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Nummer 4 / April 2000


Landesweite Antifa-Konferenz am Jahrestag der Machtübergabe:

Antifaschistische Perspektiven in der Berliner Republik

von Elke Günther

Am 29. Januar 2000 fand in Stuttgart die landesweite antifaschistische Konferenz zu "Antifaschistische Perspektiven in der Berliner Republik" statt, zu der VVN-BdA und DGB eingeladen hatten. Es war bereits die dritte Konferenz dieser Art in den letzten 4 Jahren. Rund 80 interessierte TeilnehmerInnen - auch aus dem autonomen Spektrum - waren ins Gewerkschaftshaus gekommen, um sich über Aufgaben und Politikansätze zu verständigen.

Der DGB-Landesbezirksvorsitzende Rainer Bliesener und VVN-BdA Bundes- und Landessprecher Werner Pfennig, kritisierten den Spendenskandal der CDU scharf und forderten dessen rückhaltslose Aufklärung. Es drohe die Gefahr, daß das Zerbröckeln des bürgerlichen Lagers Spielräume für weit rechts stehende Politikkonzepte schaffe. Die Mafiamethoden der CDU beschädigten nicht nur sie selbst, sondern die gesamte parlamentarsiche Demokratie. Das Impulsreferat hielt Horst Schmitthenner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. Er ging zunächst auf die nach dem Ende der Systemkonkurrenz veränderten Rahmenbedingungen ein. Als Grenzstaat und "Bollwerk gegen den Bolschewismus" habe die BRD sozialstaatliche Standards entwickelt, die oft über die der anderen europäischen Staaten hinausgingen. In der Außenpolitik seien ihr Schranken auferlegt gewesen. So habe niemand bis Ende der 80er Jahre ernsthaft in Frage gestellt, "daß sich die Bundesrepublik in keiner Weise an militärischen Einsätzen beteiligen darf, die nicht der unmittelbaren Landesverteidigung bzw. der Verteidigung eines angegriffenen Nato-Mitgliedes dienten."

Umdefinition desAntifaschismus
Davon könne heute keine Rede mehr sein. Um eine Beteiligung der Bundeswehr an völkerrechtswidrigen Militäraggressionen durchsetzungsfähig zu machen, bedurfte es der Ignoranz der bisherigen Erkenntnisse aus der Bewertung des Faschismus, bzw. deren vollständiger Umdefinition." War Auschwitz 50 Jahre lang ein Mahnmal - auch für die Beschneidung der militärichen Aktivitäten Deutschlands - wird es von den Repräsentanten der neuen Bundesregierunga als Argument für völkerrechtswidrige Interventionen mißbraucht." Die Finanz- und Sozialpolitik der Rot-Grünen-Regierung stehe in einer Kontinutität mit der abgewählten CDU-FPD-Regierung kritisierte Horst Schmitthenner. Im Rahmen des Bündnisses für Arbeit werde versucht, den Gewerkschaften die Schlinge um den Hals zu legen.

Als noch gravierender als die Spendenaffäre bezeichnete der Gewerkschafter die "materiellen und ideologischen Folgen, die die fast 20 Jahre am Neoliberalismus orientierte Politk in der Gesellschaft bewirkt hat." Statt über die gleichzeitige Zunahme von Armut und Reichtum zu diskutieren, würden künstliche Gegensätze zwischen Jung und Alt, West und Ost, Ausländer und Deutsche aufgebaut. "Nicht erst die soziale Marginalisierung, sondern schon die Angst davor schaffe bereits ein Ausmaß an sozialen Zukunftsängsten und Minderwertigkeitsgefühlen, an denen dann die harten Kerne des organisierten Neofaschismus politisch ansetzen", stellte Horst Schmitthenner fest. In vielfältigen Varianten würden die realen Trennlinien zwischen oben und unten ignoriert und versucht sozialen Zusammenhalt entlang von "nationaler Identität" und "nationalen Interessen" zu stiften. Dazu gehöre auch die Standort-Kampangne, die aber kein "faschistisches Projekt" sei und nicht ins ultrarechte Lager gehöre. Dennoch werde mit der Standortdebatte die These vom "Überlebenskampf der Wirtschaftsstandorte" in die politische Kultur transportiert, die Vorstellungen vom "Kampf der Nationen" oder gar vom "Kampf der Rasse" sehr ähnlich sei.

Strategie der offensiven Isolierung
Auch in der Berliner Republik müsse es darum gehen, neofaschistische Parteien und Träger rechter Ideologien durch eine Strategie der "offensiven Isolierung" zu bekämpfen. "Es geht darum den Irrsinn rassistischer 'Sündenbocktheorien' deutlich zu machen und die sozialen und politischen Profiteure anti-demokratischer Politikmuster aus dem Dunkel der Ideologien hervorzuziehen." Horst Schmitthenner fordert eine "demokratische Gegenmobilisierung". Vor allem Jugendlichen müsse durch soziale Gegenentwürfe nachvollziehbar gemacht werden, daß es Alternativen zum Kampf "Jeder gegen jeden" gebe. Der mit viel Beifall bedachten Rede schloss sich eine lebhafte Diskussion an, die in den Arbeitsgruppen zu den Themen "Soziale Gerechtigkeit", "Solidarische Gesellschaft?" und "Frieden" fortgesetzt werden konnte.

Schritt zu mehrZusammenarbeit
Am Ende der Konferenz stand die Frage nach gemeinsamen Projekten der Zusammenarbeit.

Während in Diskussionen und Arbeitsgruppen ein hohes Maß an inhaltlicher Übereinstimmung zwischen den TeilnehmerInnen aus unterschiedlichen antifaschistischen Gruppen und Organisationen sichtbar geworden war, wurde bei der Diskussion um die konkreten Formen der praktischen Zusammenarbeit noch Distanziertheit sichtbar. Für die VVN-BdA formulierte Geschäftsführer Dieter Lachenmayer, die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Zusammenarbeit aller, die den Gefahren einer Rechtsentwicklung entgegentreten wollten. Unterschiedliche Auffassungen in vielen Einzelfragen sollten dabei diskutiert, nicht aber in den Vordergrund gestellt werden. Im Vordergrund müsse stehen, den gemeinsamen Anliegen auch gemeinsam zur politischen Wirksamkeit zu verhelfen. Der Vertreter der Stuttgarter Gruppe A-Quadrat, der quasi auch stellvertretend für andere autonome antifaschistischen Gruppen Positionen formulierte, sprach sich dagegen für eine punktuelle Zusammenarbeit bei einzelnen Aktionen und Projekten aus, die von Fall zu Fall vereinbart werden könnte. Das eigenständige Auftreten der einzelnen BündnispartnerInnen dürfe dabei nicht eingeschränkt werden. So war die Konferenz zwar ein Schritt auf dem Weg, eine engere Zusammenarbeit, wie sie vielerorts im regionalen Rahmen schon lange funktioniert, auch auf der Landesebene zu verfestigen, zeigte aber gleichzeitig eine Reihe von Schwierigkeiten und Stolpersteinen auf diesem Weg auf.

Einigkeit herrschte darin, auch weiterhin in der gemeinsamen Diskussion zu bleiben und weitere Konferenz dieser Art zu veranstalten. Fast spontan entwickelte sich auf dieser Konferenz dann auch ein konkretes Projekt der Zusammenarbeit. Aus der Diskussion heraus wurde beschlossen, gemeinsam eine Unterschriftensammlung "Frauen in die Bundeswehr - wir sagen nein!" zu starten. Es käme nun darauf an, dieser Aktion durch aktives Sammeln zum Erfolg zu verhelfen.


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