VVN-Logo VVN-BdA Baden-Württemberg, Böblinger Strasse 195, D-70199 Stuttgart / Tel. 0711/603237 Fax 600718 03.09.2007
antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 2 / August 2007



"…für eine Welt des Friedens"

LV

"Hitler bedeutet Krieg", das war nicht nur eine griffige Wahlkampfparole in der Weima-rer Republik. Es war die Erkenntnis über das Wesen des Faschismus und das zentrale Motiv des Widerstands dagegen. Das Eintreten für eine Welt des Friedens und der Freiheit, wie es im Schwur von Buchenwald heißt, "nie wieder Faschismus und Krieg", das war das Grundanliegen der Frauen und Männer in der neugegründeten VVN.

Damals konnten sich nur wenige vorstellen, daß aus den Trümmern der deutschen Städte wieder der Wunsch nach einer deutschen Armee laut werden könnte. Die neugegründete VVN konnte es: Lange bevor in Deutschland wieder öffentlich von Wiederbewaffnung gesprochen wurde, erkannte die VVN die neue Tendenz des beginnenden Kalten Krieges. Bereits 1948 steht der Aufruf zum Gedenktag für die Opfer des Faschismus der VVN Württemberg Baden unter dem Motto "Laßt uns den Frieden gewinnen, statt neuen Krieg zu beginnen". "Während die demokratischen Kräfte ehrlich um einen gerechten Frieden ringen, gibt es schon wieder Menschen, die vom Kriege reden", heißt es im Aufruf. Tatsächlich wurde erst Jahre später bekannt, daß bereits zu dieser Zeit der Hitlergeneral Speidel im Auftrag Konrad Adendauers an einer Denkschrift über die deutsche Wiederbewaffnung arbeitete.

Kampf gegen die Remilitarisierung
Von Anfang an ist die VVN in Südwestdeutschland einer der Motoren für die Entwicklung einer breiten Friedensbewegung. Zum Befreiungstag 1949 richtet sie in Baracken auf dem Stuttgarter Schloßplatz die Ausstellung "Frieden nicht Untergang" aus, um, wie es in der Ankündigung heißt, "das Gewissen der Menschen für die neuen Gefahren zu schärfen". Auf ihrer 14. gesamtdeutschen Ratstagung rief die VVN ihre Mitglieder zum "Unentwegten Kampf für den Frieden" auf. Der jährliche Gedenktag Anfang September wurde in allen Ländern als Friedenswoche vom 1.-11. September begangen. In Württemberg-Baden rief die VVN zu Kampftagen für den Frieden auf. Die VVN wird initativ um eine breite bundesweite Friedensbewegung zu schaffen. Für den 29. u. 30. April lädt das Komitee der Kämpfer für den Frieden unter der Adresse des VVN-Landesbüros zu einer landesweiten Friedenskonferenz ein. Bis 1953 entwickelte sich die erste der breiten Volksbewegungen für den Frieden. Trotz Verbot wurde eine Volksbefragung gegen die Wiederaufrüstung durchgeführt, bei der 8 Millionen ihre Stimme abgaben. Wie sehr sich die VVN auch in Südwestdeutschland für die Volksbefragung einsetzte zeigt z.B. eine Referentenliste der VVN Württemberg Hohenzollern in der 46 Refernten und Referentinnen zum Thema angeboten werden. Insgesamt 7321 Helfer der Volksbefragung wurden verhaftet, über 1000 Gerichtsverfahren eingeleitet. Der Sekretär des Hauptausschusses für die Volksbefragung, der Widerstandskämpfer und Buchenwaldhäftling, Oskar Neumann wurde wegen der Organisierung dieser Volksbefragung wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

"unbewältigte Gegenwart"
Der breite Widerstand konnte die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik zwar verzögern, aber nicht verhindern: Im März 53 beschloß der Bundestag mit der Mehrheit der Regierungsparteien den sog. Generalvertrag und gab damit grünes Licht für die Wiederbewaffnung. Der Weg für die Bundeswehr war frei, der Weg für eine gemeinsame, neutrale und antimilitaristische Entwicklung der deutschen Länder endgültig versperrt. Noch einmal lebte der Protest gegen die Aufstellung der Bundeswehr und die Aufnahme in die NATO in der Paulskirchenbewegung 1955 auf. Die VVN rief in diesem Jahr gemeinsam mit der französischen Organisation der Widerstandskämpfer zu deutsch-französischen Treffen des Widerstands in München und Stuttgart auf, auf denen u.a. der Vater der Geschwister Scholl, Robert Scholl, und Alexander Schenk von Stauffenberg sprachen. Auch diese erneute Protestwelle hatte keinen Erfolg: Am 9. Mai wird die neugegründete Bundesrepublik Mitglied der NATO. Im November erhalten die ersten Soldaten der Bundeswehr ihre Ernennungsurkunde. Die VVN macht weiterhin gegen den eindeutig militaristischen Charakter der Bundeswehr mobil: In einer Dokumentation "Die unbewältigte Gegenwart", nennt sie exemplarisch die Biographien von 25 hohen Bundeswehroffizieren, allesamt Generale der Nazi-Wehrmacht.
Nicht zuletzt durch ihr großes Engagement in der Auseinandersetzung um die Wiederbewaffnung hatte sich die VVN endgültig als "staatsfeindlich" erwiesen. Bereits 1951 verbot die Bundesregierung den gesamtdeutschen "Rat der VVN". Als Begründung wurde vor allem auf die Aktivitäten der VVN für die verbotene Volksbefragung verwiesen. Verbote einzelner Landesvereinigungen wie Hamburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz folgten.

Kampf dem Atomtod!
Kaum hatte die Bundesrepublik eine neue Armee, wurde auch die Forderung nach deren atomarer Bewaffnung erhoben. 1957 erklärte Adenauer: "Die taktischen Atomwaffen sind nichts weiter als die Weiterentwicklung der Artillerie. Selbstverständlich können wir nicht darauf verzichten ...". Auch im Widerstand gegen die atomare Aufrüstung hatte die VVN als eine der ersten Organisationen Initiativen ergriffen. Am 20. Juli 1955 überbrachte eine Delegation der VVN, der auch Alfred Hausser angehörte, der Außenministerkonferenz in Genf eine Erklärung, in der die Ächtung aller Atomwaffen gefordert wurde. Mit der Göttinger Erklärung von 18 Atomwissenschaftlern wurde erneut eine breite Volksbewegung für den Frieden eingele1itet. Im März 1958 konstituierte sich in Frankfurt ein bundesweiter Arbeitsausschuß "Kampf dem Atomtod". Noch im selben Monat beschloß die Regierungsmehrheit im Bundestag die atomare Ausrüstung der Bundeswehr.
Dieser Beschluß konnte bis heute nicht verwirklicht werden. Eine ungeheure Welle von Protesten der sich DGB wie SPD anschlossen ging durch die Bundesrepublik. In vielen Städten fanden Massendemonstrationen statt, an denen Hundertausende Menschen teilnahmen. Auch in dieser breiten Massenbewegung spielte die VVN im Bundesgebiet wie in Baden-Württemberg eine wichtige Rolle.
Die Reaktion der Bundesregierung auf ihre faktische Niederlage erfolgte prompt. Im Oktober 59 stellte sie ihren Verbotsantrag gegen die VVN. Das Friedenskomitee der BRD wurde ebenfalls verboten. 1960 wurden fünf seiner Mitglieder wegen "Rädelsführerschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung" zu Freiheitsstrafen mit Bewährung verurteilt, darunter auch der Mannheimer Widerstandskämpfer Pfarrer Erwin Eckert, der bereits unter Hitler wegen Hochverrats im Zuchthaus saß.
Die bis dahin größte Massenbewegung der Bundesrepublik half mit zu verhindern, daß ein bereits existierender Bundestagsbeschluß umgesetzt werden konnte. Erst nach der Ermordung Präsident Kennedys stimmten die USA der Ausrüstung der Bundeswehr mit atomaren Trägerwaffen zu. Die Atomsprengköpfe bleiben aber unter ihrer eigenen Kontrolle.

Unser Marsch ist eine gute Sache...
Dies hinderte die Bundesregierung nicht, bis heute immer wieder den eigenen Zugang zu Atomwaffen ins Gespräch zu bringen. Auch der Kampf gegen die atomare Bedrohung ging weiter. In den 60er Jahren begannen nach britischem Vorbild auch in der Bundesrepublik die Ostermärsche der Atomwaffengegner. Selbstverständlich ist auch die VVN dabei. Viele Kameradinnen und Kameraden aus Verfolgung und Widerstand nehmen die Strapazen der damals mehrtägigen Märsche auf sich. In den örtlichen Vorbereitungsausschüssen arbeiten auch die Kreisvereinigungen der VVN mit.
Von anfänglich 120 Menschen beteiligten sich von Jahr zu Jahr mehr Menschen an den Ostermärschen. 1968 sind es 300000. Aber dieser Höhepunkt der Ostermarschbewegung ist gleichzeitig ihr vorläufiges Ende. Auseinandersetzungen über den Einmarsch der Warschauer Vertragsstaaten in Prag und die Überlagerung des Friedensthemas durch die Themen der Apo führen zu 1969 zu einem Ende der Ostermärsche.

Für Entspannung und Abrüstung
Friedenspolitisch stehen die 70er Jahre für die VVN im Zeichen der Durchsetzung der Entspannungspolitik durch eine konsequente Politik der Kriegsverhinderung und Abrüstung. 1974 legt die VVN - BdA ein Gesetz zur Sicherung des Friedens vor, für das am Antikriegstag in allen Kreisen in Baden-Württemberg Unterschriften gesammelt werden.
1976 ruft die VVN mit auf zur bundesweiten Demonstration der wieder anwachsenden Friedensbewegung nach Bonn: "Abrüstung ist notwendig und möglich." 1977 gründen sich in vielen Städten Baden-Württembergs Ausschüsse zur Vorbereitung einer Demonstration zur Beendigung des Wettrüstens, die für ganz Süddeutschland in München stattfindet. Die VVN-BdA fordert ihre Kreisvereinigungen auf, die Arbeit in diesen Ausschüssen auch über diese Demonstration hinaus fortzuführen. Wie notwendig dies ist, zeigt sich unmittelbar nach dem Antikriegstag: Die USA sind dabei, eine Neutronenbombe zu entwickeln, die Menschen tötet, Gebäude und Industrieanlagen aber nicht zerstört. Im Mai 77 kommt es erneut zu gemeinsamen Demonstrationen der Friedensbewegung. Insgesamt Hundertausend Menschen nehmen daran unter der Parole "Nein zur Neutronenbombe, beendet das Wettrüsten" teil.

NATO-Raketenbeschluß und Krefelder Appell
Unter dem Eindruck der weltweiten Proteste stellten die USA ihre Neutronenbombenpläne tatsächlich zurück. Dennoch zerschlugen sich Ende 1979 alle Hoffnungen der Menschen, daß der politischen Entspannung nun auch die militärische Abrüstung folgen könnte. In ihrem sogenannten Doppelbeschluß beschloß die NATO unter anderem auch auf Betreiben des deutschen Bundeskanzlers Schmidt, eine große Zahl qualitativ neuer atomarer Mittelstreckenraketen in Europa, vor allem der Bundesrepbublik zu stationieren, mit dem Ziel, die atomare Erstschlagsfähigkeit des Westens zu erlangen und damit den Atomkrieg führbar zu machen. Der NATO-Raketenbeschluß rüttelte in ganz Europa Menschen wach. Die Mitglieder der VVN trugen am immer schnelleren Wachsen einer aktionsbereiten Friedensbewegung einen wichtigen Anteil. Im Rahmen einer bundesweiten Aktionsorientierung des Komitees für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit organisierte die VVN zum 35. Jahrestag der Befreiung von Krieg und Faschismus eine Friedensdemonstration in Mannheim an der 25 000 Menschen teilnahmen.
Als im November '80 auf einem Kongreß von 700 Friedensbewegten in Krefeld der Krefelder Appell verabschiedet wurde, der von der Bundesregierung die Rücknahme ihrer Zustimmung zur Stationierung verlangte, gehörten auch die Antifaschisten zu den ersten, die begannen Unterschriften zu sammeln. So berichtet z.B. die Karlsruher VVN-BdA bereits 1981, daß sie 2500 der bis dahin 12000 Karlsruher Unterschriften gsammelt hat. Ähnliches gilt für alle Kreisvereinigungen. Die Kameradin Luise Wacker aus Offenburg wurde auf dem Bundeskongreß 1981 zusammen mit Etty Gingold aus Frankfurt als die erfolgreichsten Unterschriftensammlerinnen der VVN-BdA ausgezeichnet.

Es gibt nichts Wichtigeres als den Frieden
In fast allen Städten und Dörfern entstehen örtliche, betriebliche, berufsbezogene und viele andere Friedensinitiativen. Überall sind die Antifaschisten der ersten Stunde und die jüngeren Mitglieder der VVN-BdA dabei. Zeitungen, Flugblätter, Plakate der VVN-BdA dokumentieren: "Es gibt nichts Wichtigeres als den Frieden", wie es in einem Appell an die Jugend heißt. In fast allen Materialien fliegt die Friedenstaube vor dem roten Winkel der antifaschistischen WiderstandkämpferInnen.
Auch daran, daß sich aus verschiedenen Organisationen, Parteien, Weltanschauungen und Bekenntnissen nun in neuer Breite eine gemeinsam handelnde Friedensbewegung entwickelt, haben die AntifaschistInnen einen entscheidenden Anteil. Überall dort, wo sich auf Zusammenkünften und Konferenzen Trennendes in den Vordergrund zu schieben droht, erinnern sie an ihre bittere Erfahrung der anfangs gescheiterten Gemeinsamkeit des Widerstands gegen den Faschismus und den Geist der Solidarität und Zusammenarbeit der sich beim illegalen Widerstand innerhalb wie außerhalb der KZs entwickelt hat.
Die unzähligen Friedensaktivitäten in Stadt und Land finden ihre Höhepunkte in den großen Bonner Friedensdemonstrationen der Jahre 81 mit 300.000 und 82 mit 400.000 TeilnehmerInnen, bis dahin jeweils die größten Massendemonstrationen die die Bundesrepublik je gesehen hat. 1981 lebt die Tradition der Ostermärsche wieder auf. 1982 nehmen insgesamt 500.000 Menschen an den Ostermärschen darunter in vielen Orten Baden-Württembergs teil.

Kein Jahr neuer Raketen!
Mit der Ankündigung einer Bundestagsentscheidung über die Stationierung spitzt sich die Auseinandersetzung 1983 weiter zu. Baden-Württemberg steht im Zentrum der neuen atomaren Aufrüstung: Alle drei Stationierungsorte der Pershin II Raketen, Mutlangen, Heilbronn und Neu Ulm liegen im Lande bzw. unmittelbar an seiner Grenze.
Die von der VVN-BdA gemeinsam mit einem breiten Bündnis initierte Demonstration zum 50. Jahrestag der Machtübertragung in Mössingen unter dem Motto "Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg" mit 15000 TeilnehmerInnen wurde zum Auftakt der Aktionen diesen Jahres, die sich als die größten Massenaktionen erweisen sollten, die je im Lande stattfanden. An den Ostermärschen in den Stationierungsorten Ulm/ Neu Ulm und Heilbronn beteiligen sich zehntausende von Menschen.
Die neue Friedensbewegung entwickelt auch neue Aktionsformen: 1983 beginnen zunächst noch vereinzelt Blockaden vor den Raketentoren, die von gewaltfreien Bezugsgruppen vorbereitet und durchgeführt werden. Die VVN Baden-Württemberg nimmt mit den Bezugsgruppen "Willi Bleicher", "Georg Elser" und "Lilo Hermann" an solchen Blockaden teil und erinnert so an die Tradition des antimilitaristischen und antifaschistischen Widerstands.

Hand in Hand durchs ganze Land
Für den Herbst, kurz vor der Bundestagsdebatte kündigt die Friedensbewegung eine Widerstandswoche und Volksversammlungen für den Frieden in Bonn, Hamburg, Berlin und in Süddeutschland an. Eine mit 1200 Teilnehmern besuchte Friedenskonferenz in Ulm beschließt für Süddeutschland ein umfassendes Aktionskonzept: Blockaden, Kundgebungen und eine damals neue, zunächst fast unglaubliche Aktionsidee: Eine 110 km lange Menschenkette zwischen Stuttgart und dem Stationierungsort Neu Ulm.
Am 22. Oktober 1983 demonstriert die Friedensbewegung zwischen Stuttgart und Ulm ihre Stärke und ihre Entschlossenheit zum Widerstand: 400.000 Menschen stehen Hand in Hand quer durchs Land in einer unübersehbaren Menschenkette, die sich in Schlaufen und Zick-Zacklinien über die Bundestraße 10 zieht. Insgesamt 1,2 Million Menschen sind an diesem Samstag in der ganzen Bundesrepublik für den Frieden auf der Straße.
Der größten Massenbewegung in der Geschichte dieser Republik bleibt der Erfolg zunächst versagt: Getreu der Devise des damaligen Innenministers Zimmermann (CSU) "Die demonstrieren wir regieren", bschließt der Bundestag am 22. November mit den Stimmen der Regierungskoalition die Zustimmung zur Raketenstationierung, die unmittelbar danach in Mutlangen beginnt.

Von der Stationierung zur "Null-Lösung"
Die Friedensbewegung gibt ihren Kampf gegen die Raketenstationierung nicht auf. In den eiskalten Nächten des Winters 83/84 beginnt die Dauerblockade der Stationierungsorte zunächst in Mutlangen später dann in Heilbronn, die im Prinzip bis zum Jahre 88 anhalten sollte und der sich immer wieder auch die AntifaschistInnen der VVN-BdA beteiligen.
Tausende von FriedensblockiereInnen wurden verhaftet und wegen "gewaltsamer Nötigung" verurteilt. Viele saßen ihre Strafen im Gefängnis ab. Der damalige baden-württembergischen Innenminister Roman Herzog erließ extra eine "Polizeikostenverordnung", nach der die Demonstranten für ihre Verhaftung auch noch zahlen sollten.
Auch die VVN-BdA Baden-Württemberg bekam, wie schon in den 50er-Jahren die "Rache" für ihr friedenspolitisches Engagement erneut zu spüren. 1985 entzog das Finanzamt Stuttgart der VVN-BdA die Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Begründung: das politische Engagement der VVN-BdA gegen Atomraketen und Berufsverbote. Es sollte Jahre, und vieler politischer und juristischer Anstrengungen brauchen bis das Stuttgarter Finanzgericht diese Maßnahme als rechtswidrig zurückwies.
Das Eintreten der Antifaschisten für den Frieden wurde dadurch nicht beeinträchtigt. Die Aktivitäten der gesamten Friedensbewgung nahmen wieder zu als 1985 neue Verhandlungsangebote des neuen sowjetischen Generalsekretärs Gorbatschow die Raketenfrage wieder auf die Tagesordnung der internationalen Politik gesetzt hatten. Erneut kam es zu großen Aktionen der Friedensbewegung in Hasselbach 1986 und Bonn 1987 aber auch an den Stationierungsorten in Baden-Württemberg wie z.B. beim internationalen Olof-Palme-Marsch nach Heilbronn.

Auf Abrüstung folgt "Nachrüstung"
Die großen Anstrengungen der Friedensbewegung der 80er Jahre trugen dann 1987 tatsächlich ihre Früchte: In Washington unterzeichneten die USA und die Sowjetunion das Abkommen zur Beseitigung der atomaren Mittelstreckenraketen. Der Kampf gegen die Raketenstationierung hatte entscheidend zum ersten wirklichen Abrüstungsschritt in der Geschichte seit dem zweiten Weltkrieg beigetragen. Ein Jahr später, am Antikriegstag 1988 begann auf der Heilbronner Waldheide der Abzug der ersten Pershing II Raketen. Die verurteilten FriedensblockierInnen mußten indessen noch lange auf ihre Rehabilitierung warten. Erst am 15. 3. 1995 sollte sich das Bundesverfassungsgericht zu dem Grundsatzurteil durchringen, daß das Sitzen auf der Straße keine gewaltsame Nötigung bedeutet.
Trotz dieses späten Erfolgs war weder für die Friedensbewegung noch für die VVN - Bund der Antifaschisten der Kampf gegen Aufrüstung und Krieg zu Ende. Mit immer neuen Aufrüstungsmaßnahmen, im Weltraum und am Boden versuchte der Westen sein Konzept der atomaren Erstschlagsfähigkeit umzusetzen.
Erst mit dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten, entfiel auch im Westen die weitere Versuchung atomare Erstschlagskonzepte praktisch umzusetzen.

Golfkrieg und "Neue Weltordnung"
Aber auch dies brachte keine Atempause für die Friedensbewegung. Die neue Weltordnung begann mit einem Paukenschlag. Mit dem Golfkrieg 1991, der 200000 Opfer forderte, demonstrierten die USA, daß sie diese neue Weltordnung als das Recht des Stärkeren verstanden, seine Interessen mit militärischer Gewalt durchzusetzen. Wieder war die Friedensbewegung und mit ihr die VVN-BdA zu Hundertausenden auf der Straße.

Zur gleichen Zeit begann man auch im neuen, größeren Deutschland sich auf die neue Weltordnung einzurichten. Zug um Zug wurde damit begonnen, die Bundeswehr von allen militärischen und politischen Beschränkungen, die ihr bis dahin nur den Einsatz zur Verteidigung erlaubten zu befreien. Die mit dem 2 + 4 Vertrag verbundene zahlenmäßige Reduzierung der Bundeswehr wurde nicht zur Abrüstung, sondern zur Umstrukturierung, Modernisierung und einer neuen Aufrüstungswelle genutzt. Sogenannte Krisenreaktionskräfte wurden aufgestellt, die in der Lage sind, schnell und effizient an jedem beliebigen Punkt der Erde militärisch einzugreifen. Fast jede Konflikt und Krisensituation wurde genutzt um die Beteiligung der Bundeswehr an internatinalen Militäroperationen ins Spiel zu bringen.

Kriegseinsätze: Neue deutsche Normalität
Die Bundeswehr bestritt ihre ersten Auslandseinsätze im Irak, in Kambodscha, in Somalia zunächst noch unter dem Dach der UNO als friedenserhaltende Blauhelmmissionen.
Nach und nach werden daraus veritable Kampf- und Kriegseinsätze ohne jedes UNO Mandat. Zunächst im Rahmen der NATO in Jugoslawien und auch schon mal ohne jede internationale Einbindung in Albanien.

Die Vorgabe dazu findet sich in den ‚verteitigungspolitischen Richtlinien der Bundesregierung von 1992: Die "Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zuggangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt" werden darin zur Aufgabe der Bundeswehr erklärt. Gedeckt wird diese Politik durch eine der massivesten Rechtsbeugungen der Nachkriegsgeschichte: Die damals erkämpfte klare Bestimmung des Grundgesetzes: "Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt" wurde in einem haarsträubenden Urteil des Bundesverfassungsgerichtes 1992 uminterpretiert: Außer zur Verteidigung kann die Bundesregierung nun zu jedem Zwecke Militär einsetzen, für den es eine einfache Mehrheit im Bundestag gibt. Eine der wichtigsten Lehren aus Faschismus und Krieg, die Begrenzung der deutschen militärischen Ambitionen wurde durch einen 4 zu 4 Richterspruch zur Makulatur gemacht.
Parallel zu dieser juristischen Kriegsvorbereitung, wird sie auch praktisch betrieben. Mit Rüsttungsprojekten wie dem Eurofighter, Großraumflugzeugen, Satelittensysteme und einem gigantischen Flottenbauprogramm, wird aufgerüstet und gleichzeitig die deutsche rsp. Europäische Rüstungsindustrie reorganisiert.
Im Rahmen der NATO und der EU werden schnelle Eingreiftruppen aufgebaut. Die gefährlichste davon entsteht im Schwarzwaldstädtchen Calw: Das Kommando Spezialkräfte, (KSK) das dafür konzipiert ist, unter alleinigem deutschen Kommando auf fremdem Boden und hinter feindlichen Linien - also eindeutig völkerrechtswidrig - , Kommandounternehmen in Rambomanier durchzuführen.
Von Anfang an kämpft die VVN-BdA gemeinsam mit der Friedensbewegung gegen dieses Wiedererwachen des deutschen Militarismus und deutscher Weltmachtpläne.
Die Demonstration zum 50. Jahrestag der Befreiung 1995 in Karlsruhe auf der u.a. der VVN-BdA Ehrenvorsitzende Alfred Hausser spricht, wird zum Impuls dafür, die Tradition der Ostermärsche, die einige Jahre ausgesetzt worden war, neu aufzunehmen. Einer der ersten neuen landesweiten Ostermärsche führt 1997 nach Calw, dem Standort des Kommando Spezialkräfte, der Vorhut der neuen Bundeswehr.

Neuer Krieg von deutschem Boden
Alle diese Schritte zur Remilitarisierung der deutschen Außenpolitik wurden von einer Regierungskoalition der CDU mit der FDP getragen. Der endgültige Bruch mit dem Nachkriegsgebot "Nie wieder Krieg von deutschem Boden, wird ausgerechnet von der 1998 neu gewählten rot-grünen Regierung vollzogen: Unter dem Vorwand, die Menschenrechte im Kosovo wieder herstellen zu wollen, beteiligte sich Deutschland am Bombenkrieg gegen Jugoslawien. Zum dritten Mal im 20. Jahrhundert bombardieren deutsche Flugzeuge im Frühjahr 1999 Belgrad.
Außenminister Fischer blieb es vorbehalten diesen bisher wohl dramatischsten Tabubruch der Nachkriegsgeschichte ausgerechnet mit den Erfahrungen von Auschwitz zu begründen. Die VVN-BdA gehörte von Anfang an zu den Initiatoren und Organisatoren der sofort einsetzenden Antikriegsbewegung, die sich schon am ersten Kriegstag mit Demonstrationen und Kundgebungen entwickelte. Es folgten landesweite Demonstration zu Ostern in Strasbourg und Calw. Am Jahrestag der Befreiung demonstrierte die VVN-BdA gemeinsam mit der Friedensbewegung in Berlin und Stuttgart gegen den Krieg.
Fischers Auschwitzvergleich wiesen die Überlebenden Naziverfolgten in einer gemeinsamen Initiative von VVN-BdA und Auschwitzkomitee die in Zeitungsanzeigen und Flugblättern verbreitet wurde, entschieden zurück. Schließlich war Fischer gezwungen, seinen Vergleich zu widerufen.
Die Bewegung gegen den ersten Krieg, der von einer deutschen Regierung offen mitgetragen und geführt wurde, war deutlich schwächer, als die Bewegung gegen den us geführten Golfkrieg, wenige Jahre zuvor. Dennoch zeigte sie Wirkung. Trotz einer fast unterschiedslosen Kriegsunterstützung durch die Massenmedien schlug die Stimmung in der Bevölkerung niemals in Kriegsbegeisterung um. Während sich zu Beginn des Krieges eine knappe Mehrheit der Bevölkerung zustimmend zu Krieg und Kriegsbeteiligung der Bundesrepublik äußerte, fand sich am Ende des Krieges keine mehrheitliche Zustimmung mehr.
Aufgerüttelt von dieser Erfahrung des ersten erneuten Krieges von deutschem Boden setzte die Landeskonferenz der VVN-BdA Baden Württemberg im Februar 2000 einen eideutigen Schwerpunkt für die künftige Arbeit der Vereinigung: "Es gibt nichts wichtigeres als den Frieden. ... Unsere vorrangige Aufgabe in den nächsten Jahren ist es, die Friedensbewegung zu stärken. ... "

Stoppt die Spirale der Gewalt
Das erwies sich als dringend erforderlich: Die grauenvollen Terroranschläge am 11. September in New York und Washington wurden zum Anlaß und Vorwand für neuen Krieg. Die Bundesregierung erklärte ihre "uneingeschränkte Solidarität" mit dem offenen Kriegskurs der US-Regierung und ihrem Krieg gegen Afghanistan.
Wie im ganzen Bundesgebiet kam es auch in Baden-Württemberg zu spontanen Aktionen der Friedensbewegung, die neben der Trauer um die Opfer des 11. 9 vor allem auch von der Angst vor der offen angekündigten militärisch, kriegerischen Antwort der USA und der westlichen Regierungen.
Ähnlich wie während des Jugoslawienkrieges formierte sich eine schnell wachsende Antikriegsbewegung, die in allen Teilen des Landes mit öffentlichen Aktionen, Demonstrationen Kundgebungen und Mahnwachen auf die drohende Kriegsgefahr reagierte.
Auch dabei spielten VVN-BdA und ihre Mitglieder eine aktive und häufig initiierende Rolle.
Für den 13. Oktober rief die Friedensbewegung, zu einer bundesweiten Manifestation unter dem Motto "Stoppt die Spirale der Gewalt auf". Von Anfang an unterstützte die Landesvereinigung das Friedensnetz Baden-Württemberg dabei, neben der geplanten Aktion in Berlin der Friedensbewegung eine parallele süddeutsche Aktion in Stuttgart anzubieten. Nach Kräften halfen alle Kreisvereinigungen der VVN-BdA (nicht nur in Baden-Württemberg) mit, die Aktion am 13. Oktober zu einer großen Manifestation des Friedenswillen zu machen. Als einer der ersten Redner sprach unser Bundessprecher Peter Gingold zu den insgesamt 30000 Friedensdemonstranten, die sich zunächst am Hauptbahnhof drängelten und schließlich auf dem Stuttgarter Marktplatz zu einer überzeugenden Aktion der Friedensbewegung zusammenfanden.
Am 4. Dezember rief die Friedensbewegung zu einer Demonstration nach Calw, dem Sitz des Kommandospezialkräfte der Bundeswehr auf. Dabei ging es darum, einen Kriegseinsatz deutscher Soldaten zu verhindern. Unter großem Beifall rief Landessprecher Werner Pfennig in Calw, die Regierung dazu auf, sich nicht am Krieg zu beteiligen und die Lehren aus der Geschichte zu beachten. Heute wissen wir, daß bereits zu diesem Zeitpunkt, von der Regierung dem Parlament und der Bevölkerung verschwiegen, Soldaten des KSK grundgesetz- und völkerrechtswidrig in Afghanistan Krieg führten.

Kein Blut für Öl
Der Krieg gegen Afghanistan war noch nicht beendet, als die Vorbereitungen für neuen Krieg begannen. Vor den Augen der Welt begann der Count down für den Krieg ums irakische ÖL mit der gigantischen Lüge von den Massenvernichtungswaffen des Irak.
Die VVN-BdA wird Teil einer starken internationalen Bewegung, deren Ziel es ist, dieser offenen Kriegsvorbereitung in den Arm zu fallen. Wie während der Kriege zuvor fungierte die Geschäftsstelle der VVN-BdA in Stuttgart als Drehscheibe und Organisationszentrale der zahlreichen landesweiten Aktionen der Friedensbewegung.
Die vielen Aktionen der Friedensbewegung trugen dazu bei, daß sich die deutsche Re-gierung öffentlich gegen den geplanten Krieg aussprach. Die Bundesregierung hatte sich mitten im Wahlkampf 2002 auf einen Kurs gegen den Irakkrieg festgelegt und damit diesen Krieg zum Wahlkampfthema gemacht. Tatsächlich gelang es ihr auf diese Weise schließlich, die Wahlen zum Bundestag, am 22. 9. knapp zu gewinnen. Eine Novität in Deutschland: Kriegsablehnung als erfolgreiches Wahlkampfthema.

Weltmacht Friedensbewegung
Der 15. Februar 2003 wird zu einem historischen Tag. Die Friedensbewegung hat weltweit zu Aktionen in allen Hauptstädten aufgerufen. Und in fast allen Hauptstädten der Welt, in allen Hauptstädten Europas kommt es zu den bisher größten Friedensaktionen. Weltweit wird an diesem Tag unübersehbar: Die Menschen wollen keinen Krieg. Alle bisherigen Kriegsbegründungen und Rechtfertigungen wird durch millionenfache Abstimmungen auf den Straßen jede demokratische Legitimation entzogen. Millionen und aber Millionen demonstrieren für den Frieden durch die Straßen von New York, Washington und San Francisco, durch London, Rom, Madrid ... In Deutschland nehmen eine halbe Million Menschen an der Demo in Berlin teil.
In Baden Württemberg hat die Friedensbewegung wegen der großen Entfernung nach Berlin zu regionalen Aktionen aufgerufen.
50000 Menschen in Stuttgart, jeweils Tausende auch in Freiburg, Heilbronn, Lörrach, Ulm, Biberach, Schwäbisch Hall....
An diesem Tag hat sich die Friedensbewegung als weltweit mächtige Kraft, als "Weltmacht Friedensbewegung" konstituiert.
Dennoch: Dieser bisher so nicht gekannten internationalen Welle der Antikriegsaktionen ist es nicht gelungen, den Krieg zu verhindern. Am 20. März stampfen die USA und Ihre Koalition der Kriegswilligen alle menschlichen Gesetze des Rechts und der Moral unter ihre Militärstiefel und beginnen den Krieg gegen den Irak. Auch in Baden Württemberg gibt es kaum eine Stadt, in der an diesem Tag nicht die Menschen dem Aufruf der Friedensbewegung folgen und spontane Versammlungen, Demos und Kundgebungen auf den zentralen Plätzen stattfinden.
Zwei Tage später am folgenden Samstag hat sich der Protest organisiert. In den größeren Städten des Landes finden regionale Kundgebungen und Demonstrationen gegen den Krieg statt. In Stuttgart sind es über 30000. In Städten wie Karlsruhe, Mannheim Freiburg und vielen anderen finden die größten Demonstrationen seit vielen Jahren statt.
Am 29. März folgen 10000 Menschen dem Aufruf des Friedensnetzes zur Umzingelung des Stuttgarter EUCOM.
Die Aktion wird trotz massiver behördlicher Behinderung zum bisher größten Protest,, der an diesem ständigen Kriegshauptquartier der US Army je stattgefunden hat.

Frieden braucht Bewegung
Seit 1990 erleben wir hautnah die sogenannte neue Weltordnung die der damlige Präsident George Bush senior ausgerufen hat. Immer schneller folgen die Kriege um Rohstoffe, Handelswege und Märkte aufeinander. Immer offener wird auch die deutsche Außenpolitik militärisch mit Eingreiftruppen und Militäreinsätzen gestaltet. Immer offensichtlicher formiert sich auch in Deutschland ein neualter Militarismus, der dabei mitzumischen gedenkt. Für das alte steht die Traditionspflege der Bundeswehr, die ihre Kasernen immer noch nach Kolonialkriegern und Nazigeneralen benennt, die immer noch nostalgisches Heldengedenken von Wehrmachtsverbrechern, wie alljährlich Mittenwald , unterstützt. Für das neue stehen neue Truppen wie das KSK, dessen erster Kommandeur sich als offener Bewunderer von Hitlers Wehrmacht bekannt hat.
Für das neue im deutschen Militarismus steht auch seine europäische Zurichtung im Rahmen der EU, die ebenfalls ihre Außenpolitik vorrangig militärisch An den Aktivitäten zur Verhinderung einer neuen EU-Verfassung, die alle Mitgliedstaaten zu kontinuierlicher Aufrüstung verpflichtet nimmt die VVN-BdA aktiv teil.
Die Entwicklung der letzten 60 Jahre zeigt, dass der deutsche Militarismus immer virulent und gefährlich geblieben ist. Der Kampf um Frieden wird auch in Zukunft breite Aktionen und einen langen Atem brauchen. Die VVN-BdA wird als Organisation in der Tradition der antifaschistischen Widerstandskämpfer, die damals wie heute ihren Mut, ihre Unermüdlichkeit und ihre Ideale bewahrt haben, weiterhin dazu beitragen.

VVN-Logo www.vvn-bda-bawue.de © 1997 - 2007 www.josef-kaiser.eu