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Nummer 3 / Juli 2000

Greencard und Einwanderungsgesetz:

Offene Grenzen für Menschen in Not

von Autor/in

Das Thema "Green Card" und "Einwanderung" ist in aller Munde. Nicht nur wegen der 20.000 Experten, die die IT-Branche (IT = Informationstechnologie) im Ausland werben will. Gegenwärtig kommen pro Jahr etwa 700.000 Menschen - Flüchtlinge, Migranten, Aussiedler, Familienangehörige. Genauso viele Menschen wandern wieder aus oder werden abgeschoben. Das ergibt zusammen eine Netto-Zuwanderung von Null. UN-Experten haben dagegen erklärt, die Bundesrepublik brauche allein schon aus demografischen Gründen eine jährliche Netto-Zuwanderung von 500.000 Menschen.

Offene Grenzen für Menschen in Not ist eine alte demokratische Forderung. Deshalb ist es zu begrüßen, wenn jetzt auf dem Umweg über die "Greeen Card" eine Versachlichung der Debatte über Asyl und Migration möglich scheint. Die rassistische Hetze von Leuten wie Rüttgers mit seiner furchtbaren "Kinder-statt-Inder"-Parole - die NRW-CDU will auch den muttersprachichen Unterricht für Kinder von MigrantInnen abschaffen - geht vielen Menschen schon lange auf die Nerven. Sie ist Wasser auf die Mühlen der Rechtsradikalen. Viele freuen sich, dass dieser deutsch-völkische Rassismus durch die Green-Card-Debatte Probleme bekommt. Leider geht diese Versachlichung nicht weit.
Statt dessen erleben wir eine neue Sortierung von Menschen. Auf einmal ist die Rede von guter und schlechter Einwanderung. Wer zu einer vermeintlichen Elite gehört, jung und billig ist und der Wirtschaft nützt, darf kommen. Wer wegen politischer Verfolgung oder sozialer Not kommt, wird weiter diskriminiert und sogar wieder abgeschoben. Diese Unterscheidung in angeblich nützliche und angeblich weniger nützliche Menschen widerspricht jedem demokratischen Menschenbild und jeder Gleichberechtigung.

Neue Form des Kolonialraubs
Die gleiche IT-Industrie, die Green Cards verlangt, feuert ältere Arbeitskräfte, weil sie angeblich zu teuer sind und weigert sich, Arbeitslose oder junge Menschen auszubilden. Die gleichen Leute, die bei Sozialleistungen immer als erste nach "weniger Staat" rufen, damit sozial Schwache noch weniger bekommen, rufen jetzt nach Staatshilfe, um noch mehr Gewinne zu machen. Das Heuern und Feueren von Menschen aus anderen Ländern ist auch eine neue Form von Kolonialraub. Andere Länder bilden für viel Geld Arbeitskräfte aus, die deutsche Industrie wirbt diese ab und macht ihre Profite. Werden diese Menschen alt oder krank, werden sie wieder abgeschoben. Das ist inhuman und unsozial. In der Industrie, bei CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP fordern viele ein Einwanderungsgesetz. In Wirklichkeit meinen sie damit Einwanderungsbegrenzung. Opfer wären vor allem Flüchtlinge, Aussiedler und Familienangehörige von hier lebenden Menschen. Sie sollen weniger bekommen. Mehr noch: CDU/CSU, und Leute wie SPD-Innenminister Schily wollen das Asylrecht ganz abschaffen. Jedes Einwanderungsgesetz ist in Wirklichkeit ein "Einwanderungs- und Asyl-Verhinderungsgesetz".

Diskriminierende Gesetze aufheben
Eine demokratische Korrektur unserer Migrations- und Asylpolitik ist überfällig. Das Arbeitsverbot für Flüchtlinge und das diskriminierende Asylbewerberleistungsgesetz müssen aufgehoben und das Asylrecht wiederhergestellt werden. Frauenspezifische Fluchtgründe und nichtstaatliche Verfolgung werden in anderen EU-Ländern schon lange als Asylgrund anerkannt - nur nicht bei uns.
Nicht nur die IT-Branche, auch andere Branchen rufen nach Arbeitskräften aus dem Ausland. Damit kommen Probleme wieder, wie wir sie aus den Anfängen der sogenannen Gastarbeiterbeschäftigung kennen. "Sie wollten Arbeitskräfte, es kamen Menschen."
Das darf sich nicht wiederholen. Menschen, die zu uns kommen müssen sich dauerhaft niederlassen dürfen und gleiche soziale und politische Rechte haben wie alle anderen, die schon hier leben. Eine 1990 beschlossene UNO-Konvention fordert für alle Wanderarbeiter:
  • Schutz vor Diskriminierung
  • Freizügigkeit, Recht auf Familiennachzug
  • Freie Ausübung der Religion, freie kulturelle Betätigung
  • Kündigungsschutz, Schutz vor Ausweisung, gleiche soziale Sicherheit wie die Staatsangehörigen des Anwerberstaates, gleicher Zugang zu Berufsberatung, Arbeitslosengeld, Umschulung, Schutz vor Mietwucher
  • gleiche Bildung und Ausbildung für ihre Kinder
  • freie politische und gewerkschaftliche Betätigung, Streikrecht.
Diese Konvention wurde von der alten Regierung aus CDU/CSU und FDP nicht unterzeichnet, weil sie den Herrn Kohl, Kinkel und Kanther zu weit ging. Auch die rot-grüne Regierung weigert sich bis heute, die Konvention zu unterzeichnen. Das dürfen wir nicht länger hinnehmen!
Offene Grenzen für Menschen in Not, Asylrecht, Niederlassungsrecht und gleiche Rechte für alle Menschen, die hier bleiben wollen - das wäre eine humane und demokratische Asyl- und Migrationspolitik. Dafür müssen wir weiter kämpfen.

Ulla Jelpke (MdB) ist Innenpolitische Sprecherin der PDS im Bundestag, Abgeordnete aus NRW

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