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antifNACHRICHTEN an9901
Nummer 1 / Januar 1999


Zum Neuen Jahr

von Reinhard Hildebrandt

"Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit unser Ziel. Das sind wir unseren ermordeten Kameraden und ihren Angehörigen schuldig."

Ein arbeitsreiches Jahr liegt hinter uns. Die Landesdelegiertenkonferenz in Ulm unter dem Motto "Antifaschistischer Widerstand heute: Zusammenstehen für Arbeitsplätze, soziale Gerechtigkeit, Frieden und Demokratie" und der Bundeskongreß unter der Losung "Zukunft Antifaschismus - den rechten Konsens brechen", gaben die Anforderungen vor, die sich für den Einsatz unserer ganzen Organisation nicht nur im Bundestagswahlkampf stellten. Dazu kam unser Eintreten für die längst fällige Entschädigung für Zwangsarbeiter, die Gedenkfeiern zum 60. Jahrestag der Reichspogromnacht und viele weitere Aktionen.

Ein wichtiges Ziel ist erreicht, die neofaschistischen Parteien sind nicht in den Bundestag eingezogen. Das kann jedoch sicher kein Grund zur Beruhigung oder gar Entwarnung sein. Das rechte Wählerpotential ist seit den 80er Jahren kontinuierlich gewachsen. Und dies auch mit staatlicher Hilfe: ohne die Steuergelder in Millionenhöhe für die Parteienfinanazierung wären die neofaschistischen Parteien längst am Ende. Rassistische und nationalistische Propaganda nehmen zu, die großen Parteien haben viele rechte Positionen übernommen. Längst sind viele Tabus gebrochen, das Bekenntnis rechts zu sein, wird zunehmend gesellschaftsfähig. Hier stehen wir im kommenden Jahr vor großen Herausforderungen. Es gilt zu verhindern, daß Rep, DVU, NPD und andere Ultrarechte und Neofaschisten bei den Kommunalwahlen und bei der Europawahl gewinnen. Gegen rechts wählen ist gut. Gegen rechts aktiv werden ist besser!

Das mit Abstand wichtigste Wahlthema bei der Bundestagswahl waren soziale Fragen und die Massenarbeitslosigkeit. Kohl ist weg. Dieses Wahlergebnis aber einfach als Linksruck zu bezeichnen, wäre ein großer Fehler. Ob die neue rot-grüne Regierung Aufbruch und Erneuerung bringt, hängt sicher auch von uns ab. Anders als dies in zurückliegenden Jahren zu erwarten gewesen wäre, erwiesen sich die Grünen nicht einmal mehr im Ansatz als Unruhe- oder gar Risikofaktor der Regierungsbildung. Eine Änderung bei der laufenden Asyl- und Abschiebepraxis bleibt aus. Mit dem Beschluß zur Beteiligung am NATO-Kriegseinsatz im Kosovo wurde nicht nur die beschworene "Kontinuität der Außenpolitik" fortgesetzt, sondern eine neue Tür zu künftigen Kampf- und Kriegseinsätzen ohne jedes völkerrechtliche Mandat aufgestoßen.

Eine außerparlamentarische Opposition ist notwendig, die für einen politischen Wandel den erforderlichen Druck macht. Ohne diesen Druck wird sich nichts bewegen. Unsere Forderungen, wie sie in den Beschlüssen und Positionspapieren unserer Kongresse stehen, bleiben Arbeitsaufgaben.

Der Kampf um das Menschenrecht eine Utopie? 50 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Dezember 1998, 50 Jahre Grundgesetz im Jahr 1999. Die Menschenrechtserklärungen in der Geschichte sind immer als Ergebnis von Revolution oder gesellschaftlichen Veränderungnen entstanden, so auch die UNO Menschenrechts-Deklaration von 1948. Sie ist ein Ergebnis des Kampfes für die Befreiung vom Faschismus, der sich in vielen Ländern Europas mit dem Kampf um nationale Befreiung mit großen Volksbewegungen für demokratische Erneuerungen verband. Die antifaschistischen Zielvorstellungen aus Exil und Widerstand über ein Deutschland nach Hitler sind es wert, wieder gelesen zu werden. Auch der Schwur der überlebenden KZ-Häftlinge von Buchenwald am 17. April auf "diesem Appellplatz, an dieser Stätte des faschistischen Grauens", muß uns in ständiger Erinnerung bleiben.

Es ist das bleibende Verdienst der VVN und später der VVN - Bund der Antifaschisten, die Verteidigung der Menschenrechte in den Mittelpunkt ihrer Progammatik und Politik gestellt zu haben. Der Kampf für Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte bestimmt unsere Arbeit.

1998 mußten wir von vielen Kameradinnen und Kameraden Abschied nehmen. Wir gedenken unserer Toten. Ihre Erinnerungen und Erfahrungen leben in uns weiter. Um unsere Organisation zu stärken, müssen wir viele neue Mitglieder gewinnen. Die Neuaufnahmen im letzten Jahr sind ein Schritt vorwärts. Ebenfalls ermutigend ist die Arbeit unsrer Jugend; der Jugendkongreß im Sommer 1998 setzte wichtige Zeichen.

Nazim Himet schrieb 1947 in einem Gedicht: "... Sich einem anderen zu verdingen, damit soll Schluß, endgültig Schluß sein, schafft ab die Knechtschaft des Menschen durch den Menschen! Die Einladung ist unser. Leben! Wie ein Baum, einzeln und frei und brüderlich wie ein Wald, diese Sehnsucht ist unser!"

Gemeinsam mit unseren Bündnispartnerinnen und -partnern, denen an einer demokratischen und humanen Zukunft gelegen ist, wollen wir die "Zukunft Antifaschismus" verwirklichen!

"Das Zeitalter der Extreme" (Eric Hobsbawn), "Krieg der Zivilisationen" (Bassam Tibi), "Eine Welt in Waffen" (Gerhard I. Weinberg), wie Historiker unserer Jahrhundert nannten, ist Vergangenheit. Wir wollen eine Welt des Friedens! Zum Neuen Jahr grüßen wir unsere alten und jungen Kameradinnen und Kameraden und wünschen erholsame Feiertage, gute Gesundheit und gemeinsame Erfolge!

Reinhard Hildebrandt

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