VVN-Logo VVN-BdA Baden-Württemberg, Böblinger Strasse 195, D-70199 Stuttgart / Tel. 0711/603237 Fax 600718 31.12.2007
antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 4 / Dezember 2007



Aus den Kreisen:

Gedenkfeiern

Landesvorstand


Freudental:

Klare Absage an Hass und Rassismus

Neonazis verwüsteten in der Nacht zum 2. Oktober Freudentals jüdischen Friedhof. 78 Grabsteine wurden umgestoßen und zahlreiche weitere mit Hakenkreuzen, SS-Runen und wüsten Parolen beschmiert. Außerdem beschädigten die neonazistischen Täter Eingangsbereich des Friedhofs und brachten einen Teil der Friedhofsmauer auf drei Metern Länge zum Einsturz. An ein Gebäude und eine Mauer waren die Parolen "Judensau" und "Auschwitzlügner" (mit einem als doppeltes AH-Monogramm - für Adolf Hitler - gezeichneten A) gesprayt worden.
Freudental im Kreis Ludwigsburg war eine der größten jüdischen Gemeinden Württembergs. Mitte des 19. Jahrhunderts zählten fast 400 Juden zur Gemeinde. Der älteste Grabstein auf dem jetzt geschändeten Friedhof stammt von 1811. Die letzten jüdischen Bürger Freudentals wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert. 1945 und 1946 wurden auf dem Friedhof zwei polnische Juden begraben, die an den Folgen ihrer Haft im KZ Vaihingen/Enz gestorben waren. 1970 fand mit dem in Freudental geborenen Julius Marx der bisher letzte Jude hier seine Ruhestätte. Insgesamt fanden auf dem Friedhof 435 Beisetzungen statt.
Die Zerstörung und Schändung des jüdischen Friedhofs in Freudental ist kein Einzelfall. Aufgrund eines Antrags des Bietigheimer Landtagsabgeordneten Franz Untersteller (GRÜNE) lieferte das Innenministerium erstmals einen Überblick über die Anschläge, die in den letzten zehn Jahren auf die 143 im Land noch existierenden jüdischen Friedhöfe und Gedenkstätten verübt wurden. Demnach gab es seit 1997 insgesamt 51 Anschläge auf jüdische Friedhöfe und zwei KZ-Gedenkstätten, wovon 50 Straftaten einen rechtsextremen Hintergrund hatten, einer wird einer antisemitischen islamistischen Gruppierung zugeschrieben. Lediglich in drei Fällen (Schändung des jüdischen Friedhofs in Freudental am 24.7.2002, des jüdischen Friedhofs in Kehl am 4.1.2005, des jüdischen Friedhofs in Ihringen am 12.8.2007) ist es gelungen, diese Straftaten aufzuklären.
Auch das Bundesinnenministerium informierte erst aufgrund einer Anfrage der Bundestagsabgeordneten Petra Pau (DIE LINKE) über die Verbrechen der Neofaschisten. Demnach wurden bundesweit zwischen 2002 und 2006 insgesamt 237 jüdische Friedhöfe geschändet, das sind in den letzten fünf Jahren im Durchschnitt fast 50 verwüstete jüdische Friedhöfe. In Deutschland gibt es heute etwa 2000 jüdische Friedhöfe.
Mehr als 700 Menschen kamen zu einer Gedenkstunde am 18. November 2007 auf den jüdischen Friedhof in Freudental, um ein Zeichen gegen den Antisemitismus zu setzen. Eine klare Absage an Rassismus, Hass und Gewalt stand im Mittelpunkt der Gedenkfeier. Ministerpräsident Oettinger wandte sich in seiner Gedenkrede gegen die Grabschänder, der feige Angriff richte sich gegen uns alle. Menschenverachtend und ehrlos nannte er die Tat. Die Gedenkveranstaltung wertete er als "Bekenntnis zu Menschlichkeit und Frieden". Er erinnerte daran, dass die Juden "Bürger unseres Landes waren und Teil unserer Geschichte und Identität sind". Landesrabbiner Netanel Wurmser rief zu einer Zusammenarbeit für eine bessere Zukunft auf. Arno Fern, Mitglied des Vorstands der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, würdigte den Schweigemarsch kurz nach der Friedhofsschändung und die Gedenkfeier am Volkstrauertag als Akt der Solidarität. "Das Ausmaß und die Gewalt der Schändung haben uns schockiert", sagte er. Aharon Valency, der mit einer kleinen Delegation eigens zu der Gedenkveranstaltung aus Israel gekommen war, zeigte sich traurig und erschüttert darüber, "dass solche Taten in Europa, vor allem aber in Deutschland, noch immer vorkommen". Gegen die Schändung des Friedhofs "müssen wir uns gemeinsam erheben", sagte Landrat Rainer Haas, und: "Wir dürfen nicht darin nachlassen, Menschen die Werte von Frieden, Freundschaft und Toleranz zu vermitteln." Ermutigend die Worte der israelisch-deutschen Jugendgruppe: "Wir müssen aus der Vergangenheit und aus den Fehlern der Gesellschaft lernen, damit sich das alles nicht wiederholt, damit die Vergangenheit nicht vergessen wird". Reinhard Hildebrandt nahm als Landessprecher der VVN-BdA an der Gedenkstunde teil.
So wichtig die Solidarität in Freudental als ein Zeichen gegen Rassismus und Antisemitismus war, so sehr fehlten klare Worte, wie der Neofaschismus in Deutschland wirksam bekämpft werden könne. Trauer, humanitäre Appelle und pädagogische Rezepte können nur ein Teil des Kampfes gegen rechts sein. Keiner der Redner benannte die Täter als Neonazis oder Rechtsextremisten. "Ich frage mich, wo dieser Hass herkommt" - so der Polizeisprecher Rainer Daffner nach der Friedhofsschändung. Gefestigte rechte Strukturen oder größere rechtsextreme Gruppen im Kreis seien der Polizei nicht bekannt. (Stuttgarter Zeitung 5.10.2007). Ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes weist in dem gleichen Zeitungsartikel darauf hin, dass "viele der 1000 gewaltbereiten, rechtsextremistischen Skinheads und die Mitglieder der etwas kleineren Neonaziszene genau über die Lage der jüdischen Friedhöfe im Land informiert seien".
"Die rechte Szene im Südwesten sei überschaubar" meint er. Es bleibt zu fragen, warum dann die Aufklärungsquote so minimal ist, warum rechtsextreme Straftaten im Land zunehmen. Rahel Dror, Mitglied der Israelitischen Religionsgemeinschaft und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, verweist in einem Leserbrief (Stg. Z. 20.11.2007) auf die rechtsextremen Netzwerke: "Bei der Schändung des jüdischen Friedhofs in Freudental … handelt es sich um ein gezieltes Vorgehen. … Es muss erlaubt sein, in diesem Fall wie auch bei anderen rechtsextremistischen Untaten an die in der Regel etwas älteren Hintermänner zu erinnern, die vermutlich sehr wohl in aller Stille und Heimlichkeit die Jugendlichen oder jungen Männer ideologisch und logistisch präparieren, mit den erforderlichen Informationen ausstatten und dann als Geldgeber, juristische Berater, Anwälte und Verteidiger unterstützen. Die Überschrift ‚Ich frage mich, wo dieser Hass herkommt' darf oder muss wohl doch unter anderem mit dem Hinweis auf die mehr oder weniger verdeckt agierende Unterstützerszene hinter den ausführenden Tätern beantwortet werden. Dieser Hass wird ständig reproduziert, zum Beispiel von Schreibtischtätern in rechtsextremen Medien und Institutionen, von ansonsten sich brav bürgerlich gebenden Köpfen, die ihre nationalsozialistische Gesinnung gerne auch mit ihren codierten Autokennzeichen kundtun (18 und 88 tauchen doch erstaunlich oft auf)." Ein Verbot der NPD würde diese Netzwerke und Strukturen entscheidend schwächen.
RH

Rudersberg:

Erinnerung an Gertrud Müller

Zur jährlichen Gedenkfeier am Mahnmal für die ermordeten Frauen und Mädchen die im Frauenlager Rudersberg ermordet wurden hatte die VVN-BdA in diesem Jahr die Schorndorfer SPD-Stadträtin Silke Olbrich eingeladen, die Gedenkrede zuhalten.
Sie schilderte das Leiden das so viele Frauen im "Arbeitserziehungslager" Rudersberg zwischen 1942 und 1945 erdulden mussten, anhand des üblichen Tagesablaufs und einiger Einzelschicksale. Silke Olbrich rief auch die unermüdliche Initiative in Erinnerung, die eine ehemalige Gefangene des Lagers für die Errichtung des heutigen Gedenksteins entfaltete: Gertrud Müller, für die das "Arbeitserziehungslager" Rudersberg eine Zwischenstation auf ihrem Leidensweg durch verschiedenen KZs wurde. Die Rednerin erinnerte an die vor kurzem verstorbene Widerstandskämpferin als eine couragierte und starke Frau. "Möge diese große Frau uns Vorbild und Ansporn sein, Zivilcourage im Alltag zu zeigen, wohl wissend, dass es für uns meist nicht um Leben oder Tod geht wie bei ihr".
Heute gehe es darum, so die Rednerin, "dem Krieg und dem Fa-schismus zu wehren und zu widerstehen, die Gleichheit der Menschen und die Demokratie zu achten, auch auf das Menschenrecht auf Asyl - das ist der Auftrag an uns. An uns Bürgerinnen und Bürger sowie an unser Grundgesetz - also an unsere Demokratie."
Und nochmals kam die Rednerin auf Gertrud Müller zurück: Wir wissen, "dass jeder kleine Impuls, den wir in ihrem Sinne - im Sinne der Meinungsfreiheit und Wahrung der Menschenrechte setzen, dazu beiträgt, dass sich ein solch verheerendes Regime, wie sie es erleben musste, nie wieder in unserem Land ausbreiten kann.
DL

Welzheim:

Mahnung für Frieden, - gegen Gleichgültigkeit

Am Volkstrauertag wird der Opfer beider Weltkriege und der Gewaltherrschaft gedacht. Die Gedenkfeier in Welzheim am 18.11.2007 wurde gemeinsam veranstaltet von der Stadt Welzheim, den Kirchen, dem Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge, der Reservistenkameradschaft Welzheim, der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes und den Schulen, rund 150 Menschen kamen zu der Veranstaltung in das Dietrich-Bonhoeffer-Haus. Unser Kamerad Heinz Hummler sprach für die VVN-BdA. Hinter den riesigen Gesamtzahlen der Opfer des Faschismus müsse man die vielen persönlichen entsetzlichen Einzelschicksale erkennen. Als Beispiel nannte er den Holocaust-Forscher Saul Friedländer, der in diesem Jahr den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhielt. In seiner Friedenspreisrede hatte er die individuellen Stimmen seiner toten Eltern und Familienangehörigen zitiert und so die historische Darstellung mit Erinnerungen und Gedenken verbunden. Heinz Hummler erinnerte an seinen Vater Anton, der als Widerstandskämpfer von den Nazis ermordet wurde. Das Gedenken könne verschiedene Formen haben, die Verlegung eines Stolpersteins für Anton Hummler im Stuttgarter Westen oder die Benennung einer Straße nach dem Widerstandskämpfer Reinhold Bechtle aus Löchgau, der im KZ Welzheim ermordet wurde. Das Andenken wach zu halten und das Nachdenken zu befördern, sei der Sinn und Zweck solcher Aktionen. Die Vergangenheit dürfe nicht verantwortungslos verdrängt werden. Auch heute dürfe man Unrecht und Ungerechtigkeit nicht einfach hinnehmen, um ja keine Nachteile zu bekommen. Heinz Hummler verurteilte die Politik der Herrschenden: die Kriege der Gegenwart würden als Militärschläge verharmlost und beschönigt, der Krieg als Mittel der Politik wieder salonfähig gemacht. "Ich halte es für richtig" sagte er, "dass wir uns alle mitten in unser Gedenken hinein die Frage stellen, wie viel uns von der Trauer dieses heutigen Tages erspart geblieben wäre, hätte es schon früher Widerspruch gegen jede Form von Kriegslogik gegeben." Mit den Worten von Bert Brecht sprach er sich gegen Vergessen und Gleichgültigkeit aus: "Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz. Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer. Diese Abgestumpftheit ist es, die wir zu bekämpfen haben." Nach der Gedenkfeier wurden die Toten geehrt mit Kranzniederlegungen an den beiden Mahnmalen für die Toten der Weltkriege und die Opfer des KZ Welzheim.
RH

Karlsruhe:

Das Vergangene ist nicht vergessen

Fester Termin im Jahresrythmus der VVN-BdA Karlsruhe ist die Gedenkfeier für die Opfer von Faschismus und Krieg am Totensonntag. Bei allem auf und ab der Zeiten und der Organisation ist diese Veranstaltung seit mehr als 60 Jahren jedes Jahr durchgeführt worden.
Veranstalter war immer schon die VVN. In den Anfängen nach 1945 war selbstverständlich auch die CDU dabei, die SPD ist jetzt noch immer wieder beteiligt.
Am Hauptfriedhof am Gedenkstein für die Opfer von Faschismus und Krieg sprach dieses Mal - nach dem musikalischen Auftakt von Marianne - Cuno Hägele.
Er zeigte mit sorgfältiger Eindringlichkeit den geschichtlichen roten Faden auf: beginnend mit "Vergiss uns nicht, die wir getötet wurden, denn das Vergessen ist die Erlaubnis zu seiner Wiederholung" über "Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel." zu "Das Vergangene ist nicht tot, es ist nicht einmal vergangen" und "Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch".
Das ist auch heute so.
Zu NPD und neonazistischen Organisationen führte er aus: "Wir sagen, Aufrufe zur Hetze gegen Menschen hat mit demokratischen Rechten nichts zu tun. Den neonazistischen Organisationen muss endlich die formal-juristische Legitimation ihres Handelns entzogen werden." Klar ist, "Wir fordern das Verbot und die Auflösung aller neonazistischen und neofaschistischen Parteien und Organisationen, denn Faschismus ist keine Meinung - sondern ein Verbrechen" mit der Konsequenz "Nie wieder darf von deutschem Boden Krieg ausgehen". Nach "Wir sagen Nein zu einer weiteren Militarisierung der Gesellschaft", "Stoppt die Auslandseinsätze der Bundeswehr" und "Rückkehr aller im Ausland befindlichen Truppen" kam er zu dem Schluss: "Nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg, das heißt nüchterne unbestechliche, radikale und mutige Gesellschaftskritik." ...
Am Gedenkstein für die sowjetischen und polnischen Zwangsarbeiter sprach Industriepfarrer i. R. Ullrich Lochmann. Er führte aus: "Die Verschleppung von 11 Millionen Menschen aus den überfallenen Gebieten, ihre Ausbeutung für Kriegszwecke, ihr Leiden und Sterben ist eines der vielen niemals vergessbaren Verbrechen der deutschen Naziherrschaft an der Menschheit". "Wir verneigen uns vor den polnischen und russischen Frauen und Männern, vor den 16000 Zwangsarbeitern damals in Karlsruhe und an allen anderen Orten ihre Leidens." In der ARD Reportage am 30.9.2007 wurde dargelegt, dass das heutige Vermögen einer der reichsten Familien und heutige BMW-Eigner wesentlich auf der damaligen Ausbeutung von Zwangsarbeitern beruht. Der Umgang aber mit ihren Zwangsarbeitern war unmenschlich: "Es war viel schlimmer als Sklavenarbeit ... man peitschte uns aus ... man gab uns kein Wasser, wir mussten aus den Toiletten trinken." Und Ullrich Lochmann schloss: "Engagieren wir uns weiterhin, wo und wie wir können, für Gerechtigkeit und Menschlichkeit in unserer Welt. Seien wir vor allem wachsam und aktiv gegen jegliche Form von alten und neuem Faschismus, der sich unheilvoll wieder breit macht. Allen Verharmlosungen und verirrten Sympathien für NS-Gedankengut möge die Erinnerung an die Opfer für immer einen Riegel vorschieben.

Pforzheim:

Keine Toleranz für Neonazis!

Die diesjährige Gedenkfeier der VVN-BdA am Totensonntag mit einer Kranzniederlegung am Mahnmal für die Opfer des Faschismus auf dem Pforzheimer Hauptfriedhof setzte ein deutliches Zeichen gegen die braunen Umtriebe in der Stadt. Bei der Gedenkfeier am Volkstrauertag gab es einen provokativen Vorfall: Die Teilnahme von mehreren Mitgliedern des rechtsextremen Freundeskreises "Ein Herz für Deutschland" und die Kranzniederlegung mit einer Schleife des "Heidnischen Sturmes Pforzheim" - einer neofaschistischen Kameradschaft - lösten Entsetzen und Empörung aus. Die Kreisvorsitzende der VVN-BdA Lore Schneider forderte die Zusammenarbeit aller demokratischen politischen Kräfte im Gemeinderat und in der Stadt, um gegen die Neonazis entschieden vorzugehen. Die Tatsache, dass in der Pforzheimer Stadtverwaltung zwei Republikaner sitzen und die CDU traditionell sehr weit rechts stehe, mache diese Aufgabe nicht leicht. Landessprecher Reinhard Hildebrandt mahnte in seiner Gedenkrede: "Eine Verharmlosung oder ein Wegschauen ist nicht mehr hinzunehmen!" Einen Nazi-Fackelmarsch oder die Teilnahme von Neonazis an Gedenkveranstaltungen dürfe es nicht mehr geben. Das Leid des Krieges und der faschistischen Gewaltherrschaft dürfe nicht durch Rechtsextreme verhöhnt werden. "Die Trauer um die Opfer des Naziregimes und die Toten aller Kriege verpflichtet auch uns, die Nachfolgegeneration, zu Konsequenzen: Nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg", sagte Reinhard Hildebrandt und erinnerte daran, dass die VVN-BdA in der Tradition der Menschen stehe, die die Verfolgung durch die Nazis überlebt haben und die im Widerstand aktiv waren. "Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel", zitierte er den Schwur der befreiten Häftlinge des KZ Buchenwald vom 19. April 1945. Eine aktuelle Aufgabe bis heute! Die Wirklichkeit im heutigen Deutschland ist bedrückend: über 130 Morde seit 1990 durch Neofaschisten, neonazistische Gewalt und Rassismus auf den Straßen, eine Justiz, die wieder einmal auf dem rechten Auge blind ist, Antisemitismus und Schändung jüdischer Friedhöfe. Der Landesprecher forderte erneut ein Verbot der NPD, dies würde die neofaschistischen Strukturen enorm schwächen. Gegen die Rechtsentwicklung sind Widerständigkeit und tatkräftiges Eingreifen gefordert. Es gibt Teilerfolge und Aktionen, die Mut machen. Der Bundesgerichtshof hatte entschieden, dass durchgestrichene Hakenkreuze Anti-Nazi-Symbole sind. Und der Verwaltungsgerichtshof hob das Berufsverbot für Michael Csaszkóczy auf. In Tübingen und Horb stellten sich tausende von Menschen den Neofaschisten in den Weg und verhinderten Naziaufmärsche. Notwendig sei es auch, so Reinhard Hildebrandt, die Aufmerksamkeit auf die Mitte der Gesellschaft zu richten, das Umfeld, das es den Neonazis ermöglicht, den öffentlichen Raum Schritt für Schritt zu erobern. Zum Schluss seiner Gedenkrede forderte er mit den Worten des vor kurzem verstorbenen Kurt Julius Goldstein, Spanienkämpfer und Ehrenpräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, ein breites antifaschistisches Bündnis: "Antifaschismus als einigendes Band muss offen für alle sein, die gegen Nazismus, Rassenwahn, Antisemitismus und Kriegstreiberei auftreten, die für ein friedliches und gleichberechtigtes Miteinander von Menschen unterschiedlicher Kulturen, Sprache, Religion oder Hautfarbe, mit verschiedenen Lebensentwürfen und Überzeugungen streiten." Erfreulich, dass trotz des nasskalten Novemberwetters deutlich mehr Menschen als vor einem Jahr zu der Gedenkfeier kamen, die antifaschistische Jugend Pforzheims war mit einer großen Gruppe vertreten.
RH

Offenburg:

Gedenktafel für Deportationsopfer

Aus Anlass des 67.Jahrestages der Deportation Offenburger Bürger und Bürgerinnen jüdischen Glaubens, in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich, veranstaltete die VVN-BdA Kreisvereinigung Ortenau im Bündnis mit dem DGB, der Stattzeitung für Südbaden und der Buchhandlung Akzente, am 22.Oktober in Offenburg eine Gedenkveranstaltung. "Ich bin überwältigt von der großen Zahl der TeilnehmerInnen" so Martin Ruch, einer der Referenten des Abends. Über 70 Menschen hatten am Montagabend den Weg an die Pforte des Schiller-Gymnasiums gefunden. Dort ist die Gedenktafel angebracht, die an den Jahrestag (22.Oktober 1940) des Abtransportes der OffenburgerInnen jüdischen Glaubens erinnert.
Die TeilnehmerInnen der Gedenkveranstaltung gingen an der Tafel vorbei, die erste Strecke des Weges mit, den die Offenburger Juden vor 67 Jahren in die Vernichtung gehen mußten. Er führt vom Schulhof hinüber in den Schillersaal. "Hunderte von Menschen waren dort versammelt. Man hatte Bierbänke aufgestellt, die meisten standen", erinnerte sich die Zeit & Augenzeugin, unsere Kameradin Dorothea Siegler-Wiegand. Es habe eine gespenstische Stille in dem Raum geherrscht. "Die Einsamkeit der Verzweiflung", wie es der Schriftsteller Saul Friedländer in seinen Erinnerungen schreibt, sei spürbar gewesen.
Die Offenburger Juden waren frühmorgens von den Nazibarbaren aus ihren Wohnungen geholt worden. 50 Kilo Gepäck und maximal 100 Reichsmark durften sie mitnehmen. "Viele der meist Älteren oder Kinder waren nur halbwegs angekleidet, manche Frauen noch in der Küchenschürze" schilderte Dorothea Siegler- Wiegand leise und entschuldigte sich bei den Zuhörern, "dass ich nach all den Jahren wieder zittern muß".
Der Erlass der berüchtigten Sondergesetze der Nazis, das deutsche Reich "judenfrei" zu machen, wurde in perfider Perfektion umgesetzt so der Kulturhistoriker Martin Ruch. 6504 Menschen jüdischen Glaubens aus Baden und der Pfalz wurden nach Gurs der "Vorhölle von Auschwitz deportiert. Keiner kam nach der Befreiung am 8.Mai 1945 nach Offenburg zurück, alle wurden von den Nazis und ihren Helfern ermordet.
Unser Kamerad Hans-Peter Goergens von der VVN-BdA Ortenau und der Direktor des Schiller-Gymnasiums, Manfred Keller trugen aus Schriftdokumenten von Deportierten vor u.a aus den Erinnerungen von Rudolf Weinstock aus Emmendingen. Direktor Keller stellte einen unmittelbaren Bezug her, als er aus dem Buch "Blühen bei euch die Bäume" vorlas. Hierbei handelt es sich um den Schriftwechsel einer jüdischen Mutter aus dem Lager Gurs an ihre beiden Söhne. Die Mutter wurde in Auschwitz ermordet. Ihre Kinder fanden sich nach Jahren wieder in Israel, dort kam es auch zur persönlichen Begegnung der Brüder mit dem Direktor des Schillergymnasiums.
"Eine Veranstaltung die mich sehr ergriffen hat" sagte mir zum Abschied Reymond Olf, President der ANACR Bas-Rhin, der extra aus Strasbourg mit seiner Gattin und seinem Schwiegersohn zu unserer Gedenkveranstaltung gekommen war.
Paul Bauer

Stuttgart-Feuerbach:

Versteckt aber nicht vergessen

An der jährlichen Gedenkfeier am Mahnmal für die ermordeten Antifaschisten aus Feuerbach nahmen in diesem Jahr auch Mitglieder der Stolperstein Initiative Feuerbach teil.
Für die VVN-BdA erinnerte Janka Kluge an einige der ermordete Antifaschisten, deren Namen auf dem abseits und versteckt liegenden Mahnmal stehen. Auch erinnerte sie an die Zeit nach Kriegsende, als sich in Stuttgart die Antifaschistischen Komitees gründeten. Da die Stadtverwaltung zu großen Teilen zusammengebrochen war, übernahmen diese Komitees Teile ihrer Arbeit und organisierten gerade in den ersten Wochen und Monaten nach Ende des Krieges die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Wohnraum.
Elke Martin von den Stolpersteinen Feuerbach gab einen Überblick auf die geplanten Aktionen im Jahr 2008. Im März 2008 erinnern die Mitglieder der Stolperstein-Initiativen an den 65. Jahrestag der Deportation der Württembergischen Sinti und Roma von Stuttgart aus. In Feuerbach wer-den 6 Stolpersteine für die Angehörigen einer Sinti - Familie verlegt. Die Mitglieder der Familie Reinhardt wurden von Feuerbach aus nach Auschwitz - Birkenau deportiert und dort ermordet.
Weiter wird im März in Feuerbach zum ersten Mal an drei Opfer der "Euthanasie" erinnert. Drei Frauen wurden in die Mordanstalten Grafeneck, Hadamar und Bernburg verschleppt und dort vergast.
EM

Stuttgart Untertürkheim:

Gedenken an die Gruppe Schlotterbeck

Alljährlich versammeln sich am Totensonntag Stuttgarter Antifaschistinnen und Antifaschisten auf dem Friedhof in Untertürkheim um dort der ermordeten Mitglieder der Stuttgarter Widerstandsgruppe um die Familie Schlotterbeck zu gedenken.
"Diese Toten starben für die Würde des Menschen, für sein Recht auf Persönlichkeit, um ein bisschen Freiheit." So hat es Friedrich Schlotterbeck, der einzige Überlebende der Gruppe und spätere Landesvorsitzende der VVN in einer Rede anlässlich des 25. Todestages der Widerstandsgruppe formuliert.
Arne Hübner vom Stuttgarter Kreisvorstand der VVN-BdA griff dieses Zitat auf und würdigte die Ermordeten, die "beispielhaft stehen für alle Antifaschistinnen und Antifaschisten, die von Anfang an in fundamentaler Opposition zum deutschen Faschismus standen." Die Erkenntnis, dass Hitler kein Betriebsunfall war, mache deutlich, dass es heute nicht ausreicht, die Neonazis von der Strasse zu fegen, fuhr der Redner fort. "Wir müssen über Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und andere Verdummungsideologien in der Mitte der Gesellschaft aufklären und soziale Ursachen aufdecken."
Arne Hübner wies auf die aktuelle Aufrüstung des Staates im Inneren mit Vorratsdatenspeicherung, Onlinedurchsuchung, Videoüberwachung, Fingerabdruck im Reisepass und andere Maßnahmen Überwachungsmaßnahmen hin. Dieser Abbau demokratischer Rechte im Innern werde begleitet von Kriegseinsätzen der Bundeswehr im Ausland mit denen deutsche Interessen, Absatzmärkte und Rohstoffquellen selbst am Hindukusch "verteidigt" werden. Menschenrechte seien für den sogenannten "Kampf gegen Terror" ein Hindernis. Dagegen sei demokratische Gegenwehr erforderlich. "Nachhaltiger Antifaschismus benennt die Ursachen für rechtsextreme Gesinnung und engagiert sich gegen einen Mangel an Demokratie, Frieden und soziale Gerechtigkeit."
Im Anschluss an die Gedenkfeier am Ehrenmal für die Gruppe Schlotterbeck, besuchten die Teil-nehmerinnen auch das benachbarte Grab des 2003 verstorbenen Wi-derstandskämpfers, Vorsitzenden und Ehrenvorsitzenden der VVN-BdA, Alfred Hausser. Ingrid Bauz rief die noch frische Erinnerung an diesen Antifaschisten der ersten Stunde wach. Sie schilderte aus persönlicher Sicht die grosse Bedeutung, die Menschen wie Alfred Hausser für das Nachwachsen jüngerer Generationen von AntifaschistInnen heute noch hat.
DL

Heidelberg:

Verpflichtung zur Widerständigkeit

Auf der jährlichen Gedenkfeier am Mahnmal für die Opfer des Faschismus auf dem Heidelberger Bergfriedhof, sprach Michael Csaszkóczy für die VVN-BdA. Michael, dessen standhaftes Eintreten gegen das gegen ihn verhängte Berufsverbot mit Hilfe breiter Solidarität gerade zum Erfolg geführt hatte, bekannte sich zur Verpflichtung, die die Opfer aus dem antfaschistischen Widerstand uns auferlegen. "Keine leicht zu schulternde Verpflichtung - in einer Zeit, in der die Nazis wieder offen durch die Straßen ziehen, in der selbst offener Antisemitismus in Deutschland immer mehr Zustimmung findet; in einer Zeit, in der es Gegenden in Deutschland gibt, in denen sich Nichtdeutsche und Andersdenkende nicht alleine auf die Straße wagen können und in der Krieg rund um den Erdball wieder als legitimes Mittel der Politik gilt. Diese Verpflichtung erfordert mehr als nur Erinnerung, sie fordert Widerständigkeit und tatkräftiges Eingreifen."
Neben Michael hielten Dr. Lazar Breutmann von der jüdischen Kultusgemeinde und Reinhold Lagrene vom Zentralrat der Sinti und Roma Grussworte zum Gedenken an die Heidelberger Widerstandskämpfer.
DL

Mannheim bis Tübingen:

Zug der Erinnerung

Am 8. November, dem Vorabend der Reichspogromnacht, startete in Frankfurt der "Zug der Erinnerung als Beginn des deutschlandweiten Gedenkens an die von den Nazis deportierten Kinder und Jugendlichen.
Im Oktober und November 1941 begannen Massendeportationen in die Vernichtung. Allein in Frankfurt kehrten wenigstens 773 Kinder und Jugendliche nicht zurück. An diese Opfer erinnert die Ausstellung im "Zug der Erinnerung". Sie beschränkt sich nicht auf die deutschen Ereignisse, sondern erzählt von der europäischen Dimension eines Großverbrechens, das auch Kindern und Jugendlichen in den vormals okkupierten Ländern galt. Unter ihnen befinden sich Sinti und Roma, Kinder von Nazi-Gegnern und Jugendliche aus den osteuropäischen Staaten, die ermordet oder verschleppt wurden. Ihnen sind Biografien aus Polen, der früheren UdSSR, Norwegen, Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Italien und Griechenland gewidmet.
Nach Frankfurt und Darmstadt fuhr der Zug durch Baden Württemberg.
Vom 14.-17. 11. machte er Station in Mannheim, vom 18. - 20. 11. in Karlshe, am 21. 11. in Ettlingen, am 22. 11. in Vaihingen/Enz, vom 22. - 24. 11. in Stuttgart und vom 25.-27. 11. in Tübingen.
An allen Stationen stieß der Zug auf große Resonanz. Vor allem auch Schulklassen nutzten den kurzfristigen Aufenthalt des Zuges. In Mannheim waren es täglich zwischen 700 und 800 Besucher.
Die hohen Kosten, die die Bahn für die Benutzung der Gleise berechnete, trugen jeweils örtliche Veranstalter, wobei zumeist der DGB und seine Einzelgewerkschaften die Hauptlast übernommen hatte. Um einen Zuschuss von Bundesregierung oder Bahn waren die Veranstalter vergebens eingekommen.
Nach seiner Fahrt durch Baden-Württemberg fuhr der Zug weiter nach Saarbrücken, Fulda, Göttingen, Hannover, Braunschweig, Gotha, Erfurt, Weimar, Leipzig, Dresden u.a

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