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Nummer 2 / April 1999


So macht man Kriege:

Wer militärisches Denken sät, wird Krieg ernten

von Dieter Lachenmayer

"Die Beteiligung deutscher Streitkräfte an Maßnahmen zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit ist an di Beschtung des Völkerrechtes und des deutschen Verfassungsrechtes gebunden. Die neue Bundesregierung wird sich aktiv dafür einsetzen das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen zu bewahren ..." So steht es in der rot-gtünen Regierungsvereinbarung von 20. Oktober 1998.

Heute, knapp 5 Monate danach, fliegen deutsche Flugzeuge Bombenangriffe auf Belgrad. Ein deutsches Panzerbataillon, eingeschifft über den Hafen Thessaloniki wartet in Skopje auf den Einmarsch nach Serbien.

Schon die geographischen Namen klingen wie eine böse Erinnerung an damals, als in den deutschen Wohnstuben die Karten mit dem aktuellen Frontverlauf die Wände zierten. Deutschland hat sich wieder aufgemacht, den Balkan neu zu ordnen und den Erzfeind Serbien Mores zu lehren.

Legal, illegal, scheißegal?

Die neue Mehrheit im Bundestag und die von ihr gewählte Regierung hat geschafft, was einer Regierung Kohl / Kinkel wohl kaum gelungen wäre, weil sie mit dem Widerstand einer starken Opposition zu rechnen hatte: Das wohl allerletzte Hindernis für den Einsatz deutscher Truppen wegzufegen: Das Völkerrecht.

Der Artikel 2, 4 der Charta der Vereinten Nationen lautet:

"Alle UN-Mitglieder unterlassen jede gegen die territoriale Unversehrtheit eines Staates gerichtete Androhung oder Anwendung von Gewalt". Aber genau das, die Androhung und nun die Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Unversehrtheit eines souveränen Staates hat der deutsche Bundestag gebilligt.

Am 16. Oktober 1998 beschloß der alte Bundestag mit Zustimmung der überwiegenden Mehrheit der sozialdemokratischen und der Grünen Abgeordneten die Zustimmung zu Bombenangriffen auf Jugoslawien, falls dieses das Ultimatum der westlichen Staaten nicht erfülle. Dieser Entscheidung kann man noch attestieren, daß sie von der alten CDU geführten Regierung eingefädelt wurde und diese formal auch noch zuständig war.

Am 25. Februar beschloss der neue deutsche Bundestag auf Antrag der Bundesregierung bis zu 6000 Soldaten als Teil der sogenannten "Kosovo Force" (KFOR) in die Bundesrepublik Jugoslawien zu schicken, obwohl die Bundesrebpublik Jugoslawien eine solche Stationierung ausdrücklich ablehnt und obwohl keinerlei UNO Beschluss für eine solche Truppe vorliegt. Am folgenden Tag bereits wurden die entsprechenden Waffen in Cuxhafen verladen und auf den Weg geschickt.

Bomben gegen die Katastrophe?

Zu beiden Beschlüssen gab es viel Friedensrhetorik. Der erste erfolgte, glaubt man dieser Rhetorik, "um eine humanitäre Katastrophe abzuwenden" (Blickpunkt Bundestag 4/98). Tatsächlich berichteten die Medien im Herbst letzten Jahres von einer hohen Zahl von Flüchtlingen, die vor den Kämpfen der UCK mit den serbischen Polizeieinheiten aus ihren Dörfern geflohen waren. Nur die Drohung mit einem Bombenangriff könne deren Lage erleichtern. In der Folge konnte ein Waffenstillstand unter Kontrolle von zweitausend zivilen OSZE-Beobachtern ausgehandelt und weitgehend durchgesetzt werden.

Bomben für eine Verhandlungslösung?

Danach war dann von humanitärer Katastrophe nicht weiter die Rede, sondern davon, daß nun Jugoslawien mittels des schon mal beschlossenen Bombenangriffs gezwungen werden sollte, an den Verhandlungen von Rambouillet teilzunehmen. Als Jugoslawien schließlich an diesen Verhandlungen teilnahm, diente die selbe Bombendrohung, dazu, Jugoslawien zur Unterzeichnung eines Abkommens zu zwingen. Auch dieses Konzept scheiterte, als dann zwar Jugoslawien die Grundsätze des von der internationalen Kontaktgruppe erarbeiteten Friedensplanes unterzeichnete, die Delegation der albanischen Kosovaren sich jedoch weigerte. Die Verhandlungen wurden auf den 15. März vertagt. In der Zwischenzeit wurde allein mit der albanischen Delegation ein in den Details völlig neues Abkommen ausgehandelt, das diese schließlich unterzeichnete.

Es sieht eine fast uneingeschränkte Autonomie für den Kosovo vor, wobei dieser jedoch nominell ein Teil Jugoslawiens bleiben soll. Die Jugoslawischen Hoheitsrechte beschränken sich auf die Außenpolitik, die Grenzsicherung und die Zollhoheit. Selbst das Recht Jugoslawiens, Bundessteuern im Kosovo zu erheben ist nicht gegeben. Im Gegenzug soll die militärische Organisation, die UCK, der Kosovoalbaner entwaffnet werden. Durch die Aufstellung autonomer Kosovo-Sicherheitskräfte gelangen die Waffen jedoch umgehend in die vermutlich selben Hände wieder zurück.

Beim Folgetreffen in Rambouillet signalisierte die jugoslawische Delegation Bereitschaft selbst diesen, mit ihr gar nicht ausgehandelten Teil des Abkommens zu unterzeichnen.

Bomben für den NATO-Einsatz!

Nur einem Punkt wollte sie nicht zustimmen, der für den Westen immer der wichtigste war: Die Stationierung einer NATO-Truppe von 28 000 Soldaten - dreimal soviel wie der serbischen Polizei zur Bekämpfung einer nicht entwaffneten albanischen UCK bisher zugebilligt worden waren.

Die Bombendrohung bzw. der Bombenangriff der NATO, die als "Vermeidung einer humanitären Katastrophe" begonnen hat, endet als schlichtes Instrument miltärischer Erpressung: Entweder wir marschieren ein, oder wir werfen Bomben.

Orwellsche Sprachverdrehung

Auch beim zweiten Beschluß zum Einmarsch der Nato, der Bundeswehr und eines deutschen Panzerbataillions in Serbien geht es, schenkt man den Befürwortern Glauben nur um den Frieden.

So heißt es in einer Erklärung verschiedener durchaus friedensbewegter Bundestagsabgeordneter aus den Reihen der Bündnisgrünen: "Es geht um eine Friedenstruppe für den Kosovo. Das ist keine Orwellsche Sprachverdrehung, sondern Tatsache. ... Ohne KFOR (Kosovo Force der NATO, D.L.) bliebe das Abkommen nur Papier, ... ja es würde erst gar kein Abkommen zustande kommen. Die Konsequenzen wären absehbar: Verschärfung der Kämpfe mit katastrophalen humanitären Folgen und wahrscheinlich Luftangriffe der NATO".

Mit dieser Argumentation schließt sich endgültig der Teufelskreis: Wirft man keine Bomben (oder droht wenigstens damit) gibt es keinen Militäreinsatz. Gibt es aber keinen Militäreinsatz, dann sind Bombenangriffe unvermeidbar. Wie man diese Argumentation auch dreht und wendet, sie läuft immer auf das selbe hinaus: Bomben auf Serbien.

Das Elend der Menschen - Argument für Krieg?

Der Friede im Kosovo, die Menschen und die Menschenrechte, die Flüchtlinge und die Opfer werden zu rhetorischen Floskeln einer Politik, die nur noch in eingleisigen, militärischen Kategorien denkt.

Dabei gab es in den letzten Monaten durchaus Ansätze, die deutlich machen, daß und wie dieser Teufelskreis durchbrochen werden kann. Die Anwesenheit ziviler OSZE Beobachter, zur Überwachung des Waffenstillstandsabkommens, hatte tatsächlich positive Ergebnisse. Die meisten der Flüchtlinge, konnten in ihre Dörfer zurückkehren, die Kampfhandlungen ebbten ab. Es gab seit langem wieder Voraussetzungen für eine Verhandlungslösung.

Erst nachdem der militärische Druck auf Jugoslawien wieder verstärkt wurde, eine Alternative zu den angedrohten Bombenangriffen nur noch als politische Selbstaufgabe angeboten wurde, die zivile OSZE Mission auf Druck der NATO das Land verlassen mußte, begann die neue militärische Offensive gegen die UCK, werden die Menschen erneut zur Flucht vor dem Krieg gezwungen.

Damit nun werden sie wieder zu Geiseln der militärischen Logik, nämlich zu Argumenten für den Krieg, dem sie gerade zu entfliehen suchen.

Die Medien als Kriegspartei

Im Falle Kosovo ist die veröffentlichte und die öffentliche Meinung der Bundesrepublik längst zur Kriegspartei geworden. Seit es den Krieg in Jugoslawien gibt, gibt es den Medien zu Folge auch "die Serben" als die eigentlichen Schurken und Bösewichte. Systematisch wurde eine angebliche Politik der "Großserbischen Ambitionen" zur eigentlichen Kriegsursache erklärt. Daß alle bisherigen Kriege und Konflikte im ehemaligen Jugoslawien geradezu einen gegenteiligen Verlauf genommen haben, scheint angesichts des medialen Trommelfeuers kaum wahrgenommen zu werden.

"Ethnische Säuberung" und "Selbsbestimmung"

Aus Jugoslawien wurde, befördert durch eine vor allem von der Bundesrepublik betriebene Anerkennungspolitik, ein Flickenteppich von bisher fünf mehr oder weniger souveränen und eher weniger als mehr ökonomisch lebensfähigen Kleinstaaten. Die überwiegend serbisch besiedelten Regionen des ehemaligen Jugoslawien wurden zwischen Kroatien, Bosnien und dem restlichen Jugoslawien aufgeteilt. Für sie galt ebensowenig wie für die türkischen Kurden, das "Selbstbestimmungsrecht", das offensichtlich nur denen zuerkannt wird, die sich von Jugoslawien lösen wollen. Inzwischen wurde die serbische Minderheit im Kosovo durch die Kriegsereignisse weitgehend ebenso ethnisch rausgesäubert, wie es zuvor in der Krajina den Serben und in Bosnien allen erging, die das Pech hatten, als Minderheit am falschen Ort zu leben. Sie alle, zahlenmäßig mehrheitlich Serben, sind Opfer des neu erwachten und neu geschürten Nationalismus auf dem Balkan und der westlichen Politik. Viele von ihnen sind auch, das muß nicht verschwiegen werden, Täter.

Sezession ist keine Lösung

Der Kosovo ist seit altersher ein Armenhaus. Eine Region die zu Zeiten der sozialistischen Rebublik Jugoslawien von dieser ökonomisch gestützt werden mußte. Daß dies nach der Auflösung des jugoslawischen Verbandes und um so mehr nach den ökonomischen Sanktionen gegen das verbliebene Restjugoslawien nicht mehr möglich und wahrscheinlich auch nicht mehr gewünscht war, mag das Bestreben der Kosovaren nach einer Sezession beflügelt haben und nachvollziehbar machen. Es macht aus einem neu erwachten ethnischen Nationalismus und einem gemäß der NATO-Politik faktisch neu entstehenden ethnischen Kleinstaat aber keine Lösung für die Probleme der Menschen auf dem Balkan.

Beim aktuellen Kosovo-Konflikt geht es wieder nicht um die ökonomischen Lebenschancen und die demokratischen Rechte der Menschen, sondern darum, eine weitere Region aus der Bundesrepublik Jugoslawien herauszubrechen.

Krieg erst recht nicht!

Auch die Friedensbewegung ist dem Trommelfeuer der Medien ausgesetzt und nicht gefeit vor den Schlußfolgerungen, die dadurch nahegelegt werden. Wir kennen das spätestens aus dem Golfkrieg, wo viele, wankend geworden von der täglich propagierten Logik des Krieges, den Aktionen für den Frieden fernblieben.

Besonders heute, nachdem die Bundesregierung nun zehn lange Jahre Akteur der "neuen Weltordnung" geworden und aus Militäreinsätzen Friedensmissionen gemacht hat, hat die Friedensbewegung einen schweren Stand. Es ist notwendig, die alten Grundsätze immer wieder anhand neuer Argumente und Entwicklungen zu prüfen. Wer dies sorgfältig tut, wird feststellen, daß die alten Grundsätze noch gelten. Es gibt auch im Kosovo keine militärischen Friedensmissionen, sondern nur eine Alternative: Krieg oder Frieden.


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