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Nummer 4 / Oktober 2000



Rechtliche Grundlagen des Verbots (neo)faschistischer Tätigkeiten:

NPD-Verbot? Schon lange überfällig!

von Reinhard Hildebrandt

Die VVN-BdA fordert seit Jahren die Durchsetzung des Verbots aller neonazistischen Gruppierungen und Parteien und ihre Auflösung, ebenso das Verbot aller neofaschistischen Propaganda.

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) ermutigte im August 2000 Bund, Länder und Verfassungsschutz, alles für ein Verbot der NPD zu tun. Gleichzeitig warnte er aber vor einem übereilten Antrag beim Bundesverfassungsgericht. Werner Birkenmeier meinte in einem Leitartikel der Stuttgarter Zeitung am 12.9.2000, ein NPD-Verbot sei eine Waffe von gestern. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Norbert Spinrath, forderte Ende August 2000 eine Änderung des Grundgesetzes. "Bestrebungen zur Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankenguts" sollten in der Verfassung verboten werden, sagte er. An die Gerichte appellierte Spinrath, Aufmärsche und Versammlungen von Rechtsextremisten zu verbieten.

Folgende Rechtsvorschriften verpflichten Bundesregierung und Landesregierungen der BRD sowie die ihnen unterstellten Behörden schon seit langer Zeit, nazistische und neonazistische Aktivitäten zu unterbinden und Organisationen dieser Art unverzüglich aufzulösen:

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

Artikel 139: "Die zur Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus' erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt."

Das bedeutet: Die von den alliierten Mächten erlassenen antinazistischen Kontrollratsgesetze von 1945 werden vom Grundgesetz nicht außer Kraft gesetzt, sondern sind nach wie vor anzuwenden.

Neofaschismus ist also verfassungswidrig !

Nach der Zerschlagung des faschistischen Terror- und Staatsapparates, nach den politisch motivierten Völkermorden in Auschwitz und Buchenwald, nach der Auslöschung ganzer Ortschaften in Lidice (Tchechoslowakei), Oradour (Frankreich) und Distomo (Griechenland), nach der Verschleppung von Millionen ZwangsarbeiterInnen in die deutsche Industrie, war auf deutschem Boden keine Staats- und Rechtsordnung mehr denkbar, die Faschismus dulden konnte. Bestimmender Grundsatz aller Kräfte des deutschen antifaschistischen Widerstandes war die Forderung "Nie wieder Faschismus".

Demnach ist das Grundgesetz der Bundesrepublik sowohl in seinen Entstehungsbedingungen als auch in seinem Inhalt eine Gegenverfassung zum faschistischen Herrschaftsmodell.

Potsdamer Abkommen

Besonders zu nennen ist das Potsdamer Abkommen von 1945, das u. a. die Vernichtung der NSDAP und ihrer angeschlossenen Gliederungen vorsah, was durch das Alliierte Kontrollratsgesetz Nr. 2 vom 12. Oktober 1945 umgesetzt wurde. Weiter heißt es im Potsdamer Abkommen: "Es sind Sicherheiten dafür zu schaffen, dass sie (die NSDAP und ihre Gliederungen) in keiner Form wieder aufstehen können; jeder nazistischen und militaristischen Betätigung und Propaganda ist vorzubeugen". Weiterhin verbot das Gesetz Nr. 8 des Alliierten Kontrollrates vom 30. 11. 1945 jegliche Propaganda "die darauf abzielt, militaristischen und nationalsozialistischen Geist oder derartige Einrichtungen zu unterhalten, wieder ins Leben zu rufen oder zu fördern". Das heutige Grundgesetz schließt bis zum heutigen Tag jede Form des Faschismus kategorisch aus.

2 + 4 Vertrag

Daran hat auch der 2 + 4 Vertrag (Wiedervereinigungsvertrag) nichts geändert. Aus durchsichtigen Gründen wird gelegentlich versucht, aus Artikel 7 des Vertrages das Gegenteil herzuleiten. Doch dieser Artikel 7 besagt nicht mehr und nicht weniger als den Übergang der vollen Souveränität nach innen und außen auf die Bundesrepublik Deutschland unter Aufgabe entgegenstehender Vereinbarungen und Rechte der damaligen vier Besatzungsmächte. Durch diesen Vertrag sind also die antifaschistischen Normen und Strukturen des Grundgesetzes in keiner Weise angetastet worden.

Nach Innen weginterpretiert

In der Adenauerzeit wurde der Artikel 139 des Grundgesetzes nicht angewendet und mit dem Landesentnazifizierungsabschlussgesetz im Jahre 1953 als gegenstandslos betrachtet. Diese Praxis stand im Zusammenhang mit der Wiedereingliederung des Großteils der NS-"Eliten" und zwar, wie Wolfgang Abendroth schrieb "nicht zufällig (...) meist durch entnazifizierte Juristen des Dritten Reiches." Den Regierungen dieses Staates fehlte und fehlt der politische Wille den Neofaschismus aktiv zu bekämpfen, obwohl sie durch das Grundgesetz in vielfältiger Weise dazu angehalten sind. Der ehemalige Bundespräsident Herzog ist personifiziertes Beispiel für eine Politik, mittels Uminterpretation wichtige Verfassungsaussagen wegzumanipulieren. Gemeinsam mit dem Nazistaatsrechtler und DVU-Ratgeber Theodor Maunz (siehe Antifa-Nachrichten Nr. 2/2000, S. 26) hat Herzog das Grundgesetz solange "interpretiert", bis beispielsweise von den Aussagen des Artikels 139 - und somit von der Illegalität des Neonazismus - nichts mehr übrig blieb, obgleich der Wortlaut des Artikels nicht geändert wurde. Herzog selbst erklärte den Artikel 139 für "obsolet" (überholt, überflüssig). Er war es auch, der das hohe Ansehen seines Amtes und seine Kompetenz als Staatsrechtler missbrauchend, schon früh die völkerrechts- und verfassungswidrige Teilnahme Deutschlands an Kriegen befürwortete.

Allierte Kontrollbehörde - Kontrollrat
Gesetz Nr. 2 vom 12. 10. 1945

"Auflösung und Liquidierung der Naziorganisationen Artikel I
  1. Die NSDAP, ihre Gliederungen, die ihr angeschlossenen Verbindungen und die von ihr abhängigen Organisationen, einschließlich der halbmilitärischen Organisationen und aller anderen Nazieinrichtungen, die von der Partei als Werkzeuge ihrer Herrschaft geschaffen wurden, sind durch vorliegendes Gesetz abgeschafft und für ungesetzlich erklärt.
  2. Diejenigen Naziorganisationen, die auf der Liste im Anhang aufgeführt sind, oder solche, die außerdem zusätzlich bezeichnet werden sollten, sind ausdrücklich aufgelöst.
  3. Die Neubildung irgendeiner der angeführten Organisationen, sei es unter dem gleichen oder unter einem anderen Namen, ist verboten."
Die Liste im Anhang zum Gesetz Nr. 2 umfasst 62 Naziorganisationen, z.B. NSDAP, SA (Sturmabteilungen), SS (Schutzstaffeln), einschließlich der Waffen-SS und des SD (Sicherheitsdienstes), HJ (Hitlerjugend), einschließlich der angeschlossenen Organisationen.

Gesetz Nr. 8 vom 30. November 1945

Artikel IV "Das Tragen von deutschen Militär- oder Naziuniformen, Abzeichen, Fahnen, Bannern oder Standarten oder militärischer oder ziviler Orden und Ehrenzeichen sowie der Gebrauch charakteristischer Nazi- oder militärischer Gruß- und Begrüßungsformen sind verboten. Alle anderen symbolischen Gesten, die den Nazigeist zum Ausdruck bringen, sind verboten. ..."

Artikel VII "Schriftlich, mündlich oder anderweitig betriebene Propaganda oder Agitation, die darauf hinausgeht, militärischen und nationalsozialistischen Geist oder derartige Einrichtungen zu erhalten, wieder ins Leben zu rufen oder zu fördern oder die Verherrlichung des Krieges zum Gegenstand hat, ist verboten."
Nach Außen bekräftigt

Die Bundesregierung kann sich aber nicht auf fehlendes Unrechtsbewusstsein berufen. Sie hat am 31. 07. 1970, drei Jahre bevor die Bundesrepublik der UNO beitreten konnte, eine Erklärung gegenüber der UNO abgegeben, in der es heißt: "6. Das ausdrückliche Verbot von nazistischen Organisationen und gleichfalls die Vorbeugung gegenüber nazistischen Tendenzen folgen aus dem Grundgesetz mit der Wirkung, dass die von den alliierten und deutschen Stellen erlassene Gesetzgebung zur Befreiung des deutschen Volkes von Nationalsozialismus und Militarismus weiterhin in Kraft ist". (United Nations, General Assembly, Dokument A/ 8056, nach dem englischen Original übersetzt).

Faschismusverbot ist geltendes Recht!

Wichtig für zukünftige Auseinandersetzungen ist, dass diese Alliierten Kontrollratsgesetze von 1945 auch heute weiterhin geltendes Recht sind, so hat es die jetzige rotgrüne Bundesregierung im Herbst 1999 in einer Erklärung bestätigt (Bundestagsdrucksache 14/1802). Hintergrund ist, dass im September 1999 die Kölner Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige des PDS-Ratsmitglieds Jörg Detgen wegen des Rufens der Parole "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" auf einer NPD-Demonstration in Köln abgewiesen hatte. Staatsanwalt Knieper meinte, die Parole habe keine "spezifisch nationalsozialistische Bedeutung". Anlass für die PDS-Bundestagsfraktion, eine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen, ob die Verherrlichung der Waffen-SS strafbar sei. Darauf antwortete die Regierung: "Die SS - auch die Waffen-SS - sind verboten und aufgelöst. Dies ergibt sich aus dem Kontrollratsgesetz Nr. 2 vom 10. Oktober 1945 (Artikel 1 Nr. 2 in Verbindung mit Nr. 55 der Anhangliste). § 86 a StGB ,Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen' erfasst auch Kennzeichen der SS. Kennzeichen sind auch Parolen und Grußformeln, die die SS typischerweise verwendete."

Strafgesetze anwenden!

Eine offizielle Übersicht über strafbare faschistische Symbole und Äußerungen (Informationen zum Erkennen rechtsextremistischer Straftaten - s. Kasten) wurde vom Hessischen Landeskriminalamt herausgegeben, sie ist im Internet unter www. polizei. hessen.de./hlka/abteilung5/infoblattR.html abrufbar. Der Schwerpunkt liegt bei diesen Informationen auf den Propagandadelikten.

Eine Liste der beschlagnahmten bzw. indizierten Musik von Skinbands kann bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPjS, Kennedyallee 105-107, 53175 Bonn) angefordert werden und im Internet abgerufen werden unter www.bpjs. bmfsfj.de/bpjs/bundespr.

Verbotene Computerspiele (beispielhafte Aufzählung) sind:

"Anti-(...-Ausländer)Test", "Ariertest", "Hitler Diktator", "Die Hitler Show", "KZ-Manager, The Missionaries" , "Wolfenstein3D".

Unter der Ziffer 7 der Informationen werden 20 verbotene Organisationen, Vereine, Parteien aufgezählt, unter anderem die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) die Nationalistische Front (NF), die Wiking Jugend, die Aktionsfront Nationaler Sozialisten / Nationale Aktivisten (ANS/NA). Angesichts dieser Liste ist zu fragen, warum der § 85 StGB (Fortführung einer verbotenen Vereinigung) kaum angewendet wird, bei gründlicher Ermittlung durch die Behörden wäre er eine praktikable Handhabe gegen organisierte Neofaschisten. Im Falle der NPD und des hohen Anteils von ehemaligen Mitgliedern rechtskräftig verbotener Vereinigungen in ihren Führungsgremien stellt sich dringend die Frage, ob die NPD nicht als eine solche Ersatzorganisation anzusehen ist.

Die Verfassung der Bundesrepublik und die hier relevanten gesetzlichen Vorschriften verbieten den Faschismus und die Tätigkeit von Vereinigungen, die zur neofaschistischen Bewegung zu rechnen sind. Es gibt keinen erkennbaren und vernünftigen Grund, ausgerechnet solche Normen, die der Bekämpfung des Faschismus dienen, ganz oder teilweise nicht anzuwenden. Vernünftigerweise wird so etwas niemand für die Bereiche Raub, Mord oder Totschlag verlangen.

Verbotene Grußformen und Parolen:

"Sieg Heil", "Sieg und Heil für Deutschland", "Heil Hitler", "Mit deutschem Gruß", "Meine Ehre heißt Treue" (Losung der SS), "Ein Volk, ein Reich, ein Führer" (allgemeine Parteilosung der NSDAP), Hitlergruß, Widerstandsgruß oder Kühnengruß.

Verfassung kennt kein Rechts=Links Schema

"Es wäre wichtig, die Verantwortlichen dazu zu zwingen, von ihrem üblichen Rechts-Links-Schema abzuweichen. Die Verbotsverfügungen greifen nach wie vor das Schema von rechten und linken Gruppen auf, die einander gegenüber stünden und die nun einen polizeilichen Notstand verursachen. Diese Argumentation wird für ein Verbot mit Sicherheit nicht mehr ausreichen", sagte vor kurzem Rechtsanwalt Alexander Hoffmann in einem Interview mit den "Antifaschistischen Nachrichten" (Nr. 19/2000) und weiter: "Man muss von den Ordnungsbehörden verlangen, dass sie aktive Antifaschistinnen und Antifaschisten ernst nehmen anstatt sie zu kriminalisieren und dass sie ganz eindeutig die Nazis als Verursacher von Terror und Gewalt behandeln. Man muss von ihnen verlangen, dass sie die Erkenntnisse, die über diese Gruppen, die Hass und Gewalt säen, vorliegen, verwenden und in ihre Verbotsverfügungen aufnehmen. Nur so gibt es eine Chance, dass diese Verbote Bestand haben. ... Verbote von Demonstrationen sind möglich, sagte das Bundesverfassungsgericht Karlsruhe, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass aus der Demonstration heraus Straftaten begangen werden oder sie als Drohung genutzt werden."

"Unkontrolierbarer Untergrund?"

Die Erfahrungen beweisen, dass die These, durch Verbot und Bestrafung schaffe man Märtyrer, treibe diese Leute in den unkontrollierbaren Untergrund und vergrößere so noch die Gefahr, unhaltbar ist. Das im Juli 1996 ausgesprochene Verbot der Gruppierung "Skinheads Allgäu" führte zu einer starken Abnahme der Skinhead-Szene im Allgäu, auch wenn dort weiterhin einzelne Cliquen existieren. Durch Repressionen fällt das Umfeld der organisierten Neofaschisten weg. Nazi-Demos können verboten werden. Durch den Schutz von neofaschistischen Aufmärschen durch die Justiz und die Polizei haben die Neonazis Gelegenheit bekommen, massenhaft ihr vergiftendes Gedankengut zu verbreiten. Neofaschistische Parteien wie NPD, DVU und REP können gewählt werden und kassieren kräftig ab. In den vergangenen 10 Jahren haben sie zusammen rund 71,5 Millionen Mark staatliche Zuschüsse erhalten, die REP kassierten vom Staat rund 57 Millionen Mark, die DVU etwa 13,4 Millionen Mark und die NPD gut zwei Millionen Mark. Wer Steuern bezahlt, bezahlt auch die Propaganda dieser Parteien. Wenn Parteien bei Bundestagswahlen mindestens 0,5% und bei Landtagswahlen 1% der abgegebenen Stimmen erreichen, werden ihnen vom Staat Wahlkampfkosten erstattet. Fremdenfeindliche Kampagnen wurden dadurch finanziert. Belgien hat in einem Gesetz vom 12. Februar 1999 beschlossen, dass politischen Parteien die Wahlkampfkostenerstattung entzogen werden kann, die mit einer fremdenfeindlichen Stimmungsmache Wahlen zu gewinnen versuchten. Wir unterstützen eine Initiative des Interkulturellen Rates in Deutschlands e.V. durch eine Gesetzesänderung darauf hinzuwirken, dass fremdenfeindliche Kampagnen nicht länger aus Steuergeldern mitfinanziert werden. (Anzeige in der FR v. 1.9.2000)

NPD-Verbot reicht nicht aus!

Die NPD verbieten? Warum wird nicht auch ein Verbot der DVU und der REP diskutiert? Ein Verbot neofaschistischer Parteien aufgrund des Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz ist ziemlich unwahrscheinlich geworden. Die Voraussetzungen für eine Verbotsentscheidung sind stark eingeschränkt. Die Partei muss zum Zeitpunkt der Entscheidung eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einnehmen. Einzelne verfassungsfeindliche Handlungen sind nicht ausreichend, sondern der Partei muss nachgewiesen werden, dass solche Handlungen Teil ihres politischen Kurses sind. Mit einer solch einschränkenden Auslegung der Voraussetzungen eines Parteienverbots ist die Erfolgsaussicht eines Verbotsantrags natürlich nicht sehr hoch. Das Bundesverfassungsgericht und die Antragsorgane haben sich durch ihre Tätigkeit bzw. Untätigkeit gegenseitig eine wirkungsvolle Waffe gegen neofaschistische Parteien aus der Hand geschlagen.

Bei der gegenwärtigen Debatte über Rechtsextremismus und den Stellungnahmen fällt auf, dass das Faschismusverbot des Artikels 139 GG kaum erwähnt wird, dass über die Ursachen des Neofaschismus nicht geredet wird, dass sich die Polizei im wesentlichen wie bisher verhält.

Verbote und Bestrafungen können sehr wohl - vorausgesetzt die Normen werden voll eingehalten und wirksam angewandt - ein wirksames Mittel zur Eindämmung des Neofaschismus sein. Die Forderung nach Verbot neofaschistischer Aktivitäten und Bestrafung einschlägiger Delikte muss aber auch Hand in Hand gehen mit der politischen Auseinandersetzung. Die 13. Shell Jugendstudie "Jugend 2000" verweist darauf, dass nicht die Attraktivität rechtsextremer Milieus, sondern die Angst vor eigener Arbeits- und Chancenlosigkeit, die sich in der These von der Konkurrenz zu Asylanten und Ausländern, die zu zahlreich seien und einem deshalb die Stellen wegnähmen, niederschlägt und ihr "Objekt" findet. Eine geeignete politische Gegenstrategie, so die Shell-Studie, ergibt sich deshalb nicht aus dem Ansatz der Widerlegung und argumentativen Auseinandersetzung mit "rechten" Thesen oder Gruppierungen, sondern aus einem arbeits- und ausbildungsplatzbezogenen Programm. (Band 1, S. 260)

Bundesinnenminister Schily (SPD) sagte in der Debatte zum Rechtsextremismus "Für Toleranz und Menschlichkeit" (nachdem die vor drei Monaten zu nachtschlafener Zeit angesetzte Debatte zum gleichen Thema ausgefallen war) am 28. 9. 2000 im Bundestag: Die Debatte "habe eine offensive Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Gewalt angemahnt. Demokratie darf nicht gleichgültig bleiben, wenn Ausländer zu Tode gehetzt, Asylunterkünfte in Brand gesetzt, jüdische Friedhofe geschändet und Obdachlose erschlagen werden oder andere Gewalttaten verübt werden. Demokratie muss sich wehren. Wir dulden keine rechtsfreien Räume, keine national befreiten Zonen." Nehmen wir sie beim Wort, seien wir wachsam !

Literaturhinweis: Eine gründliche Analyse des juristischen Vorgehens gegen Neofaschismus, der verfassungsrechtlichen und strafrechtlichen Anspruchsgrundlagen findet sich in der Broschürenreihe der VVN/BdA "Neofaschismus in der Bundesrepublik Deutschland", vor allem im 3. Heft "Antifaschistische Politik".

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