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Nummer 1 / Januar 1999


Seit 40 Jahren in Auflösung:

IG Farben - ein Konzern vergeht nicht

von Janka Kluge

Voraussichtlich wird am 18. 12. die Jahreshauptversammlung der IG- Farben in Auflösung stattfinden. Wenn die Manager in Schlips und Kragen sich treffen, werden sie auch dieses mal auf Demonstranten stoßen, die fordern was seit 40 Jahren beschlossene Sache ist: Die Auflösung des Konzerns und die Verwendung des Vermögens zur Entschädigung seiner Opfer. Auch wenn die letzte Aktionärsversammlung wegen solcher Proteste verhindert werden konnte, konnten sie die Aktionäre und Manager nicht abhalten, weiterhin in Zukunftsvisionen zu schwelgen. Statt der Auflösung fordern sie die Rückgabe ihres durch Krieg und Terror angehäuften Vermögens, das in der DDR und Polen als Volkseigentum enteignet worden war.

Die IG Farben hat sich bereits seit mehr als 50 Jahren aus der Produktion zurückgezogen und befindet sich seitdem "in Auflösung". Eine Tatsache, die sich augenscheinlich vollkommen im Rahmen des gesetzlich Möglichen bewegt, denn die Liquidation einer AG unterliegt keiner zeitlichen Beschränkung. Die Entstehungs- und Produktionsgeschichte bringt der Aktionärsversammlung immer wieder auch den Beinamen einer Hauptversammlung der Kriegsgewinnler, der Mörder und KZ-Mitbetreiber ein.
Die Geschichte der IG-Farben beginnt Anfang dieses Jahrhunderts. Kurz zuvor ist eine wichtige chemische Entwicklung gelungen. Das Indigoblau zum Färben von Stoffen (Jeans) konnte chemisch hergestellt werden - und die deutschen Produzenten wurden von den Lieferungen aus den damaligen Kolonien unabhängig. Da sich die Chemiemanager einen großen Absatz auf dem Weltmarkt versprachen, vereinbarten sie getrennt zu produzieren - und vereint die Konkurrenz zu schlagen. Sie schlossen sich zu einem Kartell zusammen. Bereits 1913 kontrollierte dieses Kartell 85% der weltweiten Farbenproduktion.

1. Weltkrieg: Glücksfall
Der 1. Weltkrieg war für die Chemiemanager ein wahrer Glücksfall. Alle Formen von Munition basierten auf chemischen Zusammensetzungen. Um für den Krieg genügend produzieren zu können, schloß sich die Chemieindustrie noch enger zusammen.
Die Firmen des Kartells produzierten nicht nur Schießpulver, sondern auch das berüchtigte Nervengas. Obwohl als Waffe nach der Haager Konvention verboten, setzten die deutschen Militärs das Nervengas mehrfach ein. Am 25. April 1915 fand in Ypern in Belgien der erste deutsche Giftgasangriff statt. 6000 Menschen starben daran und über 10.000 wurden schwer verletzt.
Nach dem 1.Weltkrieg setzten die Chemiegiganten ihre Zusammenarbeit weiter fort. 1925 wurden die IG Farben offiziell gegründet. Carl Bosch aus Stuttgart wurde Vorstandsvorsitzender - Carl Duisberg Aufsichtsratsvorsitzender des Konzerns. In der "Frankfurter Zeitung" war damals zu lesen: "Der erste wirkliche Industrie-Trust in Deutschland
wird jetzt durch den Zusammenschluß der chemischen Großfabrikanten zur Tatsache. Ein einziges Riesenunternehmen entsteht, dessen Kapital mit 641,6 Millionen Stammaktien und 4,4 Millionen Vorzugsaktien heute einen Kurswert von rund dreiviertel Milliarden Reichsmark repräsentiert, ein einziges Riesenunternehmen, das faktisch die gesamte deutsche Farbenindustrie ... beherrscht.

2. Weltkrieg: Planung
Die Nazis konnten einen erfolgversprechenden Krieg nur mit der kontinuierlichen Unterstützung der chemischen Industrie anstreben - wozu die Herren gerne bereit waren. Sie betätigten sich als effiziente Kriegsplaner. Der Ersatz natürlicher Rohstoffe brachte Nazideutschland wesentliche militärische Vorteile: So z.B. die Herstellung von synthetischem Gummi und Benzin.
Eine der Haupthersteller dieses synthetischen Benzins waren die Buna-Werke der IG Farben in Sachsen. Bereits kurz nach dem Überfall auf Polen reichten die Produktionsmöglichkeiten der drei Buna-Werke nicht mehr aus. Die Konzernleitung der IG-Farben beschloß im besetzten Polen ein viertes Buna-Werk zu errichten. Ihr Wahl fiel auf das kleine Städtchen Auschwitz. Für diesen Standort sprachen aus Sicht der IG-Farben mehrere Gründe.

Auschwitz: KZ als Standortfaktor
Der Ort war abgelegen, Rohstoffe, Kohle, Kalk und Wasser reichlich vorhanden. Ausschlaggebend für die Wahl von Auschwitz war aber das dort geplante KZ. Die KZ-Häftlinge konnten als kostengünstige Arbeitskräfte einkalkuliert werden. Dabei spielten die tödlichen Folgen für die KZ-Häftlinge keine Rolle. Ein Preis von 4 Reichsmark je Tag vereinbarte der Vorstand der Buna-Werke mit der SS. Die verpflichtete sich ihrerseits für genügend Häftlinge zu sorgen.
Die ersten Monate mußte die ZwangsarbeiterInnen den Weg von Auschwitz zum mehrere Kilometer entfernten Buna-Werk täglich zu Fuß zurücklegen. Um die Arbeitseffektivität der Zwangsarbeiter noch besser ausbeuten zu können, wurden sie dann mit der Eisenbahn hin- und hergefahren.
Dies alles genügte den Managern von IG-Farben aber nicht. Sie drängten zum Bau eines eigenen KZ auf dem Werksgelände. Hatte die IG-Farben davor den Ausbau von Auschwitz mit über 2 Millionen Reichsmark mitfinanziert, so wurden sie nun direkte KZ-Betreiber. Die IG-Farben errichtete das werkseigene KZ Monowitz im Gelände der Bunawerke von Auschwitz.

Personal von der Rampe
Die Manager der Buna-Werke bestanden darauf, die KZ-Häftlinge persönlich zu selektieren. Sie standen mit an der Rampe und wählten mit aus. Wer als zu schwach oder krank angesehen wurde, ist sofort in den Gasofen geschickt worden. Die IG-Farben verdienten doppelt am KZ-System. Einerseits beuteten sie die Häftlinge als ZwangsarbeiterInnen aus, und gleichzeitig verkauften sie der SS Giftgas um die Gasöfen von Auschwitz und anderswo am laufen zu halten. Durch dieses Geschäft mit der Vernichtung konnte der Konzern bei Kriegsende 6 Milliarden Reichsmark verbuchen.
Ein wesentliches Fundament für die Aktivitäten der IG Farben bildet die Finanzierung. Hausbank des Konzerns ist die Deutsche Bank. Allerdings buhlen weiter Banken um diesen "lukrativen" Kunden. Die Dresdner Bank beispielsweise ist immer wieder sehr großzügig bei der Kreditvergabe an den Konzern. 1941 erhält IG-Farben einen Kredit von 35 Millionen Reichsmark von der Bank mit dem "Grünen Bank der Sympathie". Der Konzern benötigte das Geld, um die Kriegsmaschinerie weiter mit Öl versorgen zu können. Aus diesem Grund wird eine eigene Firma gegründet: Die Continentale Öl AG.
Als Gegenleistung für diese Kreditbewilligung sitzt dann ab 1941 ein Vorstandsmitglied der Dresdner Bank im Aufsichtsrat. Sein Name: Karl Rasche. Die Dresdner Bank greift dem Konzern auch bei der Finanzierung von IG Auschwitz großzügig unter die Arme. Nach der Öffnung der Archive der DDR sind neue Dokumente zum 3. Reich gefunden worden. Unter anderem Sitzungsprotokolle von Treffen der Führungsspitzen von IG-Farben und der Dresdner Bank. Diese Protokolle dokumentieren wie skrupellos die Banker waren.
Auszüge daraus:
"- Stellen wir uns mit unserer sanierungsbewußten und effizienzorientierten Kreditpolitik dem IG Farben Konzern zur Seite für den Komplex Auschwitz.
- Bei den Krediten für SS-Betriebe oder für Betriebe in denen Häftlinge eingesetzt werden, handelt es sich um völlig normale Betriebsmittelkredite und Investitionsdarlehen, die das Bankinstitut zu den üblichen Geschäftsbedingungen abwickelt.
- handelt es sich bei den wirtschaftlichen Unternehmen der SS um einen normalen Mischkonzern mit Schwerpunkten im Bauwesen und in der Textilerzeugung."

Rat der Götter
Die Herren von Auschwitz waren und sind keine unbekannten, auch wenn sie gerne im Hintergrund ihre Geschäfte gemacht haben.
z.B. Heinrich Bütefisch.
Er war 1938 stellvertretendes Vorstandsmitglied der IG-Farben. 1941 rückte er zum regulären Vorstandsmitglied auf. Zusätzlich hatte er folgende Ämter inne: Geschäftsführer der Amoniakwerke Merseburg, Leunawerke, Vorstandsmitglied Braunkohle-Benzin-AG, Vorsitzender Norddeutsche Hydrierwerke AG, Aufsichtsratsvorsitzender Donau Chemie AG, Mineralölgesellschaft AG. Ausserdem war er Mitglied von Himmlers Freundeskreis, der NSDAP und der Deutschen Arbeitsfront, Obersturmbannführer der SS, Mitglied des Nationalsozialistischen Bundes Deutscher Technik, des Nationalsozialisten Kraftfahrercorps und des Nationalsozialistischen Fliegercorps. Außerdem: Wehrwirtschaftsführer und Mitarbeiter von Karl Krauchbeim Vierjahresplan, Produktionsbeauftragter für Öl im Rüstungsministerium, Präsident des Technischen Expertenausschusses und der Europäischen Stickstoffkonvention usw. usf. Für seine Verdienste für das III. Reich bekam er das Kriegsverdienstkreuz der I. und II. Klasse und das Ritterkreuz verliehen.
Nach 1948 setzte Bütefisch ungehindert seine Karriere fort. Als Vorsitzender des Aufsichtsrates bei Kohle-Öl-Chemie GmbH, Aufsichtsratsvorsitzender der Feldmühle Papier und Zellstoffwerke AG. Darüber hinaus hat er Aufgaben bei der Internationalen Konvention für Stickstoffindustrie wahrgenommen. Er war Leiter des Technischen Expertenkomitees.
Ein anderer Kriegs- und KZ-Gewinnler war Fritz Ter Meer. Auch er konnte nach dem 2. Weltkrieg seine Karriere ungehindert fortsetzen. Er war Vorstandsmitglied der IG-Farben und von 1942 an Geschäftsführer der Buna-Werke in Schopkau, die die Fabrik in Auschwitz betrieben. Auch er war Mitglied der NSDAP, der Deutschen Arbeitsfront und hatte zahlreiche Positionen in wirtschaftlichen Arbeitskreisen, die der NSDAP beratend zur Seite standen. Nach 1948 war er Vorsitzender des Aufsichtsrats der Farbenfabrik Bayer, Aufsichtsrat der Commerzbank, des Bankvereins Westdeutschland, der VIAG und der Waggonfabriken in Düsseldorf und Uerdingen.
Bütefisch und Ter Meer sind keine Einzelfälle. Die Liste der Nazi-Industriegrößen, die in der Bundesrepublik eine zweite Karriere starten konnten, ist lang.

Auflösung ohne Ende
Nach dem 2. Weltkrieg standen führende Manager der IG-Farben vor Gericht. Die Anklage lautete auf Planung eines Angriffskrieges. Die Urteile waren in der Regel sehr mild. Bereits nach wenigen Jahren waren alle von ihnen wieder auf freiem Fuß und gingen ihren gewohnten Geschäften nach. Nun zugunsten der Bundesrepublik.
Auf Beschluß der Alliierten wurde Anfang der 50er Jahre der IG-Farben Konzern entflochten. Aus dem Firmengeflecht entstanden drei neue Konzerne: BASF, Bayer und Hoechst.
Laut Beschluß der Alliierten sollten die IG-Farben aufgelöst werden. Da die neugegründeten Firmen die Erbschaft der IG-Farben ablehnten, blieb den Managern nur eine Lücke im deutschen Aktiengesetz übrig. Nirgends steht geschrieben, in welchem Zeitraum eine Liquidation abgeschlossen sein muß. So kann es sein, daß sich die IG-Farben seit 40 Jahren in Auflösung befindet. Grund für die Dauer ist nicht die Faulheit der Manager. Nicht erst seit der "Wiedervereinigung" wittern die IG-Farben Aktionäre Morgenluft. Sie erheben Ansprüche auf Grundstücke im Osten der Republik und in Polen. Ein Milliardending. Laut letztem Firmenbericht bestand das Liquidationskapital aus 27,5 Millionen DM. Aber das ist noch nicht alles. Zu dem Vermögen der IG-Farben gehören auch drei Firmen: Die Amoniakfirma Merseburg, die AWM Grundstücksgesellschaft und die Prokurator Anlage- und Verwaltungs-AG in der Schweiz. Diese 100%igen Töchter der IG-Farben blieben trotz der Entflechtung bei der IG, weil über sie die Geschäfte während des 3.Reiches liefen.

Janka Kluge
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