, wenige Tage vor der Befreiung durch amerikanische Truppen fand dieses grausame Massaker in einer Scheune bei Isenschnibbe statt. 1017 Häftlinge auf dem Todesmarsch wurden in eine Scheune getrieben, das darin liegende Stroh angezündet, die Menschen verbrannten lebendig. Jeder, der flüchten wollte, wurde erschossen. Eine Ehrung für verurteilte Kriegsverbrecher. Es ist ein unglaublicher Skandal.
Über einen weiteren Skandal konnte man in der Süddeutschen Zeitung vom 9. Oktober lesen. Zur Information war eine Zeitungsanzeige nötig, dort war zu lesen:
Vor wenigen Tagen bestätigte das Bayrische Oberste Landesgericht München bzw. das Landgericht München die Verurteilung des ehemaligen KZ-Häftlings Martin Löwenberg, 79 Jahre alt, und von Christiaan Boissevaan, 52, wegen "öffentlicher Aufforderung zur Straftat". Der Hintergrund: Beide hatten zusammen mit Tausenden von Menschen im November 2002 versucht, einen Aufmarsch von Neonazis durch die Münchner Innenstadt zu blockieren. Martin Löwenberg hatte damals öffentlich erklärt, es ist legitim, ja legal, sich den "Totengräbern der Demokratie" entgegenzustellen.
Wir sind empört über diese Verurteilung, darüber empört, dass wieder einmal engagierte Bürger kriminalisiert werden, welche die Verfassung ernst nehmen und die häufig geforderte Zivilcourage zeigen.
Wer Nazi-Propaganda entgegentritt, ist nicht kriminell, sondern schützt Verfassung und Demokratie !
Wir hoffen, dass die Diskussion um die beiden Urteile und der Protest dagegen dazu beiträgt, dass sich künftig noch mehr Menschen zusammenfinden in der Abwehr rechtsextremer Aktivitäten.
Wir meinen: Wer Naziherrschaft und Krieg verherrlicht, wer gegen Juden und Ausländer hetzt, kann sich nicht auf Grundgesetz und "Meinungsfreiheit" berufen, denn das Grundgesetz ist nicht "wertneutral" ! Es ist entstanden als Antwort auf jene 12 Jahre, in denen die Nazipropaganda verbrecherische Wirklichkeit wurde. Darum sollten Nazis nie wieder Gelegenheit haben, ihre Ideologie zu verbreiten.
"Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen !"
Antifaschistisches Engagement darf nicht kriminalisiert werden!
Soweit der Text der Zeitungsanzeige. Aber nicht nur in Bayern, auch bei uns gibt es Vorgänge, die jeden demokratisch gesinnten Menschen empören.
Wir sind empört über einen neuen Fall der Berufsverbote!
Wegen seinem politischen Engagement in der antifaschistischen Bewegung wurde in Heidelberg der Realschullehrer Michael Czaszkóczy mit einem Berufsverbot bestraft, nach jahrelanger Bespitzelung durch den "Verfassungsschutz", der dann die Nichteinstellung forderte. Zu den vermeintlichen Verfehlungen des Betroffenen zählen nach Meinung des Staatsschutzes unter anderem die Mitarbeit an einer historischen Broschüre über eine Widerstandsgruppe im Dritten Reich, die Teilnahme und Anmeldung von Antikriegsdemonstrationen und Protesten gegen Naziaufmärsche.
Weg mit den Berufsverboten!
Vor kurzem begegnete ich in München bei einem Symposium zur Zeitgeschichte Max Mannheimer, Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau.
Max Mannheimer, heute 84 Jahre alt, hat alles durchlitten, was einem Menschen in dem von den Nazis entfesselten Inferno zustoßen konnte: Demütigung, Vertreibung, Internierung im Ghetto, Tod fast der ganzen Familie in der Gaskammer, Arbeitslager und KZ, Hunger, Krankheit und Misshandlung .
In einer Diskussion mit Schülern sagte Max Mannheimer einmal:
"Ihr seid nicht verantwortlich für das was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon."
Das hat mich tief beeindruckt und ist ein schönes Schlusswort.
Die Kreisvereinigung Pforzheim der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten ehrt jetzt die Toten mit einer Kranzniederlegung. Ich danke für Ihr Kommen und für Ihre Aufmerksamkeit.

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