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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
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Nummer 1 / Januar 1998


Zweite antifaschistische Sozialkonferenz in Stuttgart

Unruhe ist Bürgerpflicht!

VVN-Landesvorstand

Am 27.11. fand im Stuttgarter Gewerkschaftshaus die 2. Antifaschistische Sozialkonferenz statt. Eingeladen hatten der DGB Landesbezirk und die VVN-Bund der Antifaschisten Baden-Württemberg.

Prof. Dr. Manfred Weißbecker, bis 1992 Ordinarius für deutsche Geschichte an der Universität Jena, Faschismusforscher und Autor zahlreicher Bücher, hielt das Hauptreferat. Sein Thema: "30. Januar '33 - Machtübertragung auf Hitler und Rechtsentwicklung heute".

"Die letzten Jahre von Weimar können verglichen werden mit den heutigen Erscheinungen" stellte Prof. Weißbecker fest. Auch heute nehme die Mehrheit der Deutschen Naziübergriffe mehr oder weniger gleichgültig hin.

Der 30. Januar, Ausgangspunkt für Weltkrieg und Völkermord, habe lange vor der Machtübergabe an Hitler begonnen. "Man muß bereits beim ersten Weltkrieg anfangen, bei denen, die diesen Krieg systematisch vorbereitet haben, beim Alldeutschen Kriegszielprogramm und dem damals schon rassistischen Ungeist in Deutschland." Die zum Wissenskanon aller Schulabgänger gehörende Zwecklegende, Weimar sei von rechts und links zerstört worden, widerlegte Prof. Weißbecker mit zahlreichen Fakten. So seien rechtsextremistische Kräfte wie Freicorps, Wehrverbände und Reichswehr von der Weimarer Oberschicht instrumentalisiert und gezielt gefördert worden, um die Linke auszulöschen. "In Weimar wurde so gut wie nichts gegen die Nazis unternommen." Die Weltwirtschaftskrise habe dann zwar stimulierend auf dem Weg in den faschistischen Staat gewirkt, doch ohne Förderung und Duldung der Eliten hätte es keine Machtübertragung gegeben. "Sozialabbau und Demokratieabbau sind immer die zwei Seiten der Medaille", sagte Prof. Weißbecker und schloß mit der Aufforderung jetzt "Unruhe zur ersten Bürgerpflicht" zu machen.

"Über Sozialabbau und Umverteilung" sprach Dr. Ulrich Bausch von der Evangelischen Erwachsenenbildung Württemberg. Er forderte dazu auf, die Sozialstaatsverpflichtung einzuklagen, denn "der deutsche Sozialstaat ist ist nicht sozial." Jedes 7. Kind lebe inzwischen von der Sozialhilfe. Das Steuersystem der Bundesrepublik sei zutiefst unsozial, so Dr. Bausch, denn die Mehrwertsteuer, die inzwischen fast 50% des gesamten Steueraufkommens ausmacht, trifft am härtesten die armen Bevölkerungsschichten.

Gerald Fangmeyer vom Friedensnetz Baden-Württemberg wies auf den engen Zusammenhang zwischen dem wiedererwachten deutschen Großmachtstreben auch mit militärischen Mitteln und dem erstarkenden Neofaschismus hin. Die Bundeswehr, insbesondere Eliteeinheiten, ziehe junge Rechtsextremisten geradezu magisch an. Zudem forderten Neonazigruppen ihre Mitglieder und Sympathisanten dazu auf, eine Ausbildung an "der Waffe" zu machen.

Ein Bündnis gegen den Abbau demokratischer Rechte, forderte Rainer Wolf, Richter am Stuttgarter Amtsgericht, denn es drohe "die Umwandlung des Rechtsstaates in einen totalitären Staat." Rainer Wolf bezeichnete es als bedrückend, "daß gerade in Deutschland, das aller Welt die Umwandlung einer rechtsstaatlchen Ordnung in einen totalitäres Unrechtssystem nicht durch Abschaffung des Rechts, sondern durch dessen Verformung und Perversion vorgeführt hat, die Angst hiervor der Lächerlichkeit ausgesetzt wird und diejenigen, die diese Sorge artikulieren, als die eigentliche und größere Gefahr für Rechtsstaat und Demokratie diffamiert werden."

Am Ende der Konferenz stand die Diskussion über Aktionen zum 65. Jahrestag der Machtübergabe an die Hitlerfaschisten am 30. Januar 1998. Die Entscheidung fiel rasch: Die TeilnehmerInnen der antifaschistischen Sozialkonferenz sprachen sich einstimmig für regionale Kundgebungen und/oder Demonstrationen aus. In Stuttgart wird eine Kundgebung am Mahnmal für die Opfer des Faschismus stattfinden.



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