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antifNACHRICHTEN an200101
Nummer 1 / Januar 2001



Diskussion:

Wieviel Heimat braucht Antifaschismus

von Janka Kluge

In seinem Erinnerungsartikel an Anna Seghers hat Hans Adamo gefordert, daß Antifaschisten verschiedene Begriffe nicht den Nazis überlasen sollten. Er schrieb: "Heute werden die Begriffe Heimat, Volk und Vaterland wieder mit rechten, neofaschistischen Inhalten verknüpft. Eine linke Tabuisierung von z.B. Heimat kann ungewollt den Rechtsextremismus begünstigen."
Ich persönlich kann nicht erkennen, warum wir als AntifaschistInnen solche Begriffe anders definieren sollten. Der Begriff des Volkes beispielsweise ist in Deutschland eng verbunden mit der Vorstellung des deutschen Blutes. Nach der Reform des Staatsbürgerschaftsrechtsrechts und der Auseinandersetzung über die doppelte Staatsbürgershaft ist diese Auffassung etwas aufgeweicht worden. Viel wichtiger als die Frage, wer zum deutschen Volk gehört, ist für mich, daß wir in Diskussionen immer wieder herausarbeiten, daß alle Menschen, die hier leben die gleichen Rechte haben. Wir sollten betonen, daß es egal ist, was für eine Hautfarbe, Religion oder was für eine Nationalität ein Mensch hat. Wenn nun auch wir anfangen darüber zu diskutieren wer zum Volk gehört und wer nicht, stimmen wir mit ein in den großen Chor der Menschenspalter.
Es gibt etwas anderes, von dem ich denke, daß wir es verstärkt diskutieren sollten. Unsere Traditionen, ja vielleicht unsere Wurzel. Überall wo wir leben und arbeiten, lassen sich Erinnerungen an vergangene Kämpfe ausgraben und darstellen. Sei es der Bauernkrieg, die Revolution von 1848 oder der antifaschistische Widerstand. Wenn dann vor Ort an die Kämpfe vergangener Tage erinnert wird, hat das für mich nichts mit Heimatpflege zu tun.
Ein weiterer Begriff, der von Hans Adamo eingefordert wird, ist der Begriff "Vaterland". Das Vaterland wurde immer benutzt, wenn die Herrschenden versucht haben, Menschen gegen andere Menschen aufzuhetzen und in den Krieg zu schicken. Warum sollten wir den Begriff von Links besetzen wollen, anstatt aufzuzeigen, daß die Bomben nicht weit sind, wenn die Herrschenden anfangen von Vaterland zu reden. Anstatt von links über das "Vaterland" zu debattieren, sollten wir lieber herausarbeiten, daß wir kein "Vaterland" brauchen.
Hans Adamo schreibt in seinem Artikel uach, daß es eine gewisse Schizophrenie beinhalte, wenn wir beim gemütlichen Beisammensein die alten Arbeiterlieder singen und dann beispielsweise beim Lied der Spanienkämpfer singen, "daß die Heimat weit" sei. Er fragt, wie wir das mit unseren Vorstellungen vereinbaren können. Obwohl ich behaupte, daß wir AntifaschistInnen den Begriff der Heimat nicht neu besetzen sollten, ist es richtig, daß auch Linke oft Orte haben, an denen sie sich wohl fühlen, an denen die Freunde wohnen, oder an die es schöne Erinnerungen gibt. Es ist verständlich, wenn sich Menschen, die flüchten mußten, oder aus Überzeugung in einem anderen Land kämpfen, sich nach ihrem Zuhause sehnen. Nach der Familie, die zurückblieb, oder nach etas anderem was einem lieb und wert ist. Der Text in dem Lied geht aber weiter. Es heißt danach: "Doch wir sind bereit". Trotz der Sehnsucht, trotz allem Unangenehmen sind wir bereit, auch hier gegen den Faschismus zu kämpfen. Die Freiheitsliebe und der Internationalismus wird also über das Heimatgefühl gestellt. Ähnlich in einem anderen Lied, das im Artikel von Hans Adamo nicht explizit angesprochen wurde, das aber eine ähnliche Zeile hat. Bei dem Lied der Moorsoldaten heißt es in der letzten Strophe: "Doch für uns gibt es kein Klagen/ewig kann nicht Winter sein /einmal werden froh wir sagen, /Heimat du bis wieder mein." Dieses Lied ist seit über 50 Jahren Zeugnis dafür, daß die im KZ Börgermoor Inhaftierten ihre Hoffnung nicht aufgegeben haben. AntifaschistInnen singen das Lied heute noch als Beispiel für den ungebrochenen Willen der Inhaftierten, nicht als Lobgesang auf die Heimat. Der Begriff der Heimat ist auch hier vielmehr ein Synonym für Freiheit, für ein Leben ohne Nazismus.
Es stimmt, daß Konservative und Rechte immer wieder die Begriffe Heimat, Vaterland und Nation hochhalten. Viel wichtiger, als die Begriffe neu zu besetzen, ist dafür zu sorgen, daß sie nicht mehr so wichtig sind, und im Gespräch herauszuarbeiten, warum uns andere Begriffe wie Internationalismus und Solidarität viel wichtiger sind.

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