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antifNACHRICHTEN an200101
Nummer 1 / Januar 2001



62. Jahrestag der Pogromnacht am 9. November:

Berlin war eine Reise wert

von Alfred Hausser

Kurzfristig erreichte uns eine Einladung der Vorsitzenden Gabriele Zimmer und des Vorsitzenden der Fraktion der PDS im Deutschen Bundestag, Roland Claus. Es war ein Treffen von ca. 30 hochbetagten WiderstandskämpferInnen aus allen Bundesländern in Ost und West und es gab ein freudiges Wiedersehen mit Gefährten aus dem gemeinsamen Widerstand und der Verfolgung.

Aus unserem Land haben Albert Fischer, Gertrud Müller, Erwin Holzwarth, der Unterzeichner und Ilse Werner teilgenommen. Am frühen Morgen des 9. November ging es auf die lange Bahnfahrt nach Berlin. Am Bahnhof Zoo wurden wir abgeholt und ins Reichstagsgebäude gebracht. Ziel des Gespräches dort war ein Erfahrungsaustausch wie wir gemeinsam entsprechend unserer antifaschistischen Tradition konsquenter gegen den braunen Ungeist und die Gewalt kämpfen können, wie wir erreichen können, daß der Antifaschismus wieder zu den Grundwerten in der Bundesrepublik gehört und antifaschistische Organisationen nicht mehr diskriminiert oder gar kriminalisiert werden.
Bei einem regen Erfahrungsaustausch über antifaschistische Arbeit vor Ort habe ich der PDS-Frakton für die Einladung gedankt, mit der Feststellung, daß damit zum ersten Mal Vertreter der VVN-BdA als offizielle Gäste einer Fraktion den Bundestag besuchten.
Außerdem galt der PDS-Fraktion auch ein Dank für die tatkräftige Unterstützung beim Zustandekommen des Gesetzes zur Entschädigung der ehemaligen ZwangsarbeiterInnen.
Wir erlebten dann die große Demonstration gegen Fremdenhass und rechte Gewalt. Mehr als 200 000 Menschen waren auf der Straße. Ein machtvoller Zug unter dem Motto "Wir stehen auf für Menschlichkeit und Toleranz" führte von der Synagoge zum Brandenburger Tor. Auf der Kundgebung dort gab es viele Reden von Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben. Nach der mehr belehrenden Rede des Bundstagspräsideten Rau folgte ein kämpferischer Appell des Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, der mit größtem Beifall aufgenommen wurde. Spiegel attackierte den von der CDU propagierten Begriff der "deutschen Leitkultur". Er sagte: "Meine Damen und Herren Politiker: Überlegen Sie, was Sie sagen und hören Sie auf, verbal zu zündeln!" Die Politiker müßten die Menschen in Deutschland schützen und Rahmenbedingungen schaffen, daß alle Kulturen gemeinsam in der Bundesrepublik leben könnten. Nur so könne man allen Bürgern, nicht-jüdischen und jüdischen, sich selbst und der ganzen Welt beweisen, daß dieses Deutschland im Jahr 2000 wirklich eine demokratische Zukunft hat.
In Berlin wurde an diesem Tag ein Zeichen gesetzt für den gemeinsamen Widerstand gegen rechts, gegen Antisemitismus, für ein friedliches Miteinander. Uns bleibt die Hoffnung, daß es bundesweit verstanden wird.

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