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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
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Nummer 4 / Oktober 1997


Ungewöhnlich breites Bündnis gegen REPS-Parteitag in Wehr

"Intoleranz können wir nicht tolerieren"

von Anne Rieger

Im November vergangenen Jahres wurde bekannt, daß die Reps ihren Landesparteitag 1997 in der südbadischen Stadt Wehr durchführen wollten. Seitdem war Widerstand angesagt. Gemeinderat, die Antifa-Bewegung aus Wehr und Lörrach, Gewerkschaften, Parteien und auch die VVN-BdA organisierten auf den verschiedenen politischen Ebenen den Widerstand. Ein ungewöhnlich breites Bündnis rief zu einer Gegendemo auf. 800 Menschen demonstrierten, daß sie nicht bereit sind, die Reps als Normalität hinzunehmen. Erfreulich, diese erste öffentliche Kundgebung gegen die Politik der Reps, seit unserer Mahnwache vor eineinhalb Jahren. Anknüpfungspunkt für den Wahlkampf gegen die Reps.

Widerstand
Am 10. November 1996 stellten die Reps den Antrag, in der Stadthalle in Wehr am 19. Juli 1997 ihren Landesparteitag mit 200 Delegierten und geladenen Gästen durchzuführen. Zwei Wochen später lehnte der Gemeinderat mit 15 von 23 Stimmen ab. Grüne, SPD und CDU-Vertreter hatten in der Diskussion gegen die Hallenvergabe gesprochen. Mitglieder der Antifa-Bewegung demonstrierten mit Transparenten im Gemeindesaal: "Kein Faschotreff in Wehr und anderswo".

Nun ging es erst richtig los. Die Reps klagten sich durch alle Instanzen. Im Gemeinderat gab es die Hoffnung,, die Auseinandersetzung juristisch zu gewinnen. Wie immer aber in Baden-Württemberg mußte die Stadt Wehr schließlich die Halle den Reps doch überlassen, weil der erste Senat des Verwaltungsgerichtshofes in Mannheim als letzte Instanz am 15. Juli zuungunsten der Stadt entschied. Parallel zu dieser gerichtlichen Auseinandersetzung entwickelte sich ein Bündnis in Wehr, das zu einer Gegendemonstration aufrief.

Breites Bündnis
Die Diskussionen und Entscheidungsprozesse waren nicht immer einfach. Bei dem bemerkenswert breiten Bündnis war das aber nicht verwunderlich. Neben den Grünen, den Gewerkschaften, der Antifaschistischen Aktion Lörrach, der VVN-BdA der SPD und DKP, die Frauengruppe Courage riefen die Evangelische Industrie- u. Sozialarbeit Freiburg, der AWO-Sozialdienst f. Emigranten, das Diakonische Werk Waldshut, die Jüdische Gemeinde und die Freunde Israels in Wehr auf. Doch das war nicht alles: Der CDU-Stadtverband Wehr, die Vereinigung der Opfer des Stalinismus und Einzelpersonen ergänzten das Bündnis.

Das Bündnis protestierte gegen Rassismus, Fremdenhaß, Nationalismus und soziale Demagogie, trat ein für ein gleichberechtigtes Zusammenleben aller Menschen in unserem Land, für demokratische und soziale Rechte unter dem Motto: "Intoleranz können wir nicht tolerieren. Wehr Euch! Gegen Faschismus!". Der DGB-Kreisvorsitzende Horst Stech war Motor der organisatorischen und politischen Vorbereitung. Zur inhaltlichen Vorbereitung organisierte er am 1. Juli einen gut besuchten Info-Abend des DGB "Die Reps - Wölfe im Schafspelz" mit der VVN-BdA Landessprecherin Anne Rieger und Renate Thon, Mitglied im Landtag für Bündnis 90/Die Grünen. Der CDU-Stadtverband empfahl über die Presse die Teilnahme an der Veranstaltung, über die im Anschluß mit großen Aufmachern in der örtlichen Presse berichtet wurde. Für den Tag des Parteitags rief das Bündnis zu einer Demo und Kundgebung um 11.00 Uhr am Bahnhofsplatz auf, für 9.00 wurde aus dem Antifa-Bereich zur Blockade gegen den Parteitag aufgerufen.

Polizei schützt Rassisten und greift Demokraten
Die Anfahrt nach Wehr mit dem Auto führte durch eine Polizei-Blockade. 300 Polizisten bot die Polizei nach eigenen Angaben für den Parteitag der Reps auf. Nicht ganz so viele blockierten gegen 9.00 Uhr die Stadthalle und den Parteitag. Die Polizei machte den Weg für die Reps frei. Im Laufe des Tages erfolgten ca. 17 Fest- bzw. "Ingewahrsamnahmen". Acht wurden nach längerem Aufenthalt erkennungsdienstlich behandelt,am Nachmittag konnten sie dann von ihren persönlichen und politischen Freunden, darunter der Kreisvorsitzende der Grünen in Herrischried Martin Steinebrunner und Landessprecherin Anne Rieger, vor der Polizeistation in Bad Säckingen in Empfang genommen werden. Junge Menschen, die in der ersten Reihe der Blockade gestanden hatten und festgenommen wurden, obwohl die Reps freien Zugang zu ihrem Parteitag hatten.

Während im Saal Christian Käs als Landesvorsitzender wiedergewählt wurde, der Landesschatzmeister Nikolaus Holzner 790 000 DM Einnahmen aus Steuermitteln für das Abschneiden beim letzten Landeswahlkampf vermelden konnte und u.a. ein Leitantrag zur Wirtschaftspolitik im Interesse der Unternehmer verabschiedet und ihre rassistische Politik propagiert wurde, demonstrierten ca. 800 Menschen durch die Stadt zum Marktplatz gegen ihre Politik, darunter Bundes- und Landtagsabgeordnete und Kreisvorsitzende. Auf der Kundgebung forderten Horst Stech, Werner Pfennig und Anne Rieger die Freilassung der Festgenommenen.

Kundgebung
Hauptredner Werner Pfennig, der für die IG Medien sprach, ist gleichzeitig Bundessprecher der VVN-BdA. Unter großem Beifall prangerte er die Politik der Reps an, sich als Anwälte der kleinen Leute aufzuspielen, in Wirklichkeit aber eine unsoziale und menschenverachtende Politik verfolgen. DGB-Kreisvorsitzender Horst Stech machte die Reps verantwortlich für Nationalismus und Ausländerfeindlichkeit, und zeigte die Gefahr für Deutschland auf, wenn Rechtsextreme an die Macht kämen. Sie bedrohten die Rechte von Gewerkschaften und Minderheiten. Landessprecherin Anne Rieger bezeichnete die Reps als Kriegstreiber da sie den deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag nicht akzeptierten und die Wiedervereinigung mit Pommern, West- und Ostpreußen, Nieder- und Oberschlesien forderten. Überwältigend war der Beifall, den der Vertreter der Antifa erhielt: Die Reps seien die Spitze des Eisbergs. Sie böten den bürgerlichen Parteien ein Alibi. Ihre Forderungen von gestern seien heute in den Programmen der etablierten Parteien zu finden. Ulrich Maurers Rede wurde beinahe ununterbrochen von Pfiffen begleitet. Verständlich einerseits, bedenkt man die Žußerungen seines Parteigenossen Schröders, der zur Hatz auf "kriminelle Ausländer" blies und Maurers umstrittener Žußerung auf der Kundgebung: "Wir müssen brechen mit dem Recht des Blutes in diesem Land. Wir sind Patrioten nicht für Blut, sondern Patrioten für eine Verfassung, die auf der Erfahrung der Geschichte beruht."

Fortschritt gegen die "Normalität" der Reps
Unverständlich sind die Pfiffe angesichts der Tatsache, daß sich der gerade wiedergewählte SPD-Vorsitzende mit seiner Teilnahme an Demo und Kundgebung an die Spitze der öffentlichen Proteste gegen die Reps stellte. In unserem Kampf gegen die "Normalität" der Reps brauchen wir jeden, der dazu bereit ist. Sind es politisch exponierte Personen, haben sie eine größere öffentliche Wirkung.

Ein nicht zu unterschätzender Fortschritt war diese erste öffentliche Anti-Rep-Aktion seit der Mahnwache unserer Organisation im Mai vergangenen Jahres. Anläßlich der Eröffnungsrede des Alterspräsident Rep Hauser hatten wir sie vor dem Mahnmal der Opfer des Nationalsozialismus, einen Steinwurf vom Landtag entfernt organisiert. Damals kamen zwar drei Abgeordnete der Grünen vor der Landtagssitzung zu unserer Mahnwache und Ulrich Maurer hatte am Morgen einen Kranz am Mahnmal niedergelegt. Aber alle Parlamentarier hatten ohne ein Wort des Protestes, der Rede des Rep zugehört.

Wir erinnern daran, daß damals kein Bündnis für einen Aktion gegen die Reps zustande kam. Immer wieder hörten wir zwei Argumente: 1. Die Reps seien demokratisch gewählt, deswegen könne man nicht gegen sie demonstrieren, 2. man werte die Reps nur auf, wenn man eine Demo anläßlich der Eröffnungsrede des Parlaments durch einen Rep mache. Zieht man die damaligen ablehnenden Beweggründe in Betracht, ist es ein Fortschritt, daß weitab, in Südbaden, den Antifaschisten und Linken der Landeshauptstadt ein Beispiel gegeben wird, wie mit den Volksverhetzern und Rassisten im Landtag umgegangen werden muß.

Clara Zetkin
Maurers Worten, daß nach der Erfahrung von Weimar dem Land Gefahr drohe, wenn Demokraten sich gegenseitig bekämpfen sind die Worte von Clara Zetkin anzufügen, die sie in ihrer Eröffnungsrede als Alterspräsidentin des Reichstages 1932 den Antifaschisten zurief: "Das Gebot der Stunde ist die Einheitsfront aller Werktätigen, um den Faschismus zurückzuwerfen. ... Vor dieser zwingenden geschichtlichen Notwendigkeit müssen alle fesselnden und trennenden politischen, gewerkschaftlichen, religiösen und weltanschaulichen Einstellungen zurücktreten" In diesem Sinne sollten wir den Anti-Rep Wahlkampf in diesem Herbst beginnen.
Anne Rieger


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