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antifNACHRICHTEN an200107
Nummer 3 / Juli 2001



Berlusconis Wahlsieg in Italien:

Mussolini läßt grüßen

von Dr. Gerhard Feldbauer

49,4% der italienischen Wähler gaben dem Rechtsblock Berlusconis ihre Stimmen und hievten den reichsten Mann Italiens in den Ministerpräsidentensessel. Selten bekannten sich Kapital und Politik so offen zur einheitlichen Macht wie im heutigen Italien. Dr. Gerhard Feldbauer, Mitglied der VVN-BdA, früherer Italienkorrespondent und Autor eines Buches über die extreme Rechte in Italien hat sich in einem (noch vor den Wahlen) verfaßten Beitrag für die "Junge Welt" mit Charakter und Hintergründen des neuen italienischen Regierungsbündnisses befasst. Wir dokumentieren im Folgenden den Artikel in gekürzter Form.

Die meisten bürgerlichen Medien, die dem Forza-Chef einen Sieg prophezeien, verharmlosen die faschistische Gefahr. Die Casa della Libertà (Haus der Freiheiten), wie Berlusconi seine Allianz demagogisch getauft hat, wird als harmlose Rechte oder gar als rechte Mitte dargestellt. Selbst in linken Medien finden sich derartige Tendenzen. Sie übersehen, daß der gegenwärtige Faschisierungsprozeß im parlamentarischen Rahmen vor sich geht und daß ihn christdemokratische Parteigrüppchen als Verbündete Berlusconis ebenso mitmachen wie Nachfolge-Sozialisten der untergegangenen Partei von Berlusconi-Intimus Bettino Craxi. Auch Mussolini hatte 1922 und in den folgenden Jahren zunächst mit dem Parlament und in einer Koalition mit bürgerlichen Parteien regiert, ehe er 1926 zur offenen faschistischen Diktatur überging.

Parallelen zu Mussolini
Anders als in Deutschland konnte sich die faschistische Bewegung 1945 in Italien über die Niederlage hinwegretten. Bereits im Dezember 1946 wurde als Nachfolgepartei die Movimento Sociale Italiano (MSI) gegründet. Vor den Wahlen 1994 reorganisierte sie sich zur heutigen Allianza Nazionale (AN). Ungeachtet dieser Tatsache konnte Berlusconi in der Welt am Sonntag vom 15. April in einem ganzseitigen Interview die AN als "reformerische Kraft" darstellen und AN-Chef Gianfranco Fini, der bis heute keines seiner zahlreichen Bekenntnisse zu Mussolini "als größten Staatsmann des vergangenen Jahrhunderts" widerrufen hat, als "konservativen, demokratischen, europäischen Rechten" preisen, der "die Brücke zur extremen Rechten abgebrochen" habe.
Kurz vor den Wahlen wechselte Fiat-Chef Giovanni Agnelli, die Nummer zwei des italienischen Kapitalismus, die Seite. Bisher hat er die linke Mitte protegiert, jetzt rief er zur Wahl von Berlusconi auf. Das offenbart in gefährlicher Weise eine weitere historische Parallele: Zu den Wahlen im April 1924, mit denen Mussolini seine Diktatur demokratisch verbrämen wollte, traten damals führende Großkapitalisten wie der Präsident des Industriellenverbandes, Alfano Benni, sowie Gino Olivetti vom gleichnamigen Elektrokonzern auf der faschistischen Einheitsliste zur Wahl an.

Die Wahlergebnisse:
Mit einer komfortablen Mehrheit von 49,4% stellt der aus Berlusconis Forza Italia (39,4%), der Sezessionistischen Lega Nord (3,2%), der faschistischen Allianzia Nationale AN (12%), den Vereinten christdemokratischen Parteien CCD/CDU (3,2%) und der neuen Sozialistischen Partei (0,9%) bestehende Rechtsblock die neue Regierung.
Bei einer Wahlbeteiligung von 81,2 Prozent (1996 waren es 82,6 Prozent) landete die bisher regierende Mitte-Links-Koalition "Ulivio" (Olivenbaum) bei zusammen gerade mal 35 Prozent. "Ulivio" besteht aus Linksdemokraten DS (16,6%), Christdemokratische Margherite (14,5%), Sonnenblume - Grüne und Sozialistische SDI (2,2%), Partei der italienischen Kommunisten PdCI (1,7%). Die Rifondazio Communista (Kommunistische Wiedergründung) schaffte mit 5,1% als einzige unabhängige Liste den Sprung über die 4-Prozent Hürde.

Berlusconi: Erfolgsstory der Putschistenloge P2
Berlusconis politischer Werdegang ist mit dem Wirken der 1981 aufgedeckten Putschistenloge "Propaganda due" (P2) verbunden, deren erklärtes Ziel es war, die verfassungsmäßige Ordnung mittels eines kalten Staatsstreichs zu beseitigen und ein diktatorisches Regime faschistischer Prägung zu installieren. Die Geheimorganisation bildete der Großunternehmer Licio Gelli, ein Altfaschist aus Mussolinis Salo-Republik, Anfang der 70er Jahre in Zusammenarbeit mit der CIA sowie der geheimen NATO-Gruppe Gladio. Die aufgefundenen, unvollständigen Mitgliederlisten der P2 verzeichneten 47 Industrielle, 119 Bankiers und Leute der Hochfinanz, 43 Generale, darunter die gesamte Führungsspitze der Geheimdienste ... .In der P2, die der damalige Staatspräsident Sandro Pertini eine "kriminelle Vereinigung" nannte, hatte Berlusconi eine Spitzenposition inne. Die renommierten Journalisten, Giovanni Ruggeri und Mario Guarino bewiesen in ihrem Buch, daß Berlusconi keineswegs vom "Tellerwäscher" zum Multimillionär emporstieg. Die Logenbrüder spielten vielmehr "die entscheidende Rolle für seine Unternehmerkarriere", allen voran die Bankiers der P2. Sie verschafften ihm "Unterstützung und Finanzierungshilfen, die weit über jede Kreditwürdigkeit hinausgehen". Erst leugnete Berlusconi seine Mitgliedschaft, dann spielte er sie als harmlose Episode herunter. Schließlich versuchte er, die Verbreitung des Buches zu verhindern. Er bot den Autoren sogar einen Blankoscheck an. Als diese nicht darauf eingingen, verklagte er sie. Er verlor in allen drei Instanzen und wurde wegen falscher Zeugenaussage verurteilt.

60 Milliarden Imperium
Die P2 war es auch, die Berlusconis Entwicklung in Richtung Massenmedien lenkte, in denen Gelli die wahre Macht sah zur Verwirklichung der Umsturzstrategie, demagogisch "Plan zur demokratischen Wiedergeburt" genannt. Berlusconi stieg groß ins Fernsehgeschäft ein. Mit den Geldern der P2 machte er aus dem kleinen "Telemilano" das landesweite TV-Netz "Canale 5", kaufte danach die größten Konkurrenten "Rete quatro" und "Italia 1" auf und besitzt heute das in entscheidenden Bereichen den staatlichen Sendern überlegene private Fernsehmonopol. Zum Medienimperium Berlusconis kamen danach rund 40 Prozent aller italienischen Presseerzeugnisse, ferner Cinema 5, die größte Kino-Kette des Landes. Musik- und Video-Produktionsgesellschaften und der Werbekonzern Pubitalia. Berlusconi wurde Besitzer und Präsident des Fußballclubs AC Milan, Organisator der Radtour Giro d' Italia. Herr über Rugby-, Hockey- und Volleyballmannschaften und mit 80 Prozent Anteilen Mäzen des Mailänder Teatro Manzoni. Sein in der Fininvest-Holding zusammengefaßtes Imperium, zu dem auch der Immobilienkonzern Edilnord und das Finanzunternehmen Mediolanum gehören, besitzt laut Hamburger Zeit einen Wert von annähernd 60 Milliarden DM.

Forza Italia - Partei nach faschistischem Vorbild
Nach der Aufdeckung ungeheuerlicher Korruptionsskandale brach Anfang der 90er Jahre das traditionelle, von der Democrazia Cristiana und den mit ihr verbündeten Sozialisten angeführte Parteiensystem zusammen. Die Ermittlungen der Mailänder Staatsanwälte erfaßten etwa 6000 Politiker, darunter ein Drittel der 945 Senatoren und Abgeordneten. Anfang 1993 saßen 1356 Staats- und Parteifunktionäre in Haft.
Nun kommt die Stunde Berlusconis. Im Eilzugtempo bildet er die Forza Italia (FI vorwärts Italien), eine Partei, die das Vakuum ausfüllt, das der Zusammenbruch von DC und SP hinterläßt. Bei der Schaffung der FI, die personell aus Berlusconis Fininvest-Holding hervorgeht und von "beurlaubten" bzw. früheren Managern geführt wird, zeigt sich der von der P2 prognostizierte Machtfaktor der modernen Kommunikationsmittel.
Beim Aufbau der Forza-Partei orientierte sich Berlusconi, an der faschistischen Sammlungsbewgung "Jedermann" (Uomo Qualunque). Einen Gründungskongreß, auch nur formell gewählte Gremien, die Annahme eines Programms oder Ähnliches gab es nicht. Sein Programm, schreiben Ruggeri und Guarino, sei eine aktualisierte Fassung des "Plans der demokratischen Wiedergeburt" der P2. Es verfolge die "gleichen Vorhaben einer autoritären und leistungsorientierten politischen Restauration mit dem Endzweck, die Kontrolle der Macht weiterhin auszuüben und der Linken den Zutritt zur Regierung zu verwehren."

Profaschistische Regierung
Mit der Forza Italia trat Berlusconi 1994 in einer Allianz mit der faschistischen AN und der rassistischen Lega Nord, deren Anhänger den millionenfache Mord an den Juden verherrlichen, zu den Parlamentswahlen an. Der Großkapitalist versprach jedem Wähler etwas: weniger Steuern, weniger Umweltverschmutzung, eine Million neuer Arbeitsplätze, mehr Solidarität mit den sozial Schwachen, mehr Fürsorge für die Alten. Knapp 43 Prozent der Wähler erlagen der Volksverdummung und stimmten für Berlusconi, der damit Sieger wurde. Zum Sieg hatte das von Berlusconi 1993 mit Hilfe seiner Medienmacht in einem Referendum durchgesetzte gemischte Wahlsystem entscheidend beigetragen, nach dem nun zu 75 Prozent das Mehrheitswahlrecht nur noch zu 25 Prozent das Verhältniswahlrecht gilt.
Berlusconi bildete die erste profaschistische Regierung der Nachkriegszeit. In ihr stellte die AN fünf Minister, darunter den Vizepremier. Drei Minister waren nachweislich in der P2 eingeschrieben. AN-Chef Gianfranco Fini beantragte in der Abgeordnetenkammer, das in der Verfassung verankerte Verbot der Mussolini-Partei aufzuheben. AN-Minister forderten, die exjugoslawischen Gebiete Istrien, Dalmatien und die Hafenstadt Fiume (das heutige Rijeka) nach Italien "heimzuholen" und Homosexuelle in Konzentrationslager zu sperren. Berlusconis Fernsehsender kündigten "Säuberungen in den öffentichen Einrichtungen" an und begannen damit in der staatlichen Rundfunk- und Fernsehgesellschaft RAI. In verfassugnswidriger Weise leitete Berlusconi die Errichtung eines Präsidialregimes ein. Vorgesehen war, die reine Mehrheitswahl einzuführen, den Staatspräsidenten und Premier, die beide größere Kompetenz und Unabhängigkeit von der Legislative erhalten sollten, direkt wählen zu lassen. Der Senat als zweite Kammer sollte beseitigt, 84 der 184 Artikel der Verfassung, darunter alle mit Bezug auf die antifaschistischen Grundlage, gestrichen oder abgeändert werden. Das wäre, so der ehemalge Präsident des Verfassungsgerichts, Ettore Gallo, einem "Staatsstreich" gleichgekommen.

Macht über alle Sender?
Berlusconi, von dem der Verfassungsrechtler Alessandro Pace sagt, es gäbe niemanden, der so tief in das "korrupte System verstrickt" ist, der nicht zuletzt deshalb 1994 nach 256 Tagen Amtszeit zurücktreten musste, kann in Italien dennoch erneut und ungehindert für das Amt des Ministerpräsidenten kandidieren. Wie 1994 führte er dieses Jahr einen Wahlkampf, der von Antikommunismus nur so trieft. Offen verfolgtes Ziel ist nicht nur, die Partei der Kommunistischen Neugründung (PRC) politisch zu vernichten, sondern ebenso die sozialdemokratische Linkspartei aus dem politischen Leben auszuschalten. Die "Führerallüren" Berlusconis lösten kurz vor den Wahlen doch noch deutliche Vorbehalte in renommierten ausländischen Medien aus. Die Financial Times veweist darauf, daß Berlusconi als Regierungschef auch noch die Kontrolle über die staatliche Rundfunk- und Fernsehanstalt RAI übernehmen würde. "Eine einzige Person hätte somit die Macht über nahezu alle Sender der sechstgrößten Industrienation der Welt. "Auch manchem EU-Partnerland "dürfte diese Vorstellung kaum behagen".

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