VVN-Logo VVN-BdA Baden-Württemberg, Böblinger Strasse 195, D-70199 Stuttgart / Tel. 0711/603237 Fax 600718 02.09.2007
antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 1 / Mai 2007



Eine Ausstellung beweist ihre Aktualität:

Neofaschismus in Konstanz

VVN-BdA Konstanz

Es ist nichts wirklich Neues: Naziaktivitäten überall, aber niemand schaut hin. Am Bodensee haben die Aktivitäten in den letzten zwei Jahren stark zugenommen: Gründung und Wiedergründung einer NPD-Ortsgruppe, zwei Nazidemos in zwei Jahren, mehrere Kundgebungen, Gründung eines JN-Stützpunkts in Friedrichshafen, inzwischen auch in Konstanz. Sie tauchen bei Veranstaltungen auf, in Lindau schlagen sie einen Jugendlichen ins Koma. Die Naziszene am Bodensee ist gut vernetzt, auch in die Schweiz. Die Berichterstattung der lokalen Presse schert sich kaum drum. Die Zeit war reif für die Neofaschismus-Ausstellung. Allerdings scherte sich die lokale Presse auch nicht um eine Ankündigung, geschweige denn einen Artikel. Der Oberbürgermeister von Konstanz hatte die Schirmherrschaft übernommen, vier informative Veranstaltungen standen an, der Lokalzeitung gelang es nicht einmal, eine Ankündigung abzudrucken. Nachdem die Eröffnungsveranstaltung, ein Vortrag über Neonazis in Süddeutschland und eine antifaschistische Lesung nicht im Südkurier aufgetaucht waren, konnte nur mehr von Absicht gesprochen werden.

Boykott der Lokalpresse
Dennoch wurde die Ausstellung ein Erfolg. Schon die Eröffnungsveranstaltung war gut besucht, die Vorträge ebenso. Eröffnet hat die Ausstellung für die VVN-BdA Esther Broß, Mitglied des Bundesausschuss. Zwei Vorträge, eine Lesung und eine Diskussionsveranstaltung begleiteten die Ausstellung. Robert Andreasch, Journalist für das Antifaschistische Infoblatt und den Rechten Rand, sprach informativ über Neofaschismus in Süddeutschland. Speziell in Bayern, so Andreasch, würden NPD und Freie Kameradschaften sich vernetzen und in vielen Bereichen - Mobilisierung, Werbung, Veranstaltungen - zusammenarbeiten. Ein lokaler Antifaschist ergänzte den Vortrag mit Informationen über die Neonaziszene am Bodensee. Auch hier nehmen die Aktivitäten zu, und auch hier ist eine Vernetzung über den See hinweg und zwischen Partei, Kameradschaften und "loser Szene" zu bemerken. Zwei Demonstrationen in Friedrichshafen, die mit Unterstützung aus Bayern durchgeführt worden waren, hatten den Neofaschisten die Gelegenheit dazu geboten. Andreasch konnte mit Informationsfülle beeindrucken.
Eine Lesung antifaschistischer Literatur am Donnerstag zog ein eher bürgerliches Publikum an. Ein Schauspieler des Stadttheaters las aus Brecht, Grass und Valentin.

"Besuch" von Neonazis
Der wirkliche Schock sollte allerdings erst später kommen: die Diskussionsveranstaltung, bei der Schüler über Möglichkeiten, dem Neofaschismus zu begegnen, diskutieren sollten, wurde von 20 Neonazis überfallen. Gerade hatte der Organisator der Ausstellung, Thomas Weisz, einleitende Worte gesagt, als von der Tür der Ruf "Faschos!" klang. Eine Teilnehmerin war gerade zufällig im Foyer des Bürgersaals gestanden, hatte die vermummten Neonazis rechtzeitig erblickt. Schnell reagierten einige andere Gäste und drückten von innen gegen die Tür, gerade noch rechtzeitig. Da einer der Angreifer aber seinen Fuß in die Tür gestellt hatte, konnte sie nicht geschlossen werden; die Teilnehmer hielten ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest, während die Angreifer von außen traten und schlugen. Als die Polizei eintraf, nahm sie 11 Beteiligte fest. Sie erwartet nun eine Anzeige wegen Landfriedensbruch. Die Schüler waren sichtlich geschockt, setzten die Veranstaltung aber fort. Die Diskussion drehte sich hauptsächlich um die Frage des NPD-Verbots, aber immer wieder kamen die Schüler auf grundsätzlichere Fragen zu sprechen: Welche Rolle spielen soziale Verhältnisse bei der Ausbreitung des Rechtsextremismus? Wie weit sind extrem rechte Vorstellungen in der Bevölkerung verbreitet? Und können wir, wenn wir vom Faschismus reden, vom Kapitalismus schweigen?
Die nächsten Tage der Ausstellung fanden unter Polizeischutz statt. Allerdings waren die Neonazis weit davon entfernt, irgendwelche Ziele zu erreichen, welche auch immer sie gehabt haben mögen. Sie kamen nicht in die Veranstaltung, sie erwartet eine Anzeige, die Schüler waren erschrocken, hatten aber die Gefahr, die von den Neofaschisten ausgeht, am eigenen Leib erlebt, haben sich aber davon nicht einschüchtern lassen. Und: auch der Lokalpresse gelang es nicht mehr, die Ausstellung zu ignorieren. Ein großer Artikel zeigte die Wichtigkeit und Aktualität der Ausstellung. In der zweiten Woche stiegen die Besucherzahlen an, was aber auch daran lag, dass einige bereits vorher informierte Lehrer mit ihren Schülergruppen kamen. Einige Gruppen von Schülern und Patienten des Zentrums für Psychiatrie Reichenau kamen auch in den Genuß einer Führung durch die Ausstellung durch Antifaschisten. Ein letzter Vortrag widmete sich dem Thema des rechten Gedankenguts in der Esoterik. Claudia Barth konnte mit einer unglaublichen Fülle an Informationen und Zitaten, dass rechtes Gedankengut kein Randphänomen in der esoterischen Szene ist und dass diese Szene generell durch ihre einfachen Welterklärungen, autoritären Vorstellungen und Irrationalismen anfällig ist für rechtes Gedankengut.
Auch ein sehr kurzer Besuch einer Handvoll jüngerer Neonazis am letzten Tag, die sich, nachdem ihnen eine Antifaschistin entschlossen entgegentrat, schnell wieder verzogen, konnte den Erfolg der Ausstellung nicht trüben. Hohe Besucherzahlen, volle Veranstaltungen und ein vereitelter Angriff sind das Resümee einer Ausstellung, die erfolgreich die Aktualität und Brisanz des Neofaschismus aufzeigen konnte.

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