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antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 4 / Dezember 2008



Aus den Kreisen:

Gedenkfeiern Heidelberg, Mannheim, Karlsruhe






Gedenkfeier in Heidelberg:

Zusammenarbeit gegen rechts, gegen Krieg für die Demokratie

Dieter Fehrentz
DGB Rhein-Neckar und VVN-Bund der Antifaschisten luden am 1. November 2008 wieder zur traditionellen Gedenkfeier für die Opfer des Faschismus auf dem Heidelberger Bergfriedhof ein. Ein Zug von über 100 Teilnehmern geleitete die Kränze und Gebinde von DGB, DKP, Dokumentationszentrum Sinti und Roma, Jüdischer Kultusgemeinde, Die Linke und VVN-BdA zum Mahnmal und Ehrengrab von 27 ermordeten Widerstandskämpfern.
In ihrer Begrüßung wies Renate Flühr vom Vorstand der VVN-BdA Heidelberg darauf hin, dass Deutschland entgegen der Verfassung seit 7 Jahren in Afghanistan Krieg führt und in den Parlamenten neue Nazis sitzen. Fast jedes Wochenende marschierten alte und neue Nazis auf - geschützt von hunderten Polizisten. Bereits 138 rechtsextremistisch bedingte Morde mit einer noch viel höheren Dunkelziffer habe es seit 1945 in Deutschland gegeben sowie Tausende verletzter Personen. Der Schwur der Buchenwaldhäftlinge, die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln und der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit, harre immer noch auf seine Erfüllung.
Die Ansprache hielt Dietrich Schulze, Landessprecher der VVN-BdA Baden-Württemberg,. Er erinnerte an den vorbildlichen Kampf gegen die NS-Herrschaft der an der Gedenkstätte ruhenden Frauen und Männer, darunter 10 Mitwirkende der Heidelberg-Mannheimer LechleiterGruppe und 7 Widerständler der elsässischen Wodli-Gruppe. Die von Millionen Opfern des deutschen Faschismus und seiner Aggressionskriege ausgehende Botschaft sei: Mit aller Kraft gegen eine Politik einzutreten, die den inneren und äußeren Frieden gefährdet. Das bedeute, den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan und anderen Ländern zu fordern, die Auflösung der NATO, die Senkung der Rüstungsausgaben bei gleichzeitiger Erhöhung der Bildungs- und Sozialausgaben. Die soziale Spaltung der Gesellschaft müsse abgebaut und die Demokratie weiterentwickelt werden statt zur angeblichen Sicherheitserhöhung ständig weiter eingeschränkt zu werden. Die Verfassung lasse weder Antisemitismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit zu noch antidemokratische Hetze. All dieses betrieben die Neonazis in aller Öffentlichkeit. Die Regierenden jedoch drückten sich mit Ausflüchten um ein neues NPD-Verbotsverfahren.
Ein wesentliches Hindernis für den Weltfrieden sei das Kriegsbündnis NATO, das endlich aufgelöst werden müsse. Die Gleichsetzung von Rechts und Links, von Braunen und Roten, stelle eine vorsätzliche Verdrehung der Geschichte dar und bedeute eine Verharmlosung des Faschismus. Wer Rechts und Links gleichsetze, setze Täter und Opfer gleich. Es sei sehr zu begrüßen, dass es eine Antifaschistische Initiative Heidelberg, einen Arbeitskreis Antifa Mannheim und ein Antifaschistisches Aktionsbündnis Karlsruhe gäbe, um nur drei regionale Beispiele unverzichtbarer und erfolgreicher Initiativen für organisierte und wachsame antifaschistische Arbeit zu nennen. Und das sei es, was wir auch heute über alle weltanschauliche und politische Grenzen als Demokraten, Gewerkschaftler und Antifaschisten hinweg pflegen, hüten und praktizieren müssten: die gegenseitig akzeptierende und Differenzen hintanstellende Zusammenarbeit gegen Rechts, gegen den Krieg, für die Rettung der Demokratie.
Silvio Peritore überbrachte die Grüße des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Wir gedächten heute aller Menschen, die Opfer des Nationalsozialismus wurden. Holocaust stehe nicht nur für den Massenmord an den Juden, sondern auch für den staatlich organisierten Völkermord an 500.000 Sinti und Roma vom Säugling bis zum Greis. Unter den Sinti und Roma gäbe es keine Familie, die in der Zeit des Nationalsozialismus nicht den Verlust von Angehörigen zu beklagen hätte. Die Erfahrung des Holocaust werde die Identität ihrer Minderheit auch in der Zukunft prägen
Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus bedeute über 60 Jahre danach, dass sich Politik und Gesellschaft zu ihrer historischen Verantwortung bekennen müssten. Vor allem seien die unveräußerlichen Menschenrechte zu bewahren und die heute von Rassismus und Rechtsextremismus bedrohten Minderheiten wirksam zu schützen. Wir dürften es auch nicht zulassen, dass Rechtsextremisten, Holocaust-Leugner und Revisionisten die Geschichte umdeuteten und NS-Täter zu Opfern ihrer eigenen Verbrechen erklärten. Es dürfe nicht in Frage gestellt werden, dass der von Nazi-Deutschland entfesselte Vernichtungskrieg mit den Menschheitsverbrechen ursächlich für die politische Gesamtentwicklung in Europa nach 1945 gewesen sei. Ebenso dürften die nationalsozialistischen Verbrechen nicht durch pauschale Gleichsetzungen mit dem stalinistischen Unrecht relativiert werden. Dies müsse in der Erinnerungsarbeit der Bundesregierung und der Gedenkstätten sichtbar werden.
Michael Csaszkóczy von der Antifaschistischen Initiative Heidelberg erinnerte in seinen Grußworten an den Schwur der Häftlinge von Buchenwald. Leider müssten wir uns auch in diesem Jahr wieder eingestehen. Die "neue Welt des Friedens und der Freiheit", liege immer noch in weiter Ferne.
Im wiedervereinigten Deutschland habe sich eine Kultur des Gedenkens etabliert, welche die von den Nazis Ermordeten nur als Opfer sehen möchte und nicht als bewusst handelnde Personen mit politischen Zielen. Wären die hier bestatteten WiderstandskämpferInnen noch am Leben, würden sie auch heute als Staatsfeinde diffamiert werden. Ihre Überzeugung, dass der Faschismus eine besonders barbarische Form der kapitalistischen Herrschaft darstelle, die nur durch den Kampf gegen die kapitalistische Verwertungslogik zu besiegen sei, sei auch heute noch ebenso aktuell wie unerwünscht. Die Feier wurde umrahmt mit Liedern aus dem antifaschistischen Widerstand, mitreißend wiedergegeben vom Chor des Autonomen Zentrums Heidelberg unter gefühlvoller Instrumentenbegleitung.


Gedenken an Widerstand und Verfolgung in Karlsruhe:

Faschistische Ideologie ist ein Verbrechen

Am Sonntag, dem 23.11.2008 fand die Gedenkfeier an 2 Stellen des Hauptfriedhofs statt: am Mahnmal für die Opfer von Faschismus und Krieg und auf dem Gräberfeld der Zwangsarbeiter. Am Mahnmal sprach Conny Kerth aus Hamburg.
In ihrer Gedenkrede führte sie unter anderem aus: "Ja, sie waren deutsche Opfer. Menschen, die liebten, hofften und kämpften - nicht nur ums eigene Überleben, sondern für eine andere Welt, in der die die Güter dieser Welt jedem Volk und jedem Menschen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, wie es in einer späteren Formulierung der Weißen Rose ausgedrückt wird.
Mit diesem Ziel ist der größtmögliche Gegensatz zum Faschismus formuliert, der schon das Recht auf das nackte Überleben an vermeintliche Rasse-, Bluts- und Volksgemeinschaftszugehörigkeit bindet. Es ist dieser elementare Gegensatz, der den faschistischen Verbrechen zu Grunde liegt, der die faschistische Ideologie notwendig zu einer verbrecherischen macht, die nicht als "freie Meinung" durchgehen und geschützt werden darf."
Und weiter: " Ich kann an dieser Stelle nicht umhin, auch daran zu erinnern, dass im Gedenkjahr 2008, 75 Jahre nach dem Beginn der faschistischen Terrorherrschaft in Deutschland und später in ganz Europa, die Menschen, die hier mit Abstand den gewaltigsten Blutzoll im Kampf gegen diese Tyrannei bezahlt haben, die deutschen Kommunisten, nach wie vor von Entschädigung ausgeschlossen sind, wenn sie ihrer Überzeugung auch nach dem KPD-Verbot in der Bundesrepublik Deutschland treu geblieben waren. So hat es der Bundestag am 9. Mai diesen Jahres bestätigt." Und: " Leider ist in Zeiten, in denen die Totalitarismus-Theorie immer mehr zur Staatsdoktrin wird, kaum zu erwarten, dass sich dies ändert."
"Nicht Vergleichbares gleich stellen. Das scheint zur Zeit die Linie zu sein, auf der die Bundesrepublik Deutschland sich ihres ganz besonderen historischen Erbes und der damit eigentlich gebotenen Zurückhaltung in Sachen Weltmachtstreben entledigt.", sagte sie.
"Offensichtlich hält die herrschende Politik die "vorbildliche Aufarbeitung" aber auch in so fern für abgeschlossen, dass diese Verfassung eigentlich nur noch ein Steinbruch ist, aus dem man weg haut, was stört. Abbau demokratischer Rechte, Ausbau staatlicher Überwachung und Repression, immer mehr militärische Interventionen zur Sicherung ökonomischer Interessen weltweit stehen auf der Agenda." Und sie schloss mit: "Dagegen hilft Erinnern."
Nach ihrer Rede kam zum ersten Mal seit Jahren Applaus auf.
Michael Zipfel aus Karlsruhe schloss daran am Gedenkstein für die polnischen und sowjetischen Zwangsarbeiter nahtlos an: " Wir sind hier heute versammelt um einen Teil unserer Geschichte zu gedenken, an denen viele Verantwortliche bis heute ungestraft davon gekommen sind. Die meisten nahmen ihre Taten mit ins Grab ohne jemals eine Entschuldigung, Geschweige denn Reue einzugestehen. .. Es gab in Karlsruhe über 17.000 Zwangsarbeiter von denen sehr viele ihr Leben lassen mussten. .. Man hat ihnen genommen, was sie noch hatten. Ihre Arbeitskraft wurde ausgemerzt bis zur vollkommenen Resignation ihres Körpers. " Und: "Leider konnten nur wenige der Drahtzieher dingfest gemacht werden."
Das veranlasste ihn zu mahnen: "Wir dürfen uns heute nicht davor scheuen, denn Parteien die den Faschismus verherrlichen Paroli zu bieten und fordern nach einer wehrhaften Demokratie, die es ermöglicht diese Parteien zu verbieten.
In einem Staat in dem das Prekariat stetig wächst, muss man dafür Sorge tragen, dass Geschichte nicht mehr vergessen wird, um zu verhindern, dass wir ein zweites Mal versagen."
Nach der Feier war von einem langjährigen Mitglied der SPD, zum ersten Mal wieder dabei, zu hören, dass ihn Inhalt, Charakter und Verlauf sichtlich beeindruckt haben.


Gedenkfeier in Mannheim:

Oberbürgermeister ruft zur Zivilcourage auf

Es war ein beeindruckendes Gedenken an die Widerstandsgruppe um Georg Lechleiter. Am 15. September hatten sich in Mannheim am Lechleiterplatz über 150 Menschen versammelt. An diesem Tag waren 1942 vierzehn Mitglieder der Gruppe in Stuttgart hingerichtet worden. Fünf weitere wurden am 24. Februar 1943 ermordet und zahlreiche Widerstandskämpfer wurden zu langjährigen Zuchthausstrafen, KZ und Strafbataillon verurteilt.
Fritz Reidenbach, einer der Sprecher der VVN-BdA Mannheim, wies in seiner Begrüssung darauf hin, über das Gedenken hinaus sei es notwendig, Schlussfolgerungen für heute zu ziehen, aktiv gegen die immer frecher auftetenden Nazis und für ein Bündnis gegen rechts einzutreten. Die NPD müsse endlich verboten werden, sowie es die VVN, unterstützt durch über 170 000 Unterschriften, verlangt. Als Hauptredner begrüsste Reidenbach den Mannheimer Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz, ebenso den DGB-Regionalvorsitzenden Stefan-Rebmann und Christian Hoffmann, vom Arbeitskreis ANTIFA im Jugendzentrum, beide überbrachten Grussworte.
Oberbürgermeister Dr. Kurz erinnerte daran, dass Mannheim "trotz aller" Anpassung ein Zentrum des Widerstandes war. Die Lechleiter - Gruppe benannte und initiiert von dem KPD Landtagsabgeordneten vor 1933 Georg Lechleiter - die bekannteste unter den in der Stadt namentlich erfassten 1323 Widerstandskämpfern sei. Gedenken habe zugleich etwas mit Zukunftsgestaltung zu tun. "Wir sehen heute in ihnen Vorbilder - Menschen, die mit Zivilcourage und aussergewöhnlichem Mut...gegen ein Unrechtssystem antraten. Sie - Sozialdemokraten und Kommunisten - scharrten sich um das gemeinsame Projekt einer oppositionellen Flugschrift `der Vorbote`."
Dr. Kurz wies darauf hin, dass Mannheim aber auch eine "Stadt der Täter" sei. So stamme der ehemalige KZ-Kommandant von Auschwitz, Höss, aus Mannheim. "Dem stellen wir uns" .An vielen Gedenkorten in Mannheim werde an Opfer der Nazizeit erinnert und Widerstandskämpfer gewürdigt. Diese Veranstaltung setze ein deutliches Zeichen, dass sich Mannheim der Tradition der Widerstandsbewegung um Georg Lechleiter verpflichtet fühle. Denn gerade heute sei Zivilcourage und Widerstand gefordert und das jeden Tag, wo sich Diskriminierung und Menschenverachtung zeigten.
Stefan Rebmann betonte in seinem Grusswort, "die Vergangenheit verpflichtet uns, etwas für die Zukunft zu tun". Die NPD müsse endlich verboten, die Infrastrukturen der Nazis zerschlagen werden. Ein gemeinsames Aufstehen gegen den Rechtsradikalismus sei notwendig. "Dem Widerstand um Georg Lechleiter sind wir verpflichtet, wenn wir sie vergessen, war ihr Sterben umsonst."
Christian Hoffmann, vom Jugendzentrum, sagte, "Die Erinnerung an die Widerstandskämpfer erfüllt uns mit Wut und Trauer, aber auch mit grossem Respekt". Ihr Beispiel müsse gewahrt werden, der Schwur von Buchenwald verpflichte, den Kampf gegen das Erstarken der Naziszene aufzunehmen. Auftreten und Wirken der Nazi müsse mit einer grossen Gemeinsamkeit verhindert werden, ebenso wie ihren Einzug im nächsten Jahr in den Gemeinderat." Er belegte seine Worte mit Übergriffen und Treffen von Nazis in Mannheim und Umgebung.
Musikalisch umrahmt wurde das Gedenken von Michael Angierski (Gitarre) und Lionell Fawcett (Gesang), beide von der Musikschule Mannheim, mit den Liedern die "Moorsoldaten", "Mein Vater wird gesucht" und dem "Solidaritätslied", zum Abschluß gemeinsam gesungen.

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