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Nummer 1 / Mai 2009



Gedenkstätte und Lernort im Zentrum Stuttgarts:

Zukunft braucht Erinnerung

n.n.

In der Stuttgarter Innenstadt, gegenüber des Mahnmals für die Opfer des Faschismus soll das Gebäude der ehemaligen Gestapozentrale (1936 - 1945) in der Dorotheenstraße 10, bekannt als "Hotel Silber" - wie weitere Gebäude zwischen Markthalle und Kaufhaus Breuninger - abgerissen werden. Unter dem Projektnamen "Da Vinci" planen das Land Baden-Württemberg und die Firma Breuninger die Errichtung eines Ministeriums- und Geschäftskomplexes sowie den Bau eines Luxushotels.

Der Um- und Neubau des Geländes von Hotel Silber und Innenministerium bietet nach Auffassung zahlreicher Verfolgtenorganisationen und Stuttgarter Initiativen, die einmalige Chance eine Gedenk- und Erinnerungsstätte zu schaffen. Ziel soll es sein sowohl an die Opfer von Terror und Verfolgung in Württemberg zu erinnern, als auch in einem "Zentrum für Zivilcourage" Schulklassen und anderen Interessierten die Möglichkeit zu geben eine Stätte zur Erarbeitung der Geschichte zu geben. An diesem Ort kann an den Terror mit dem die Nationalsozialisten zuerst Deutschland und dann Europa überzogen haben erinnert werden. Wenn die Forderung "Niemals wieder!" ernst genommen wird, muss sie mit Leben und Alltag gefüllt werden.

Gestapo-Zentrale
In Stuttgart befinden sich in unmittelbarer Nähe mehrere Gebäude in denen die Verfolgung von Menschen, die nicht in das nationalsozialistische Weltbild gepasst haben, organisiert wurden. Da ist zum einen das ehemalige "Hotel Silber". Hier befand sich die Gestapo-Zentrale von Württemberg. Im "Hotel Silber" wurden tausende Menschen verhört und gefoltert. In den Kellern des Hauses hat sich unermessliches Leid zugetragen, wenn die gefolterten Menschen zwischen den Verhören in die Zellen im Keller gebracht wurden.
Im Hotel Silber wurde auch die Verfolgung verschiedener religiöser Gruppen organisiert. Die berühmtesten sind die `Bibeltreuen Christen´, die heutigen `Zeugen Jehovas´. Ihre strikte Weigerung den Hitlergruß zu zeigen und den Militärdienst zu leisten, brachte die Männer reihenweise in die Konzentrationslager.
Die Verfolgung von Homosexuellen wurde ebenfalls im Hotel Silber organisiert. Ein eigenes Referat hat sich hier mit der Subkultur der Homosexuellen beschäftigt.
Neben der Verfolgung Andersdenkender und Oppositioneller betrieb die Gestapo auch eigene "Arbeitserziehungslager" in Rudersberg und Buttenhausen. Hier wurden sogenannte Arbeitsscheue, Alkoholiker oder Proie Leiter Beamte der Gestapo waren. Im Hotel Silber wurde auch die systematische Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung Württembergs vorbereitet. Die antisemitischen Nürnberger Gesetzte, mit denen die Ausgrenzung der Juden aus dem öffentlichen Leben festgeschrieben wurden, sind hier umgesetzt worden. Die Planungen für die Deportationen der Juden Württembergs wurden im Hotel Silber durchgeführt. Von hier aus wurden die Züge bestellt, das Personal koordiniert und die Abfahrtspläne koordiniert. Die Schreibtischtäter vom Hotel Silber waren zuständig für alle Juden Württembergs.
Die Gestapo hätte keine so wichtige Rolle im Nationalsozialismus spielen können, wenn es nicht gelungen wäre ein weitgespanntes Netz von Spitzeln und Informanten aufzubauen, die über alles was sich in der Bevölkerung tat berichtet haben. Ganz gleich ob ein Flüsterwitz, oder die Weitergabe eines Berichts von ausländischen Radiosendern, die Unzufriedenheit von Hausfrauen beim Einkauf, weil Lebensmittel entweder gar nicht zu bekommen waren, oder so stark rationalisiert waren, dass es unmöglich war eine Familie davon zu ernähren, über alles berichteten die Spitzel der Gestapo.

Innenministerium
Nur einige Meter entfernt befand sich das Innenministerium. Nachdem Hitler 1939 den Befehl zu Ermordung kranker und behinderter Menschen unterschrieben hatte wurde dieser Mordbefehl zuerst in Württemberg in die Tat umgesetzt. Dieser Behindertenmord bekam den Decknamen "Aktion T4" nach der Tiergartenstraße in Berlin, wo die Zentrale Organisation untergebracht war. Hier im Innenministerium wurde ab Ende 1939 diese "Aktion T4" geplant und durchgeführt. Beamte des Innenministeriums beschlagnahmten von der Stuttgarter SamariterStiftung die Heilanstalt Grafeneck auf der Schwäbischen Alb. Innerhalb des Jahres 1940 wurden in Grafeneck mehr als 10 000 Menschen ermordet. Von der Ermordung der Behinderten in Grafeneck lässt sich eine direkte Linie zu den Vernichtungslagern in Osteuropa ziehen. Ungefähr 30% der 100 Personen die in Grafeneck gearbeitet haben waren später in Auschwitz, Treblinka oder anderen Vernichtungslagern tätig.
Zu diesen beiden Gebäuden gehört auch das "Alte Waisenhaus". Hier war das `Deutsche Auslandsinstitut" untergebracht. Dieses Institut war der Grund dafür dass Stuttgart den Zusatznamen "Stadt der Auslanddeutschen" bekommen hat und bis 1945 damit geworben hat. Wissenschaftler dieses Instituts haben Menschen der besetzten Länder untersucht, um festzustellen, wer vertrieben wird oder ermordet, oder wer als `wertvoll´ galt und bleiben durfte. Immerhin hat die heutige Institutsleitung vor einigen Jahren eine Historikerin angestellt, die die Geschichte des Instituts erforschen soll. Aus dieser Forschung ist eine fundierte Veröffentlichung hervorgegangen.

Erinnerungs- und Lernort
Neben der Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten ist es wichtig einen Lernort zu haben an dem Schulklassen und interessierte Gruppen, aber auch Einzelpersonen, die Möglichkeit haben inhaltlich die Ausstellung aufzuarbeiten. Ziel soll es ein sowohl die geschichtlichen Ereignisse begreifbar zu machen, als auch die Mechanismen aufzuzeigen, die zu Ausgrenzungen und Diskriminierungen führen.
Neben angemessenen Seminar- und Schulungsräumen wäre eine Fachbibliothek wichtig.

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