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Nummer 4 / April 2000

24. März: 1. Jahrestag des Nato-Krieges gegen Jugoslawien

Friedensbewegung warnt vor neuem Krieg

Friedenspolitischer Ratschlag

Ein Jahr nach dem Beginn des NATO-Kriegs gegen Jugoslawien stehen die Zeichen in der Krisenregion wieder auf Sturm. Während in Belgrad die Kräfte wieder zunehmen, die es notfalls auch auf eine neuerliche militärische Auseinandersetzung mit der NATO ankommen lassen, werden auch die Drohgebärden der USA und der NATO gegenüber Restjugoslawien lauter und eindeutiger. Belgrad wird offen mit einem neuen Krieg gedroht, wenn es seinen Anspruch auf Montenegro aufrechterhält (Montenegro ist eine Teilrepublik Jugoslawiens) und die albanischen Separatisten in Südserbien nicht gewähren lässt.

Ein Jahr nach dem Krieg - Kein Problem ist gelöst
Vor einem Jahr hatten die Regierungsverantwortlichen der NATO-Staaten ihren Krieg damit begründet, eine "humanitäre Katastrophe" verhindern zu müssen und einer "Destabilisierung" der Region vorzubeugen. Die Tatsachen heute sprechen eine andere Sprache:
  • Weniger als je zuvor kann von einem Zusammenleben der verschiedenen Ethnien im Kosovo die Rede sein. Unter den Augen der Besatzungstruppen KFOR sind in den vergangenen Monaten nicht nur Hunderte von Menschen (diesmal mehrheitlich Serben, aber auch Roma, Kroaten, Goranci, Bosniaken und Albaner) ermordet worden, mehr als 200.000 Menschen sind auch geflohen oder wurden aus dem Kosovo vertrieben. Gäbe es nicht die kleine umkämpfte Enklave Mitrovica, wäre das Kosovo heute schon "ethnisch rein".
  • Eine Stabilisierung der Region ist auch nach neun Monaten militärischer Befriedung nicht eingetreten. Das Gegenteil ist der Fall. Im Kosovo geben jene Kräfte den Ton an, die seit eh und je die Provinz aus dem serbisch-jugoslawischen Staatsverband herauslösen wollten. Die von der provisorischen UNO-Verwaltung (Unmik) im vergangenen Herbst verfügte Einführung der D-Mark als offizielle Währung im Kosovo bereitet ebenso den Weg in die staatliche Unabhängigkeit wie die kaum verhüllte Zusammenarbeit zwischen KFOR und ehemaligen UCK-Kämpfern, deren militärische Einheiten flugs in kosovarische Sicherheitskräfte umtituliert wurden.
  • Die westlichen Ermutigungen in Richtung Loslösung aus der Bundesrepublik Jugoslawien haben mit der Einführung des Euro-Kurses in der Teilrepublik Montenegro einen neuen Höhepunkt erreicht. Die offenen Kriegsdrohungen aus den USA gegenüber Belgrad tun ein Übriges, um die jugoslawische Armee (in Montenegro und in Serbien) in höchste Alarmbereitschaft zu versetzen.
  • Die jüngsten Kämpfe zwischen serbischen Einheiten und der sogenannten "Befreiungsarmee von Presevo, Medvedje und Bujanovac" (den an das Kosovo angrenzenden serbischen Städten mit albanischer Bevölkerungsmehrheit) werden allzu schnell einseitig dem brutalen Vorgehen der serbischen Seite (ferngelenkt vom Bösewicht Milosevic) zugeschrieben. Viel eher dürfte hier ein - aus dem Kosovo 1997/98 bekanntes - Eskalations-Muster von Aktion/(Über-)Reaktion/Re-Aktion mit der von der "Befreiungsarmee" erwünschten Parteinahme durch die NATO ablaufen. Die Folge ist eine weitere Destabilisierung der Region.
  • Schließlich haben auch das Wirtschaftsembargo der USA und der EU gegen Jugoslawien nicht zu einer Beruhigung der Lage beigetragen. Nur die Not der Bevölkerung ist noch größer geworden. Das einseitige Embargo treibt Belgrad weiter in die politische Isolation, schürt Konkurrenz und Hass zwischen den Völkern, destabilisiert die jugoslawische Gesellschaft und trägt mitnichten zur Stärkung der Opposition oder gar der Demokratie bei.
Der neue Kriegwird vorbereitet
Die Friedensbewegung hat den Krieg vor einem Jahr unter anderem mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass Krieg das untaugliche Mittel ist, um Mord und Folter, Flucht und Vertreibung zu verhindern oder um Menschenrechte zu garantieren. Der NATO-Krieg, so die Überzeugung der Antikriegsbewegung, hat vieles nur noch schlimmer gemacht und zudem einen gefährlichen Präzedenzfall für den Umgang der NATO mit dem Völkerrecht, mit der UNO und mit der OSZE geschaffen. Russland konnte in seinem brutalen Tschetschenien-Feldzug oft genug auf das Vorbild NATO verweisen. Wenn heute die Töne aus Washington und Brüssel wieder schriller werden, so droht eine Fortsetzung der NATO-Selbstanmaßung, über Krieg und Frieden, über Recht und Unrecht, über Leben und Tod und über die Bildung und Auflösung staatlicher Territorien allein zu entscheiden - an den Betroffenen vorbei, vorbei aber auch an den rechtmäßigen Instanzen des Völkerrechts und der Staatengemeinschaft.

Schritte zum Frieden -Embargo aufheben
Aus Anlass des 1. Jahrestags des Beginns des Jugoslawien-Kriegs (24. März) appelliert die Friedensbewegung an die Politik, insbesondere an die Bundesregierung, und an die Menschen in unserem Land, der Vorbereitung eines neuerlichen Balkankriegs nicht tatenlos zuzusehen. Dem verhängnisvollen Krisen- und Kriegs"mechanismus", der dem NATO-Krieg vor einem Jahr einen scheinbar zwangsläufigen Charakter verlieh, muss rechtzeitig entgegengetreten werden. Hierzu gehören Schritte und Gesten der Deeskalation, z.B. die Beendigung des grausamen Wirtschaftsembargos der EU, das nicht in erster Linie Milosevic, sondern die notleidende Bevölkerung trifft, der Beginn von Gesprächen mit allen Konfliktparteien mit dem Ziel, den Balkan-Stabilitätspakt auch auf Jugoslawien auszudehnen, die Klarstellung, dass die Waffenstillstands-Vereinbarungen der Kriegsparteien und die entsprechende UNO-Resolution vom 10. Juni 1999, die das Kosovo als integralen Teil Jugoslawiens ansehen, nach vor vor gültig sind, die Aufnahme von Gesprächen über eine Wiedergutmachung von Kriegsschäden.

Presserklärung des Friedenspolitischen Ratschlag zum Jahrestag des Kriegsbeginns


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