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Nummer 4 / Oktober 2001



Osama bin Laden und andere Terroristen:

Das Netz des Terrors reicht auch in die USA

von Elke Günther

Fast zeitgleich mit den grauenvollen Bildern der zusammenstürzenden und Tausende Menschen unter sich begrabenden Zwillingstürme des World-Trade-Centers, wurde einer entsetzten Öffentlichkeit auch gleich der Drahtzieher, Auftraggeber dieser alle bisherigen Aktionen individuellen Terrors in den Schatten stellenden Tat präsentiert: Osama bin Laden.

Eine Anschuldigung, die zumnächst kaum jemand in Zweifel zog. Hatte ihn die USA doch bereits für frühere blutige Anschläge auf Militärstützpunkte und US-Botschaften mit insgesamt fast 300 Opfern, verantwortlich gemacht. Der saudische Multimillionär bin Laden, in den USA bereits lange vor dem Anschlag auf das World-Trade-Center und das Pentagon zur Inkarnation des Bösen (v)erklärt, ist für die Rolle des islamistischen "Terrorpapstes" im Wortsinn wie geschaffen. In der Tat ist Osama Bin Laden ein Produkt US-amerikanischer Außenpolitik. Im Kalten Krieg gegen die sozialistischen Staaten haben die USA ihn und seinesgleichen nach Kräften für ihre Ziele benutzt. Bin Laden und seine Gotteskrieger, die damals noch Freiheitskämpfer hießen, waren vom CIA finanziert und ausgebildet worden und haben im Afghanistankrieg gegen die sowjetischen Truppen gute Dienste geleistet. US-Präsident Reagan hat sie seinerzeit sogar als "wahre Helden", als moralisches "Äquivalent der Gründerväter Amerikas" bezeichnet. Einige der zahlreichen Millionen Dollar Bin Ladens sollen geradewegs aus den Kassen des CIA geflossen sein. Sind die USA am Ende jetzt in der Rolle des vielzitierten Zauberlehrlings, der die Geister die er rief, nicht mehr los wird, wie manche meinen?
Daß Osama bin Laden islamistische Terrorgruppen unterstützt, sie fördert, für die Ausbildung der "Gotteskrieger" finanziell aufkommt, daran besteht kaum ein Zweifel. Aber war er tatsächlich in der Lage, von seiner Kommandohöhle in Afghanistan aus den furchtbaren Terroranschlag, dem mehr als 5000 Menschen zum Opfer gefallen sind, vorzubereiten und ausführen zu lassen? Inzwischen gibt es einige wenige kritische Stimmen, die Bin Laden zwar nicht den Willen, wohl aber die Fähigkeit einen derart komplexen und komplizierten Terrorangriff planen und durchführen zu lassen, absprechen. Die ungeheuer präzise, mit einem Höchstmaß an Professionalität und Organisation durchgeführte Operation trägt die Handschrift cooler, erfahrener Profis, während bisherige Selbstmordattentäter eher als unkoordiniert und autonom handelnde kleine Einheiten in Erscheinung getreten sind, deren Stärke gerade in der Spontanität und Unabhängigkeit von Kommandostrukturen und größeren Organisationszusammenhängen liegt.

Die Heimat des Terrors liegt nicht in Afghanistan
Begeistert über den Terroranschlag zeigten sich auch us-amerikanische (und deutsche) Nazigruppen, wie "National Alliance" und "Aryan Nations". Der Bombenanschlag von Oklahoma City im April 1995 bei dem 169 Menschen starben und rund 500 verletzt wurden - und für den zunächst militante Moslemextremisten verantwortlich gemacht worden waren - hat deutlich gemacht, daß auch US-Naziorganisationen zum Massenmord fähig sind. Im Kampf für die "arische Revolution" ist alles erlaubt. In dem Roman "The Tuner Diaries", die "Bibel" amerikanischer Nazis, beginnt die "arische Revolution" mit einem Bombenattentat auf das Hauptquartier des FBI und erreicht seinen widerlichen Höhepunkt mit dem "Day of the Rope" (Tag des Seils), an dem zehntausende Menschen mit Schildern wie "Ich habe meine Rasse verraten" an Straßenrändern aufgehängt werden. Nach einem nuklearen Bürgerkrieg und einer "mopping-up-period" (dem Mord an allen nicht Weißen), ist die Welt am Ende des Romans "arisch", das Blutvergießen "hat sich gelohnt". Daß dies keineswegs nur ekelerregende Gewaltphantasien durchgeknaller Glatzköpfe sind, zeigt nicht nur der erwähnte Terroranschlag von Oklahoma City. Bereits 1988 konnte nur knapp verhindert werden, daß eine Nazigruppe das Trinkwasser von New York und Washington mit schon bereitstehenden 30 Gallonen Cyanid vergiftet. 1995 wurde die - in den USA völlig legale - Lieferung von Pest-Erregern an den der Nazigruppe Arische Nation angehörenden Mikrobiologen Larry Wayne Harris im letzten Moment gestoppt.
Diese Beispiele zeigen, daß die US-Naziszene durchaus vor Terroranschlägen auch in der Dimension des World-Trade-Centers und Pentagons nicht zurückschrecken würden. Auch die Bereitschaft sich selbst zu töten, um andere damit umzubringen, gehört mit ins Arsenal fanatisierter Nazis. "Zeigt kein Erbarmen und keine Reue - Sieg oder Walhalla" heißt es dann auch in deutschen Nazi-Flugblättern. Die Täter waren ganz offensichtlich Menschen mit militärischer Erfahrung, wie sie sich nicht aus Handbüchern im do-it-yourself Verfahren erwerben läßt und wie sie auch nicht in den Ausbildungslagern von Bin Ladens Gotteskriegern vermittelt wird.
Italien gibt mit der P2-Loge ein Beispiel für ein fein gewobenes Netzwerk von White-Collar-Nazis, mit offener Distanz und ideologischer Nähe zu faschistischen Gruppen.
"... Das Verbrechen ist ein Geschenk für die chauvinistische, hurrapatriotische Rechte, für all jene, die nur darauf warten, Gewalt einsetzen zu können, um ihre Interessen zu schützen..." beantwortet Noam Chomsky, bekannter Kriegsgegner und Linguistikprofessor an der Chambridge-Universität, die Frage nach den Nutznießern des Terroranschlags.
Wenn die ersten US-Kampfflugzeuge Afghanistan angegriffen haben, unschuldige Menschen im Bombenhagel sterben oder infolge des Krieges elend verhungern, werden Bin Ladens Gotteskrieger oder andere Muslimgruppen diesen Terror mit neuem Terror, neuer Gewalt beantworten. Womit dann endgültig bewiesen wäre, was gar nicht erst bewiesen werden mußte: Die Täter sind die, die man dafür hält.
Elke Günther

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