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antifNACHRICHTEN an200104
Nummer 2 / April 2001



Zweierlei Bündnis in Karlsruhe

Kraftvolle Aktion gegen NPD-Auftritt


Über 2000 Menschen - darunter viele Gewerkschaftsmitglieder - demonstrierten in Karlsruhe am 10. März gegen einen Wahlkampfauftritt der NPD. Die DGB-Kreisvorsitzende Sabine Leidig rief zur Solidarität mit den jüdischen und ausländischen Mitbürgern auf. Die BürgerInnen sollen mit dieser Demonstration ermutigt werden, bei der menschenverachtenden Hetze der Rechtsextremisten nicht wegzuschauen. Dieses Ziel des Antifaschistischen Aktionsbündnisses, das die Demonstration angemeldet hatte, ist trotz erneuter behördlicher Behinderung weit besser als früher (s. Bericht in Antifa Nachrichten Januar 2001) erreicht worden.

Das städtische Amt für Bürgerservice und Sicherheit hatte der NPD in bestürzender Instinktlosigkeit den Kronenplatz, in dessen unmittelbarer Nähe sich die 1938 von der SA niedergebrannte Synagoge befindet, zur Verfügung gestellt und sich auch ansonsten damit hervorgetan, eine Gegendemonstration durch Verwirrspiele so gut es geht zu schwächen. CDU-Oberbürgermeister Fenrich hatte die Aufforderung der DGB-Kreisvorsitzenden, als Stadtoberhaupt zu einer Demonstration aller "Anständigen" aufzurufen, schlicht ignoriert.
Ein weiteres Ziel des Bündnisses, die verschiedenen antifaschistischen Aktionsformen nicht gegeneinander ausspielen zu lassen, wurde ebenfalls erreicht. Während sich 300 zumeist jugendliche AntifaschistInnen - darunter viele Schüler, die bereits am 29. Januar mit fast 2000 TeilnehmerInnen gegen Rechts demonstriert hatten - lautstark gegen den Auftritt der 20 NPDler wandten, versammelte sich das Gros der Demonstranten zwischen Durlacher Tor und Universität und verlegte die Auftaktkundgebung spontan auf den Kronenplatz direkt neben den von starken Polizeikräften abgeschirmten Nazi-Auftritt. SprecherInnen der VVN-Bund der Antifaschisten und der SPD erinnerten dort an den Hitlerfaschismus und forderten die Auflösung aller Naziorganisationen und die Unterbindung jeglicher Nazipropaganda.
Vermutlich aus wahltaktischen Gründen unterblieb die ansonsten übliche "Verbrüderung" der NPD mit der in Karlsruhe aktiven Neonazi-Kameradschaft. Zurecht fragten Passanten, wozu 600 Polizisten gebraucht werden, um 20 Nazis zu schützen. Das Ziel der "Ordnungshüter" bestand jedenfalls nicht darin, die friedlichen Demo-Teilnehmer gegen Attacken von Rechts in Schutz zu nehmen. Ein Demo-Teilnehmer wurde von einem laut Presse "nicht politisch motivierten Passanten" niedergeschlagen. Statt den friedlichen Demonstranten zu schützen, schaute die Polizei zu, ermunterte den Angreifer zu einer Gegenanzeige und wollte gar das Opfer mit verhaften. Als später der NPD-Auftritt aufgelöst war und die Demonstration durch die Innenstadt weiter von dicht gestaffelten Polizeiketten eingegrenzt wurde, forderte die DGB-Kreisvorsitzende die Einsatzleitung auf, die Polizisten nach Hause zu schicken.
Die Karlsruher Bundestagsabgeordnete von Bündnis90/Grüne, Monika Knoche, forderte, der zunehmenden Ideologie der Ungleichheit entgegenzutreten. Sie erinnerte daran, dass es die Linke war, die als erste gegen den neuen Faschismus aufstand und der Staat nach wie vor auf dem rechten Auge blind ist. Eine Vertreterin der Sozialistischen Linken Karlsruhe wandte sich gegen den staatlichen Rassismus. Wer in nützliche und unnütze Ausländer einteile und in Folterländer abschiebe, gebe den Rechtsextremisten die Stichworte für deren Umsetzung in Gewalttaten und Morde. Rechtes Gedankengut habe sich längst auf Funktionsträger dieser Gesellschaft ausgebreitet.
Eine Vertreterin der Jugendantifa / VVN-Bund der Antifaschisten erinnerte an den Schwur der befreiten Buchenwald-Häftlinge und daran, dass es wegen der Entnazifizierungsbestimmungen im Artikel 139 GG keines Verbots neonazistischer Organisationen bedarf, weil diese als NSdAP-Nachfolgeorganisationen aufzulösen sind.
Eine Sprecherin der Karawane der Flüchtlinge und Migranten erinnerte in bewegenden Worten auf dem Europa-Platz daran, dass es auch ihre afrikanischen Vorfahren waren, die als alliierte Soldaten für ein Europa ohne Faschismus und Rassismus gekämpft haben, für eine Europa, in dem Flüchtlinge als Menschen in ihrer eigenen Kultur und Identität willkommen sind.
In der Auswertung der Aktion bestand im Antifaschistischen Aktionsbündnis Einigkeit darüber, dass die Demo ein ermutigender Erfolg gegen Rechts war, auf dem aufgebaut werden kann.
Ein unter Mithilfe der Stadt Anfang des Jahres gegründetes "Netzwerk gegen Rechtsradikalismus - für Toleranz und Menschenwürde" konnte sich leider nicht dazu durchringen, zur Teilnahme an der Demonstration gegen die NPD aufzurufen. Das "Netzwerk" mobilisierte hingegen mit mehreren Zeitungsanzeigen zu einer Kundgebung am 17. März auf dem Marktplatz und benutzte dazu eine andere seit längerem geplante Aktion gegen Rechts. Der Aufruf des Netzwerks richtete sich gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz, gegen die Agitation rechtsextremistischer Parteien, aber auch gegen die Duldung jeder Form extremistischer Gewalt in bewußter Gleichsetzung von Rechts und Links. Diesem Aufruf folgten nur 150 Personen.
Bei der anderen Aktion handelte es sich um eine interessante Aktion von Karlsruher Künstlern "Courariert gegen rechte Gewalt". Das Antifaschistische Aktionsbündnis hatte deren Aktion begrüßt. Wir wünschen den Künstlern viel Erfolg bei ihrem weiteren Engagement gegen Rechts.

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