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Nummer 3 / Juli 1998


Französisch-deutsches Jugendtreffen im Jahr der Menschenrechte:

Das Vermächtnis von Dr. Haidi Hautval

von Ester Broß

Anläßlich des 10. Todestages von Frau Dr. Hautval, fand am 15./16. Mai 1998 in Le Hohwald/Elsaß, auf Initiative von Schülerinnen und Schülern des Lysée Schuré/Bar, ein Treffen statt, an dem auch Jugendliche aus Deutschland teilnahmen.

Eingeladen haben Geneviève Anthonloz-de Gaule (Schirmherrin), Gérard Hazemann (Bürgermeister von Le Hohwald), Hans Adamo (Studienkreis deutscher Widerstand e.V.) und die Schülerinnen und Schüler der Literaturklase und der Abschlußklasse Technologie, mit ihren Lehrerinnen Marie-Paule Fleischmann, Michelle Reinhard. Von deutscher Seite wurde die Veranstaltung von der VVN-BdA Ortenau sowie dem Studienkreis deutscher Widerstand e.V. Frankfurt unterstützt. An dem Treffen in Le Hohwald nahmen auch ehemalige Häftlinge des Frauen-KZ's Ravensbrück, aus Frankreich, Holland und Deutschland teil, darunter Gertrud Müller, Vorsitzende der Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis e.V.

Mut, Solidarität und Menschenwürde
Frau Dr. Hautval verkörpert mit ihrem Leben und Handeln Mut, Solidarität und menschliche Würde in einer Zeit finsterster Barbarei und großer Hoffnungslosigkeit. Nach der Besetzung Frankreichs durch die Hitler-Wehrmacht hilft Frau Dr. Hautval Juden in Bourges, protestiert gegen deren Mißhandlung durch Gestapo und SS, trägt den »Judensternthäftlingen und rettet das Leben vieler Frauen, später auch nach ihrer Deportation in das KZ Ravensbrück. Mithäftlinge aus 10 Nationen, darunter auch Deutschland, haben ihr wiederholt gedankt und sie mit hohem Respekt in Erinnerung behalten. Nach der Befreiung vom Faschismus kämpfte Dr. Haidi Hautval gegen die Verharmlosung und das Verdrängen der Naziverbrechen, trat als Zeugin in den Nürnberger Prozessen und in Veröffentlichungen auf, so auch mit dem Bericht »Medizin und Verbrechen gegen die Menschlichkeit«

Deutsch-französisches Kolloquium
Die Veranstaltung begann am Freitag 9.30 Uhr mit der Begrüßung der Ehrengäste, der ZeitzeugInnen und der ReferentInnen, durch den Bürgermeister von Le Hohwald, Gérard Hazemann. Im Anschluß daran, erinnerten französische Schülerinnen an den Deportationszug von 230 Frauen am 24. Januar 1943. Zeugnis über Frau Haidi Hautval als Medizinstudenstudentin gaben Professor Jaques Heran sowie ihre damals ebenfalls deportierten Freundinnen, Geneviève Leider, Aat Breuer und Dr. Kahn.

Jean-Claude Richez, Geschichtsprofessor in Straßburg, referierte über "Frankreich und die individuelle Freiheit zwischen 1938 und 1945". Die Singegruppe der VVN-Jugend Ortenau beendete mit Liedern der europäischen Widerstandsbewegung den ersten Teil des Kolloquiums.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen hielt Dr. Claire Ambroselli, Ärtztin am INSERM, Paris, einen Vortrag über "Medizinische Ethik und gemeinsame Rechte der Menschheit". Sehr eindrucksvoll schilderte Gertrud Müller, Präsidentin des Lagerkomitees Ravensbrück, die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen, die damals zum Faschismus führten. Sie erzählte auch von der großen Solidarität der Häftlinge untereinander, die ihr die Flucht ermöglichte und somit ihr Leben rettete. Anschließend fand beim Abendessen ein Austausch zwischen alt und jung, französisch und deutsch statt. Es ist fast unbeschreibbar das Gefühl wiederzugeben welches entsteht, wenn man mit Gertrud Müller und Geneviève Leider, die beide in Ravensbrück waren und sich in Le Hohwald kennenlernten, an einem Tisch sitzt, mit ihnen Lieder des Widerstands singt und sich unterhält .

Am Samstag gab Marc Agi, Generaldirektor der internationalen Stiftung für Menschenrechte in Paris, einen historischen Abriß über "Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte", am Beispiel vom Leben und Werk René Cassins, dem Vater der Menschenrechte. Martina Keller, Geschäftsführerin des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg, berichtete über die heutige Situation der Menschenrechte. Über die fragwürdige Einhaltung der Menschenrechte am Beispiel der Ausländer- und Asylgesetzgebung in Deutschland sowie der immer noch nicht eingetretenen Entnazifizierung und Wiedergutmachung der Naziverbrechen, bzw. der Tatsache, daß Hitlers Finanziers in der BRD immer noch an der Macht sind, entfachte sich eine rege Diskussion. Um 12.00 Uhr begaben sich die TeilnehmerInnen des Koloquiums gemeinsam mit den Ehrengästen und dem Bürgermeister Gérard Hazemann an die Gedenkstätte "Fontaine Haidi Hautval". Dort fand die Kranzniederlegung statt, musikalisch umrahmt von französischen Schülerinnen und der VVN-Jugend Ortenau. Beendet wurde die Veranstaltung mit einem Besuch der KZ-Gedenkstätte Struthof.

Marsch gegen das Vergessen
Am 17. Oktober 1998 wird es eine Fortführung dieser Zusammenkunft geben, in Form eines "Marsches gegen das Vergessen", von Le Hohwald zur KZ-Gedenkstätte Struthof. Am zwei Tage darauf stattfindenden internationalen Treffen der Lagergemeinschaft Ravensbrück in Luxemburg berichtete Gertrud Müller über die Gedenkveranstaltung und den Gedenkmarsch, die Lagergemeinschaft unterstützt den Marsch und ruft mit dazu auf.

Insgesamt war die Veranstaltung ein voller Erfolg. Gerade in einer Zeit des Wiedererstarkens nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Gedankenguts in Deutschland wie in Frankreich, ist es von enormer Wichtigkeit, dem eine antifaschistische, internationale Zusammenarbeit, wie sie hier stattgefunden hat, entgegenzusetzen. In diesem Sinn rufen wir auf, zu dem Gedenkmarsch am 17.10.1998 so zahlreich wie möglich zu erscheinen.

Esther Broß, VVN-BdA Ortenau



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