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antifNACHRICHTEN an200110
Nummer 4 / Oktober 2001



Stuttgart, Ulm, Mannheim, Offenburg

Aktionen gegen den Krieg


Kundgebung in Stuttgart:
Gewaltspirale beenden - Krieg ist keine Lösung

Rund 1000 Menschen haben am Donnerstag, 20.9. unter dem Motto "Krieg ist keine Lösung" in Stuttgart gegen den angekündigten Militärschlag der USA protestiert. Trotz ununterbrochenen Regens harrten die Kundgebungsteilnehmer, darunter viele junge Menschen, mehr als zwei Stunden auf dem Schloßplatz aus.
"Wir trauern um die Opfer, unsere Solidarität gehört den Angehörigen" eröffnete Dieter Lachenmayer vom Friedensnetz Baden-Württemberg, das gemeinsam mit der Gesellschaft Kultur des Friedens zu der Aktion aufgerufen hatte. Aber, so fügte er hinzu, "wir verwechseln Solidarität nicht mit Militärkumpanei!" Er machte deutlich, daß Terror nicht mit Terror bekämpft werden dürfe. "Wo Zivilisation und Demokratie verteidigt werden sollen, darf die Demokratie nicht verletzt werden."
"Es läuft mir kalt den Rücken herunter, wenn wir von einer offenbar sehr großen Koalition in der Politik auf Krieg eingestimmt werden" bekannte ver.di Landesbezirksleiterin Sybille Stamm. Jeder Krieg sei sinnlos, "aber jener der jetzt vorbereitet wird, ist es auf ganz besondere Weise: Er wird den 5000 Toten von Washington und New York weitere Tausende Tote folgen lassen. Er wird den Terrorismus nicht einmal schwächen, sondern ihm einen riesigen Zulauf bescheren - er wird ihn womöglich globalisieren" befürchtete die Gewerkschafterin in ihrer immer wieder von Beifallsbekundungen unterbrochenen Rede. Sybille Stamm rief dazu auf, die Sprache wiederzufinden und deutlich zu machen, daß die richtige Antwort jetzt heißen müsse "nicht Rache, sondern Gerechtigkeit". Die Gewerkschaften seien jetzt gefordert. Sie müssten deutlich machen, daß sie zur Friedensbewegung gehören, selbst Friedensbewegung sind. Terrorismus zu bekämpfen heiße, ihn zu verstehen im Sinne von "Begreifen, um die richtigen Schlußfolgerungen zu ziehen", sagte Sybille Stamm. Als eine wesentliche Ursache benannte sie Armut und Verelendung, die "Brandmale einer immer ungerechter werdenden Weltwirtschaftsordnung". Die Gewerkschaften dürften sich nicht auf Lohndumping und Sozialabbau einlassen, bei der die ärmsten Lnder keinen Platz mehr hätten. Es gelte vielmehr in den reichen Ländern einen Sog nach Oben zu erzeugen, der zulasten der Gewinne gehe, mit dem Ziel, wieder mehr Spielraum für andere Nationen, insbesondere aber eine Überlebenschance für die Menschen in den armen Ländern zu eröffnen. Darin liege eine große Hausforderung für die Gewerkschaften. Sie beendete ihre Rede mit den Worten "Unseren Herzen gehört die Trauer und Anteilnahme, unseren Köpfen gehört die Vernunft und das Bemühen um weltweiten Frieden."
Als nächster sprach Murat Aslanglu, Vorsitzender der Christlich-Islamischen Gesellschaft Stuttgart. Er bezeichnete den Islam als eine dem Frieden verpflichtete Religion. So leitet sich Islam direkt von Salam, dem arabische Wort für Frieden ab. "Im Koran heißt es, wer einen Menschen tötet, der soll so sein, als wenn der die ganze Menschheit tötet" sagte Murat Aslanglu, der die Sorge äußerte, daß jetzt alle Muslime für die Anschläge verantwrotlich gemacht würden. Er rief zu mehr Kontakt und Verständigung zwischen Muslimen und Christen auf. "Machen Sie sich ein eigenes Bild über unsre Religion, kommen sie am 3. Oktober zum Tag der offenen Moschee" rief er die KundgebungsteilnehmerInnen auf. Die US-Amerikanerin Elisabeth Lempp, Vorstandsmitglied von Ohne Rüstung leben, betonte, daß für die US-Amerikaner spätestens jetzt die Zeit gekommen sei, Ursachenforschung zu betreiben, "warum uns bestimmte Menschen so hassen", sagte sie."Laßt uns ohne Waffen, aber mit Ingeneuren und Ärzten nach Afghanistan marschieren, um dort Krankenhäuser und Straßen zu bauen" schlug die engagierte Pazifistin vor.
Zwischen den Reden sangen eine südamerikanische Sängerin und Thomas Felder zur Gitarre "Give Peace a chance" und "We shall overcame". Lieder, vieltauschendfach gesungen, einst bei den unzähligen Aktionen gegen den Krieg, für Frieden und Emanzipation. Und viele auf dem Platz sangen mit. Dieter Lachenmayer beendete die Kundgebung mit dem Aufruf jetzt aufzustehen gegen den drohenden Krieg und auf die Regierenden Druck zu machen, das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland einzuhalten, das den Angriffskrieg unter Strafe stellt.



Im ganzen Land haben Aktionen stattgefunden. Die Berichte auf diesen Seiten sind eine zufällige Auswahl - die uns rechtzeitig vor Redaktionsschluß erreicht hat.



Mahnwache in Ulm:
"Krieg provoziert neue Gewalt"

"Rache und Krieg sind keine zivilisierten Antworten" sagte Markus Kienle. Der Ulmer Stadtrat der Grünen hatte zusammen mit seiner Partei, dem Ulmer Weltladen, den Naturfreunden Ulm, dem SPD-Kreisverband, der VVN-BdA und der IG Metall zur Mahnwache in der Ulmer Fußgängerzone aufgerufen. Die Anschläge in den USA seien auch Angriffe auf das zivile Zusammenleben der Menschen. Gerade dehsalb müssten auch zivilisierte Antworten darauf gefunden werden, stellte Markus Kienle fest. Für die VVN-BdA sprach der Metallgewerkschafter Josef Kaiser. Auch er machte deutlich, daß die Täter, die verantwortlichen Hinterleute gesucht, verurteilt und bestraft werden müßten. Dabei dürften aber nicht erneut Unschuldige zu Opfern werden. Doch die Reden von Rache und Vergeltung, die Kriegseuphorie "Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns, ist unser Feind", lasse nichts Gutes ahnen. Statt von Solidarität mit den US-amerikanischen Freunden zu reden, sollten Schröder und Fischer den US-Präsidenten lieber zur Seite nehmen und ihm in aller Freundschaft erklären, daß die Bestrafung von Mördern und Verbrechnern unter demokratischen Verhältnissen den Gerichten und Strafverfolgungsbehörden vorgehalten sei. Nur in diktatorischen Systemen schwängen sich Militärs und Staatspräsidenten selbst zur Bestrafungsinstanz auf. "Wir appellieren an die Verantwortlichen in den USA und anderswo, sich nicht von Rache und Vergeltungsgefühlen leiten zu lassen. Das Zerbomben fremder Länder und Städte wird keinen Freiden und keinen Schutz vor Terrorismus bringen, sondern neu Opfer und Gewalt erzeugen" sagte Josef Kaiser. Für die Gewerkschaften sei es besonders wichtig, das Zusammenleben und Zusammenarbeiten deutscher und ausländischer Arbeitnehmer/innen nicht aufs Spiel zu setzen. "Hüten wir uns davor, ganze Völker und Religionen zu kriminalisieren und kollektiv für den Anschlag verantwortlich zu machen. Der Gegner heißt nicht Moslem, er heißt nicht Araber er heißt nicht Afghanistan - der Gegner heißt Haß, Fanatismus und terroristische Gewalt" warnte der Redner. Wer vorgebe, Werte der Zivilisation und der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Humanität zu verteidigen, der müsse sich auch angesichts dieser blutigen Katastrophe in New York an diesen Werten orientieren, forderte Josef Kaiser. EG

Schülerdemo in Mannheim:
"Kein Krieg der Kulturen"
200 Schülerinnen und Schüler demonstrierten am 21. 9. in Mannheim auf einer Kundgebung der "Schüler gegen Rechts" Manuel Röhrig vom Peter- Petersen-Gymnasium warnte vor neuem Krieg: "Bloße Rache darf nicht die Richtschnur zivilisierter Länder sein. Krieg trifft Schuldige und Unschuldige." Jakob Köllhofer vom deutsch-amerikanischen Institut in Heidelberg, forderte dazu auf, auf die Moslems zuzugehen. Der Terrorismus habe auch eine Vorgeschichte, "daran sind auch wir beteiligt". Für das Friedensplenum Mannheim ergriff Matthias Kohler das Wort: "Die Welt droht nach dem 11. September kälter und kriegerischer zu werden." Mit dem Zitat eines Friedensforschers, "der Schwache übt Rache, der Starke übt Zurückhaltung", mahnte er die Vernunft der Verantwortlichen Politiker an. Es sei besser, dem Hass den Nährboden zu entziehen, als militärisch Vergeltung zu üben. "Ob wir etwas aus dem Holocaust gelernt haben, wird sich jetzt im Umgang mit dem Islam zeigen", ergänzte Pfarrer Uli Schäfer. Er und Talat Kamran vom Moschee-Verein riefen gemeinsam zum Dialog auf. Nach einer Schweigeminute legten die Schüler Kerzen und Blumen auf dem Marktplatz nieder.

Schweigestunde für Frieden:
"Vergeltung ist keine Lösung"
Am Freitag, den 21. September rief die Werkstatt für gewaltfreie Aktion Baden und die Deutsche Friedensgesellschaft, DFG-VK Mittelbaden zu einer Schweigestunde vor dem Offenburger Rathaus auf. Unterstützt wurde die Aktion unter dem Motto "Gegen Hass und Gewalt - Vergeltung ist keine Lösung" von der VVN-BdA Ortenau. Es nahmen ca. 120 Menschen daran teil und es konnten viele Unterschriften gesammelt werden. Unsere Kreisvereinigung verteilte Flugblätter. Die Grundlage für das Flugblatt bildete die Presseerklärung: "Trauer und Solidarität mit den Opfern und deren Angehörigen, Politiker sollen sich von archaischen Rachegefühlen leiten lassen" von Werner Pfennig für den BundessprecherInnenkreis der VVN-BdA.
Die Aktion wird in den nächsten Wochen fortgesetzt. Wir sehen darin eine Möglichkeit mit den anderen Gruppen weitere Veranstaltungen zu Hintergründen und Folgen durchzuführen.

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