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Nummer 2 / Juli 2008



Gedenken an Lilo Herrmann:

Menschlichkeit hat kein Parteibuch

Dieter Lachenmayer

Zum Gedenken an die vor 70 Jahren hingerichtete Widerstandskämpferin Lilo Herrmann lud die VVN-BdA Stuttgart im Rahmen der Landeskonferenz zu einer Gedenkfeier in den Stadtgarten unmittelbar bei den Gebäuden der Uni Stuttgart ein. Werner Grimm, der schon die Landeskonferenz musikalisch eröffnet hatte, stimmte mit einigen Liedern des Widerstands zur Gitarre auf die Gedenkrede ein, die Lothar Letsche, langjähriges Mitglied der VVN-BdA hielt. Lothar hatte sich schon seit den 70er Jahren als Student dafür engagiert, dass Lilo Herrmann als ehemalige Studentin der Uni Stuttgart dort ein würdiges Gedenken finden sollte. Zunächst ging Lothar auf die mutigen Taten Lilo Herrmanns und ihrer Gefährten ein. Lilo Hermann hatte Nachrichten über Rüstungsvorbereitungen an den Nachrichtenapparat der KPD weitergeleitet und Schreibarbeiten für den im Untergrund lebenden Bezirksleiter Stefan Lovàsz übernommen.
Aufgrund von Spitzeltätigkeit flog die Gruppe auf, Lilo wurde zusammen mit Alfred Steidle und Artur Göritz verhaftet. und 1937 vom Volksgerichtshof wegen Landesverrat und Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode verurteilt. Trotz einer Welle internationaler Proteste wurden die Urteile am 20. Juni in Berlin Plötzensee vollstreckt. Während der Zeit des Faschismus und danach war der Name Lilo Herrmann international ein Symbol für den opferreichen Kampf des deutschen Widerstands gegen Faschismus und Krieg.
In der DDR wurde Lilo nach der Befreiung auf vielfältige Weise geehrt - nicht so in der Bundesrepublik, nicht in ihrer Heimatstadt Stuttgart und schon gar nicht an der Universität, an der sie mehrere Semester studiert hatte. Lothar Letsche berichtet vom langen Kampf, den es brauchte, bis ein Gedenkstein für die kommunistische Widerstandkämpferin den Weg zwischen die beiden Kollegiengebäude der Universität gefunden hatte. Die Uni selbst hatte sich nachhaltig dagegen gewehrt: Lilo Herrmanns "Tat hatte (anders als etwa die der Geschwister Scholl in München) keinen Zusammenhang mit Studenten oder mit der Universität", hieß es in einem Gutachten des als Experte für die Zeit des Faschismus angesehenen Stuttgarter Professors Eberhardt Jäckel. Und, so endete das Gutachten und ließ die Katze aus dem Sack: "... es kann nicht übersehen werden, dass Lilo Herrmann im Sinne einer Bewegung wirkte, die die Freiheit von Forschung und Lehre wie die Freiheit und Menschenrechte allgemein zu unterdrücken beabsichtigte". Dennoch fand sich am 50. Todestag Lilo Herrmanns plötzlich ein Gedenkstein auf dem Rasen - unmittelbar vor Rektorat und Kollegiengebäuden, wohl aber auf städtischen Gelände. Stadtjugendring, VVN-BdA und andere hatten den Stein, den der Bildhauer Herbert Göser aus einem Stuttgarter Trümmerstein gestaltet hatte, in einer Nacht- und Nebelaktion dort deponiert und enthüllten ihn am Ende eines Schweigemarsches von Lilos Wohnung zur Uni.
Während der erste Bürgermeister der Stadt Stuttgart Dr. Thieringer (CDU) den Stein ausdrücklich begrüßte und auch ein Vorwort für die von der VVN-BdA herausgegebene Broschüre über Lilo Herrmann verfasste, hat sich die Universität, mit dem antifaschistischen Mahnmal in ihrem Eingangsbereich bis heute noch nicht letztlich abgefunden. Lothar Letsche schloss seine Rede mit einem Zitat aus dem genannten Vorwort, das auch der Universität Stuttgart ins Buch der eigenen Geschichte geschrieben sei:
"Lilo Herrmann ist wegen ihrer politischen Zugehörigkeit im Mosaik des deutschen Widerstandes für manche unbequem - aber entscheidend sind ihre Gesinnung und Haltung, aus moralischer und menschlicher Substanz heraus für die Sache der Menschlichkeit das Leben zu wagen. Nicht Lilo Herrmanns Zuhehörigkeit zu kommunistischen Gruppierungen ist entscheidendes Kriterium, sondern ihr glaubwürdiges, unerschütterliches Bekenntnis zur Verantwortung für Menschlichkeit und Frieden. Menschlichkeit hat kein Parteibuch, sie ist die Würde des Menschen. Lilo Herrmann hat dafür ein großes Beispiel gegeben."

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