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antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 3 / November 2009



Steinige Gründerjahre der KZ-Gedenkstätte Oberer Kuhberg:

"Es gehörte Mut dazu, sich zur antifaschistischen Tradition zu bekennen"

Ingrid Bauz

Ohne das langjährige zähe Engagement der ehemaligen KZ-Häftlinge und ihre Interessensverbände würde es die Gedenkstätte Oberer Kuhberg heute vielleicht gar nicht geben.

Am Anfang der Ulmer Gedenkstättengeschichte stand die im Juni 1948 von ehemaligen württembergischen Häftlingen gegründete "Lagergemeinschaft Heuberg-Kuhberg-Welzheim", benannt nach den beiden "frühen Konzentrationslagern" Heuberg und Kuhberg sowie dem von 1935 bis 1945 in Regie der Landes-Gestapo in Stuttgart stehenden kleineren Lager im Polizeigefängnis Welzheim. Als am 13. November 1960 auf Betreiben der Lagergemeinschaft auf dem Gelände des Oberen Kuhberg eine Gedenktafel angebracht wurde, lag die Befreiung vom Nazifaschismus bereits 15 ½ Jahre zurück. Diese Gedenktafel war ein erster wichtiger Verweis auf die Verbrechen, die hinter den Mauern und in den Verließen des Fort Oberer Kuhbergs von November 1933 bis Juli 1935 begangen wurden. Es war ein Zeichen der Erinnerung an die politisch verfolgten Kommunisten und Sozialdemokraten und ein Zeichen gegen das Vergessen und Verdrängen der Mehrheitsgesellschaft. Es war ein Anfang und er ging nicht zufällig weder von der Landes noch von der Bundesregierung aus, sondern von denen, die die Konzentrationslager überlebt hatten, den ehemaligen Häftlingen. Bis weit in die 1970er Jahre hinein erinnerten vor allem die ehemaligen Opfer an die Naziverbrechen und forderten damit die Gesellschaft zur Auseinandersetzung heraus. Sie hatten die Mehrheit gegen sich, galten als "Nestbeschmutzer" und "Unruhestifter. Hans Gasparitsch erinnerte in seiner Rede anlässlich der Eröffnung der KZ Gedenkstätte und des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg am 19. Mai 1985 an diese Zeit.: "Es ist ein Phänomen in der Geschichte der Bundesrepublik, dass nach 1945 Jahrzehnte verstreichen mussten, bevor durch den im Ausland gestalteten Film ‚Holocaust' der Durchbruch gelang für die öffentliche Erinnerung an die Nazi-Babarei und für ihre offizielle Verarbeitung.
Es gehörte Mut dazu, in den Jahrzehnten zuvor sich zur antifaschistischen Tradition zu bekennen und vor allem die Zusammenhänge und die Wurzeln des deutschen Faschismus bloßzulegen."
Von der Gedenktafel bis zur Errichtung einer Gedenkstätte vergingen weitere 25 Jahre. Es waren Jahre des Kampfes gegen Gleichgültigkeit und Bürokratismus. Aber die Lagergemeinschaft Heuberg-Kuhberg-Welzheim und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) ließen nicht locker. Sie wollten, dass auf dem ehemaligen KZ-Gelände eine Gedenkstätte eingerichtet wird. 1968 trafen sich die Antifaschisten Otto Hornischer (Ulm), Alfred Haag (München) und Hans Gasparatisch (Stuttgart) zu einer Begehung des Geländes "Oberer Kuhberg". Ins selbe Jahr fällt das erste Gespräch des VVN-Vorsitzenden von Ulm, Otto Hornischer, mit dem Oberbürgermeister über die Errichtung einer Gedenkstätte. Ende 1969 beschloss die Lagergemeinschaft Heuberg-Kuhberg-Welzheim bei einer Zusammenkunft in Ulm, dass es die "nächste und wichtigste Aufgabe" sei, "das Fort Kuhberg als Mahnmal gegen den Faschismus und für den Humanismus auszubauen". In einer von Julius Schätzle verfassten Denkschrift vom Mai 1970 heißt es: "Wir erachten es als eine selbstverständliche Pflicht, dass auch in Baden-Württemberg eine zentrale und würdige Gedenkstätte, verbunden mit einem Museum, errichtet wird (...) Die Stadt Ulm und das Land Baden-Württemberg sollten als Träger dieser Gedenkstätte in Zusammenarbeit mit der Lagergemeinschaft Heuberg-Kuhberg-Welzheim, alle weiteren Schritte unternehmen".
Am 14.2.1971 lud die Lagergemeinschaft ins Ulmer Einstein-Haus zur Gründung des "Kuratorium für die Mahn und Gedenkstätte Oberer Kuhberg". Den Kuratoriumsvorsitz übernahm der damalige Ulmer OB Pfizer. Mehr als 20 weitere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens waren zur Mitarbeit bereit. Den geschäftsführenden Vorstand stellten Rolf Dick, Inge Aicher-Scholl, Kurt Fried, Julius Schätzle, Alfred Hausser und Hans Gasparitsch.
Man war sich einig darin, "dass die Einrichtung der Mahnstätte nicht die Herausstellung von Greueln, sondern die Mahnung "Nie wieder!" zur Zielsetzung haben müsse, wobei die Aufklärung über die Ursachen darüber, wie die Nazidiktatur möglich war und wie die heutige Generation dieser Gefahr entgegnen und begegnen kann, der Inhalt sein muss".
Mit der Gründung des Kuratoriums wurde eine sehr wichtige Arbeitsstruktur zur Errichtung der Mahn- und Gedenkstätte geschaffen, die gesellschaftlich breiter verankert war. Mit dabei waren Vertreter der Opferverbände (Lagergemeinschaft Heuberg-Kuhberg-Welzheim; Lagergemeinschaft Dachau; VVN Ulm), Angehörige Verfolgter, Ulmer CDU- und SPD-Stadträte, der Ulmer Vertreter der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, der Ulmer DGB-Landesvorsitzender, der Landrat von Neu-Ulm, der Vorsitzende der IG Metall Baden-Württemberg, Professoren der Ulmer Universität etc.pp.
Im März 1974 lehnt die Landesregierung den Antrag von MdL Rolf Dick ab, auf dem Oberen Kuhberg eine zentrale Gedenkstätte einzurichten.
1977 wird ein Trägerverein gegründet, der sich "Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg, Ulm - KZ-Gedenkstätte e.V." nannte. Vorsitzender wird Julius Schätzle.
Am 19. Mai 1985 wurden die KZ Gedenkstätte und das Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg feierlich eröffnet. 25 Jahre nach dem Anbringen der Gedenktafel und 14 Jahre nach der Gründung des Kuratoriums. Dazu bemerkte Hans Gasparitsch in seiner Rede anlässlich der Eröffnung: "... der Weg bis heute war weit und mühsam. Nicht wenige bürokratische, bautechnische und finanzielle Hindernisse türmten sich auf. Es dauerte rund 10 Jahre, bis wir von staatlicher Seite ernst genommen wurden. Mancher gar verzagte aus Ungeduld und Enttäuschung." Aber es ging weiter. Neue und jüngere Aktivistinnen und Aktivisten haben das Ruder übernommen. 2001 wurde die neu gestaltete Gedenkstätte eröffnet und sie ist inzwischen ein fester Bestandteil der Ulmer Stadtgeschichte geworden.
Solange es ihre Kräfte zuließen, haben die ehemaligen Häftlinge sich für die Belange der Gedenkstätte engagiert und bei Führungen und in Gesprächen über ihre KZ-Zeit berichtet. Dafür haben sie unsere Anerkennung und unseren Dank mehr als verdient. Und das darf genauso wenig der Vergessenheit überlassen werden, wie ihr aufrechter Gang, den auch die Nazis nicht brechen konnten.

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