VVN-Logo 01.11.1997
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Bund der Antifaschisten

VVN-BdA Baden-Württemberg
Telebus-Logo

antifNACHRICHTEN an9710
Nummer 4 / Oktober 1997


Auch böse Menschen haben Lieder

oi - Musik und andere braune Klänge

von Janka Kluge

Ein altes Sprichwort besagt, daß man sich ruhig überall niederlassen kann wo gesungen wird, da "böse Menschen" keine Lieder haben. Die Geschichte hat jedoch hinreichend gezeigt, daß Musik im Nationalsozialismus benutzt wurde um ein völkisches Gemeinsamkeitsgefühl entstehen zu lassen und um die Menschen emotional an den Nationalsozialismus zu binden.

Die heutigen Neonazis haben ihre eigenen Lieder. Neben der verschiedenen Skinheadgruppen gibt es aber auch eine braune Liedermacherszene. Ihr Aushängeschild ist der in Ehningen bei Böblingen lebende Frank Rennicke. Der ehemalige Vorsitzende der Wiking-Jugend reist, eingeladen von nahezu allen rechten Gruppierungen, von Konzert zu Konzert quer durch die Bundesrepublik. Frank Rennike ist ein vielbeschäftiger Musiker und Sänger. Bei fast jeder Gelegenheit, egal ob Parteitag der Jungen Nationaldemokraten in Leipzig (Mai 1996), einem Skinheadtreffen in der brandenburgischen Provinz, zu dem fast 1000 Neonazis angereist kamen, oder bei einer Geburtstagsfeier in Eßlingen, Rennike zupft überall seine Gitarre, wo Rechte zusammenkommen.

Steffen aus Eßlingen hatte sich zu seinem 25. Geburtstag, vor einiger Zeit etwas besonderes einfallen lassen. Aus der ganzen Bundesrepublik hatte er andere Nazis zum Feiern eingeladen. Damit das Fest den richtigen Rahmen bekommt hat er extra die Schurwaldhalle bei Eßlingen angemietet. Kurz bevor das Nazitreffen dann steigen sollte wurde die Genehmigung zur Nutzung der Halle dann aber wieder zurückgezogen. Das Nationale Infotelefon Rheinland berichtete eigens über den Geburtstag. "Über mehrere Treffpunkte wurden 250 Kameraden auf ein Privatgrundstück weitergeleitet, welches im letzten Augenblick organisiert werden konnte. Trotz strömenden Regens und technischen Schwierigkeiten fand das Fest in aufgestellten Zelten statt. Leider war ein Auftritt von Noie Werte nicht mehr möglich. Doch sorgte der Barde Frank Rennike in bekannt kämpferischer und ironischer Art für einen verspäteten aber gelungenen Abend, wobei das gemeinsame Lied in Kameradschaft einen schönen Ausklang fand."

Bei einer Hausdurchsuchung in seiner Wohnung in Ehningen (Böblingen) im Herbst 1993 fanden Beamte des Landeskriminalamts "Embleme aus der Nazizeit", außerdem, so hieß es damals in einem Polizeibericht, "bestehe der Verdacht, daß der Inhalt mehrerer Lieder und Texte den Tatbestand der Volksverhetzung erfülle".

Seit kurzem gibt es Rennnickes CD "Mein Kamerad" auch bei der Medien Marketing GmbH. Diese GmbH gehört in der Bundesrepublik zu den umsatzstärksten Videovertrieben. Neben Videos sind auch Bücher und Kassetten im Angebot der Medien Marketing.

Nicht nur der Liedermacher Frank Rennike ist in der Gegend um Stuttgart zu Hause. Hier wohnt auch "Swantje Swanhit", die mit bürgerlichen Namen Iris-Kathrin Fischer heißt. In einem Konzertbericht in der Zeitschrift Ecknarbote (5/94) heißt es über ihre Musik: "Neben den Liedern über die alten germanischen Gottheiten sind vor allem auch die zeitkritischen Texte ihrer Stücke über die Verbrechen, die im Namen des Kreuzes gemacht wurden, über die Sinn- und Wertekrise der heutigen Gesellschaft und über den verlorengegangen Bezug des Menschen zur Natur bemerkenswert." Die Frauen der österreichischen "Mädelschaft Freya" waren von ihrer Musik so angetan, daß sie den Vertrieb ihrer Kassette übernommen haben.

Entstehung der Skin-Bewegung und ihrer Musik
Die Skinhead-Bewegung ist Ende der sechziger Jahre in London entstanden. Zuerst war sie politisch nicht eindeutig der Rechten zuzuordnen. Viele ihrer Anhänger kamen aus der Arbeiterbewegung und gehörten linken Parteien an. Erst als Anfang der siebziger Jahre die englische "National Front" eine massive Kampagne startete, worin sie behauptete, daß der Zuzug vieler Ausländer die Unterschicht bedrohte kam es zu der Entwicklung nach rechts. Kurze Zeit später hielt die Skin-Bewegung auch Einzug in Deutschland. Bis heute gibt es in Deutschland drei unterschiedliche Richtungen: Zum einen gibt es die kleine Gruppe der linken Skins, sie haben sich in "S.H.A.R.P." (Skinheads Against Racial Prejudice/Skinheads gegen rassistische Vorurteile) organisiert. Den größten Teil bilden allerdings die "Oi-Skins". Sie sind zwar rechts, lehnen aber eine Parteibindung ab. Als letzte Gruppe sind dann noch die eindeutigen "Fascho", oder "Nazi-Skins" zu nennen. Deren bekannteste Band war "Skrewdriver". Die Musiker dieser englischen Band waren auch oft in Baden-Württemberg zu Gast und beeinflußten die hiesigen Bands stark. So spielten sie, dann auch auf der Geburtstagparty von Steffen auf.

Skin-Bands in Baden-Württemberg
Von diesen "Nazi-Skins" gibt es auch einige Gruppen in Baden-Württemberg. Sie heißen "Kettenhund" (Ludwigsburg), "Triebtäter" (Mutlangen), " und "Noie Werte" (Stuttgart).

Der baden-württembergische Verfassungsschutz hat über diese Bands geschrieben: "Fast durchweg drücken die Skin-Bands, deren Mitglieder häufig selbst Sceneanhörige sind, in ihren Liedern die Weltanschauung und das Selbstverständnis dieser Bewegung aus. Dabei werden die politischen Ansichten der Skinhead-Szene von wesentlichen Elementen des Nationalsozialismus wie Rassismus, Antisemitismus und übersteigerten Nationalbewußtsein (Nationalismus) aus."

Zu den damals beschlagnahmten Tonträgern gehörten auch Aufnahmen der Mannheimer Skinhead-Band "Tonstörung". Die Mitglieder mußten sich im selben Jahr vor dem Mannheimer Landgericht verantworten. Sie sangen in ihren Liedern vom Kampf für "Rasse und Nation" und gegen Juden, "Türken, Zuhälter und Gesocks" und "Kommies". Zur Verdeutlichung, wie sie sich den Kampf vorstellten sangen sie dann noch ein SA-Lied: "Wetz Dir Deine Messer auf dem Bürgersteig / laß die Messer flutschen in den Judenleib./ Blut muß fließen trippellagelig / und wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik / (...) schmiert die Guillotine aus dem Judenfett"

Die Musiker von "Tonstörung" sind im Dezember 1993 zu Gefängsnisstrafen zwischen 6 und 21 Monaten verurteilt worden.

Seitdem ist es etwas ruhiger geworden um die Skin-Bands im Ländle. Zum Teil haben sie sich inzwischen auch aufgelöst, wie "Volkszorn" und "Sperrzone", die beide aus Bruchsal kamen.

Es gibt aber noch eine Fascho-Band, die weiter macht. "Noie Werte" aus Stuttgart .

Fanzines und Vertriebe
Die Tatsache, daß es auch in Baden-Württemberg eine größere Skinhead Struktur gibt wurde auch im Januar 1993 deutlich. Damals durchsuchte Polizei die Geschäftsräume von zwei Tonträgerfirmen und sieben Privatwohnungen. Bei diesen Hausdurchsungen in Ulm bei "Skull Records" und dem "Deutschen Tonträger Vertrieb" und in Geislingen bei "Turbo -Musik" wurden Kistenweise Schallplatten und CDs beschlagnahmt. Das Landeskriminalamt hat in einer Pressekonferenz diese Aktion später dann als vollen Erfolg gewertet.
In letzter Zeit verlegen die einschlägigen Firmen ihre Geschäfte ins Ausland, hauptsächlich nach Dänemark. Die Gesetzgebung in Dänemark sieht keine Strafe für Volksverhetzung und nationalsozialistische Propganda vor. Wegen der zunehmenden Konzentration deutscher Neonazis in Dänemark fordern dort immer mehr Menschen härtere Gesetze.
Janka Kluge


  1. Zitiert nach "Lift" Nr. 1/95 "Rechtsaußen in Stuttgart"
  2. "Was geht ab" Nr.17
  3. Zitiert nach "Lift" 1/95 "Rechtsaußen in Stuttgart"
  4. Broschüre des VS BaWü "Skinheads - Musik,Bands, Magazine" S.3
  5. Zitiert nach Broschüre des VS BaWü "Skinheads - Musik, Bands, Magazine" S.8



Böse Onkels: Nach der Wandlung ganz die alten

An den Litfaßsäulen verkündete ein Plakat vor einigen Wochen, daß die "Bösen Onkelz" eine neue CD herausgebracht haben. Die Band einst Aushängeschild dumpfer Skinbanden, hatte sich in den letzten Jahren von ihren Liedern, die sie früher gesungen hatten, distanziert. Medienöffentlich boten sie sich an, bei einem "Rock gegen Rechts" in Norddeutschland mitzumachen und wurden in der Presse immer öfter als die nun gewandelten bösen Buben dargestellt.

Nach dem Hören dieser neuen CD ist für mich klar. Die neuen "Bösen Onkelz" sind ganz die alten. "Neue Schweinereien vom Feindbild Nr.1" versprachen sie ihren Fans gleich zu Beginn des Konzerts und im zweiten Lied sangen sie dann, daß sie "lieber stehend sterben" möchten, "als kniend zu leben". Um dann mit der Aufforderung "Finde die Wahrheit" weiterzumachen. Das Lied haben die Onkelz "allen gewidmet, die noch nicht sehen heute abend". Der Text spricht für sich: "Wach endlich auf, reich mir die Hände, werde Legende".

Auch das dritte Lied von diesem Konzertmitschnitt hat es in sich. Sänger Kevin Russel widmete es bei der Ansage der Presse. Bereits da jubelte ein Teil des Publikums in der ausverkauften Westfalen Halle in Dortmund: "Danke für nichts" hieß die eindeutige Aussage, die wohl nichts mehr an Deutlichkeit übrigläßt. "Auf dieser Welt hast du nicht viele Freunde, doch die die du hast teilen alles mit Dir." hieß eine andere Zeile aus einem der Lieder. Nein die Onkelz haben ihre alten Freunde nicht vergessen.

Augen- und Ohrenzeugen von den beiden großen Konzerten im letzten Jahr im Ruhrgebiet, immerhin kamen jeweils einige zehntausende BesucherInnen, berichteten, daß auf den Konzerten auch das Lied "Türken klatschen" gespielt wurde. Allerdings hat die Band das Stück nicht gesungen. Textsicher hat dafür das Publikum mitgegrölt. Wahrscheinlich um sich weiterer Kritik zu entziehen fehlt dieser Teil des Konzerts auf dem Mitschnitt. Ein Antifaschist, der in Leserbriefen an die Lokalpresse dagegen protestiert hat, daß solch einer faschistischen Band öffentlicher Raum zur Verfügung gestellt wird, hat inzwischen mehrere Morddrohungen bekommen.

Zum Schluß sangen sie dann noch daß sie "lange noch nicht genug haben". Die demokratische ™ffentlichkeit sollte sich aber von den rockenden Nazis endlich genug haben und auf ihre Frage: "Glaubst Du alles was wir sagen?" endlich beantworten. (Die kursiven Texte sind Zitate aus der neuen CD der "Bösen Onkelz")
Janka Kluge


antifaNACHRICHTEN werden herausgegeben von der VVN/BdA Baden-Württemberg.
V.i.S.d.P.: Dieter Lachenmayer.

VVN-LOGO VVN-BdA Baden-Württemberg
http://www.vvn.telebus.de
Böblinger Strasse 195
D-70199 Stuttgart

Tel. 0711 / 60 32 37 Fax 0711 / 60 07 18
e-mail: vvnbda.bawue@planet-interkom.de

© 1997 J. Kaiser