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Nummer 4 / April 2000

Schwarz-braun ist das Kabinett:

Österreich - Traumland für Nazifreunde

von Elke Günther

Seit dem 4. Februar 2000 regieren in Österreich Haiders FPÖ und die ÖVP gemeinsam. 27,2% der österreichischen WählerInnen haben die FPÖ zur zweitstärksten politischen Kraft in der Alpenrepublik gemacht.

Eine Neuauflage der seit 16 Jahren regierenden großen Koalition verhinderte die ÖVP, indem sie auf für die Gewerkschaftsbasis der SPÖ völlig inakzeptablen Sozialabbau beharrte. ÖVP-Verhandlungsführer Schüssel war sich, so darf vermutet werden, dabei der Unterstützung durch die österreichischen Unternehmer sicher: Einer repräsentativen Umfrage zufolge begrüßten 61% der Unternehmer eine FPÖ-ÖVP-Regierung.
Die breite, sehr aktive und massenhafte Protestbewegung, die sich auf die Sympathie von 14 europäischen Regierungen stützen durfte, konnte den Aufstieg der Haider-Partei zur Regierungspartei nicht verhindern. Österreichs Bundespräsident Klestil, der den FPÖ-Funktionären vorgeworfen hatte, daß sie sich "einer Sprache bedienen, die sie für jedes politische Amt disqualifiziert", mußte der Koalition schließlich den Segen geben. Zuvor ließ er die Koalitionäre eine Präambel zum Regierungsprogramm unterzeichnen, in der sie sich zur "Toleranz gegen alle Menschen" bekennen. Auch die "Einmaligkeit und Unvergleichbarkeit des Holocaust sind Mahnung zu ständiger Wachsamkeit" wird in der Präambel betont. Haider unterschrieb beides ohne mit der Wimper zu zucken.

Die Ministerriege
Den als Wirtschaftsminister vorgeschlagenen Papierindustrieellen Prinzhorn konnte Klestil ablehnen. Der designierte Minister hatte dem Präsidenten gedroht, wenn er so weitermache, werde er sich noch "einen blutigen Kopf" holen. Hilmar Kabas, dem Vorsitzendenden der Wiener FPÖ, der durch seinen offen rassistischen Wahlkampf aufgefallen war, verweigerte Klestil ebenfalls die Ernennung. Doch auch nicht durchgefallene FPÖ-Minister sind in der Ultrarechtsszene keine unbeschriebenen Blätter. FPÖ-Infrastrukturminister Michael Schmid z.B. unterstützte nachweislich 1993/94 die Zeitschrift "Aula" mit einer Spende von 21.500 DM. Die der FPÖ nahestehende Monatszeitschrift läßt auch Holocaustleugner zu Wort kommen. Michael Krüger, FPÖ-Justizminister bezeichnete 1995 in einer Parlamentsdebatte Konzentrationslager als "Straflager" und weigerte sich, seine Žußerung zurückzunehmen. FPÖ-Sozialmisterin Elisabeth Sickl steht heute noch ihrem Sohn Heinrich - er war Aktivist der verbotenen Neonazigruppierung Nationalistischen Front - mütterlich zur Seite. "Besser als haschen" befand Frau Sickl. Vizekanzlerin Sussanne Riess-Passer hat sich ihren Kosenamen "Königskobra" als Haider-Vertraute und FPÖ-Ausputzerin erworben. Ihr Angetrauter ist Mitglied der ultrarechten Burschenschaft Suevia, auf deren Stiftungsfesten auch die heutige Vizekanzlerin schon zugegen war. Verteidigungsminister Herbert Scheibner, hat gedient, ist Unteroffizier der österreichischen Miliz, also vom Fach. Sein Steckenpferd ist die "Volksgruppenpolitik". Für den Fall, daß Slowenien der EU beitreten woll, forderte er ein Veto, solange dies "die deutsche Volksgruppe" im Lande nicht anerkenne und angeblich diskriminierende Gesetze nicht beseitige. Scheibner war Spitzenkandidat der Wiener FPÖ, deren rassistischer Hauptslogan im Wahlkampf "Stopp der Überfremdung" lautete.

Das Regierungsprogramm
Ein gut Teil der Forderungen der Wirtschaft habe Eingang in das Regierungsprogramm gefunden, freute sich Christoph Leitl, der Vorsitzende des österreichischen Wirtschaftsbundes. Das Wirtschaftsprogramm belastet abhängig Beschäftigte, Arbeitslose, Kranke, Rentner und Sozialhilfeempfänger. So wird für Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger Arbeitszwang eingeführt. Bis zu 20% sollen Kranke für dringend benötigte Medikamente zuzahlen. Auch für Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte wird eine Eigenbeteiligung eingeführt. Krankheitstage sollen auf den Urlaubsanspruch angerechnet wreden. Das Pensionsalter wird heraufgesetzt. Der Abbau sozialer Leistungen senkt die sogenannten Lohnnebenkosten für die Unternehmer. Um 15 Milliarden Schilling, das sind rund 2,1 Milliarden DM soll der angekündigte Sozialraub die Unternehmer bis zum Jahr 2003 entlasten. Doch auch kleine Geschenke pflegen die Freundschaft: Für Berufschulzeiten von Auszubildenden erhalten die Betriebe nun staatliche Zuschüsse, die Arbeitszeit kann bis 23 Uhr ausgedehnt werden, die Ladenöffnungszeiten werden weiter "liberalisiert". Elemente dieses neoliberalen Programms finden sich freilich auch bei Schröder und Blair.

Außen- und "Sicherheitspolitik"
Der sozialen Abrüstung steht die militärische Aufrüstung gegenüber. Der "Verteidigungs"-etat soll schrittweise angehoben werden, damit neue Hubschrauber und Luftraumüberwachungsflugzeuge beschafft werden können. Das österreichische Bundesheer soll in ein Freiwiligenheer mit einer starken Milizkomponente umgebaut werden, in der auch Frauen dienen dürfen.
Im außenpolitischen Teil des Regierungsprogramms tritt die Koalition für ein "gemeinsames Europa" ein und bekennt sich zum zügigen Aufbau einer europäischen Friedens-, Sicherheits- und Verteidigungsgemeinschaft." Von der EU erwartet die österreichische Regierung eine "erhöhte Wirksamkeit außenpolitischer Aktivitäten im weltweiten Rahmen", und zwar für die Menschen und Minderheitenrechte" im Allgemeinen und ganz besonders für "österreichische Minderheiten im Ausland". Gefordert wird auch eine Beistandsgarantie zwischen den EU-Staaten für den "Fall eines bewaffneten Angriffs auf ein Mitglied". Eine Beistandspflicht sieht der WEU-Vertrag - nebenbei bemerkt, im Unterschied zum NATO-Vertrag - bereits vor. Die WEU soll nach dem Willen von Deutschland und Frankreich zum militärischen Arm der EU ausgebaut und aufgerüstet werden. Auch hier liegen die ungeliebten Wiener Koalitionäre voll im Trend. Gerne würde die FPÖ-ÖVP-Regierung das Land auch in NATO bringen. Das geht zwar eigentlich gar nicht, denn die Alpenrepublik hat sich in ihrer Verfassung von 1955 zur "immerwährenden Neutralität" verpflichtet. Doch wo ein Wille, ist auch eine Novelle zur Hand: "...soll durch eine Novellierung des Bundesverfassungsgesetzes über die Neutralität klargestellt werden, daß dieses auf ... die Beteiligung an einer europäischen Friedens-, Sicherheits- und Verteidigungsgemeinschaft ... keine Anwendung findet." Die Neutralität wird also nicht abgeschafft, sie findet bloß keine Anwendung. Respekt!

Österreich braucht Bayern?
Österreichs Regierung gibt sich alle Mühe, ihr schwarz-braunes Image abzustreifen. Erste Erfolge stellen sich zumindest hierzulande ein. Deutsche Leitarktikler füllen der FPÖ den Persilschein aus: "Die FPÖ ist keine rechtsextremistische Partei" behauptet Adrian Zielke, verantwortlicher Außenpolitikredakteur der Stuttgarter Zeitung. Zielke steht mit dieser Meinung nicht allein. Alle großen deutschen Zeitungen hatten Haider ausnahmslos als "Rechtspopulist" verharmlost. Zögerlich und halbherzig nur hatte sich die deutsche Bundesregierung in die Front der 13 europäischen Staaten, die für Österreich Boykottmaßnahmen forderten, eingereiht. Außenminister Joseph Fischer wandte sich gegen eine "Kontaktsperre" gegen Österreich aus und Arbeitsminister Riester hielt Sanktionen für "nicht konstruktiv". FDP-Chef Gerhard kritisierte die Reaktion der EU als "Reflexe auf die Worthülsen Jörg Haiders" und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber bezeichnete EU-Sanktionen gegen Österreich als "politischen Amoklauf". Bereits im Oktober 1999 hatte Stoiber der ÖVP geraten, in eine Koalition mit der FPÖ einzutreten. Dazu nannte er zwei Bedingungen: Haider dürfe nicht Regierungsmitglied werden und die FPÖ müsse ihren "Anti-Europa-Kurs aufgeben". Er könne sich vorstellen, dass FPÖ-Chef Jörg Haider weiter Landeshauptmann in Kärnten bleibe und die ÖVP dann mit der FPÖ einen Neuanfang wagen könne, sagte Stoiber. (taz 5.10.99)
Jörg Haider bleibt nach seinem taktisch begründeten Rücktritt vom FPÖ-Vorsitz die unangefochtene Nummer 1 seiner Partei. Ohne oder gar gegen ihn geht auch künftig nichts. Haider will Kanzler werden und diesem Ziel ist er, seitdem seine Partei Regierungspartei ist, näher denn je. Sein Kalkül, daß sich die "die europäischen Hennen" schon beruhigen werden, wenn der "Fuchs" vorläufig verschwindet, könnte aufgehen. Ist man an seine Partei erst gewöhnt, wird man sich auch an ihn gewöhnen. Haider kann noch warten. Darüber hinaus bringt ihn sein Psydeurücktritt in die komfortable Situation, daß die Auswirkungen des Sozialabbauprogramms nicht direkt mit ihm in Verbindung gebracht werden.

Haiders aufhaltsamer Aufstieg
Jörg Haider ist der Sohn überzeugter Nazis. Die Mutter war Bannmädelführerin, der Vater gehörte einem NS-Sturmtrupp, der "Österreichischen Legion" an, die 1934 mehere Überfälle verübt und dabei einen Polizeibeamten erstochen hatte. Vater Haider mußte fliehen und kehrte erst nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland zurück. Sohn Georg (Jörg) wurde schon als Schüler Mitglied diverser deutschnationalen Vereinigungen. Der damalige FPÖ-Obmann Friedrich Peter, Exoffizier der Waffen-SS entdeckte das Redetalent Haider und holte ihn in die FPÖ. Dort machte er schnell Karriere: Landesjugendführer, nach dem Jurastudium Landesparteisekretär in Kärnten, gleichzeitig Obmann des Kärntener Rings Freiheitlicher Jugend, Mitglied in zahlreichen studentischer Verbindungen. Stets hielt Haider Kontakt zu bekannten Nazis und Holocaustleugnern. 1986 erbte er von seinem Großonkel Wilhelm Webhofer das Bärental, ein bedeutendes landwirtschaftliches Anwesen. Das Erbe machte ihn zu einem der reichsten Politiker Österreichs. Das Bärental hatte bis 1941 einer italienischen Jüdin gehört. Im Rahmen der "Entjudung" war sie gezwungen worden, ihren Besitz zu einem lächerlichen Betrag an Haiders Großonkel verkaufen.
1986 übernahm Haider im Handstreich die Macht in der 5-Prozent-Partei FPÖ. Sogleich begann er die in Partei verbliebenen liberalen Kräfte hinauszuekeln und durch Aktivisten rechtsextremer und nazistischer Gruppen zu ersetzen. Damit verbunden war der fast völlige Niedergang konkurrierender rechtsextremer Parteien. Jetzt wandelte Haider die FPÖ in einer autoritäre, ganz auf ihn zugeschnittene Führerpartei um. Damit begann die Erfolgsgeschichte der FPÖ unter ihrem neuen Führer. Er verstand es mit nationalistischen Haßparolen gegen AusländerInnen und Minderheiten Wählerstimmen zu gewinnen. Die Regierungsparteien ließen sich mehr oder weniger bereitwillig auf sein "Thema" ein. Sie setzten Haider nicht nur wenig oder nichts entgegen, sie übernahmen schließlich seine Inhalte, gossen sie in Gesetzestexte. Das politische Klima kippte nach rechts und begünstigte damit Haiders Erfolge. Auch die österreichischen Medien haben durch konsequentes Verharmlosen zu seinem Erfolg beigetragen.
Haider spielt sich als Anwalt der "ehrlichen, arbeitsamen" und "deshalb vom korrupten Parteienstaat" betrogenen und benachteiligten Österreicher auf, schürt irrationale Žngste, diffuse Sehnsüchte nach einfachen Lösungen in einer komplexen Welt, die nur "der starke Mann", also er, Haider, erfüllen kann. Seine Methode bleibt dabei immer gleich. Die "Altparteien" werden mit Hohn und Spott übergossen, Minderheiten verächtlich gemacht, als "Asylgauner, Sozialschmarotzer, linke Staats- und Analkünstler, Veraterlandsverräter" bezeichnet und haltlose Versprechungen gemacht. Auch das sich Entschuldigen gehört zu seiner Methode. Doch sind seine Entschuldigungen stets die Bekräftung dessen, wofür er sich entschuldigt. Haider ist ein Medienprofi, der Starmoderatoren alt aussehen lassen kann und jede Chance nutzt, die ihm gelassen wird.
Mit Unterstützung des Massenblattes "Kronen-Zeitung" begann die Haider-Partei schließlich der SPÖ den Rang als "Arbeiterpartei" abzulaufen. Auch junge WählerInnen konnte der gern in Designer-Klamotten gehüllte Haider an sich binden. Gut ein Drittel der unter 35-jährigen hat die Haider-Partei gewählt. Seinen bisher größten Wahlerfolg erzielte er in Kärnten. Dort machten ihn 42% der WählerInnen zum Landeshauptmann.

Die Haiders im eigenen Land bekämpfen!
Jörg Haider ist der Hoffnungsträger von Neonazi-Organisationen in ganz Europa. Sein Erfolg strahlt aus, ermutigt sie. Auch dies ist ein Grund für die entschiedene Reaktion der europäische Staaten, die ein Erstarken der neofaschistischen und rechtsextremistischen Gruppierungen in ihren Ländern befürchten. So richtig und wichtig es ist, Haider-Österreich zu isolieren, so notwendig bleibt es, die Haiders im eigenen Land zu bekämpfen. Dazu gehört auch, gegen Rassismus und Militarismus der "demokratischen" Parteien aufzustehen. Die rechtsextreme Wochenzeitung "Junge Freiheit" (JF) fragte Haider im Interview, wann er den Tag gekommen sieht, "wo sich in Deutschland auf der konsverativen Seite etwas entwickeln könnte". Seine Antwort: "Ich könnte mir vorstellen, daß natürlich jetzt ein sehr günstiger Zeitpunkt wäre." Dafür zu sorgen, daß dieser "günstige" Zeitpunkt auf den St. Nimmerleinstag verschoben wird, ist die Aufgabe aller AntifaschistInnen.


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