VVN-Logo VVN-BdA Baden-Württemberg, Böblinger Strasse 195, D-70199 Stuttgart / Tel. 0711/603237 Fax 600718 02.09.2007
antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 1 / Mai 2007



Erfolg im Anti-Hakenkreuzskandal:

Schallende Ohrfeige für Stuttgarter Staatsanwaltschaft und Landgericht

Reinhard Hildebrandt

Der Bundesgerichtshof hat die unsäglichen Nachstellungen und Schickanen gegen Antifaschisten wegen Verwendung durchgestrichener Hakenkreuze und ähnlicher Symbole endlich gestoppt. Der Bundesvorsitzende der VVN-BdA Werner Pfennig begrüßte in einer Pressemitteilung die Entscheidung des BGH, dass ein durchgestrichenes Hakenkreuz kein verbotenes Kennzeichen ist. Außer ihm waren auch Landessprecher Reinhard Hildebrandt und Silvia und Dietrich Schulze von der Kreisvereinigung Karlsruhe als Prozessbeobachter anwesend.

In einem Urteil vom 15. März 2007 hob der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 29. September 2006 auf, das den Vertrieb eindeutiger Anti-Nazi-Symbole durch die "Nix-Gut-GmbH" in Winnenden als Straftat gewertet hatte. Der Geschäftsführer Jürgen Kamm betreibt ein Unternehmen, das Artikel für die Punkerszene wie CDs, Kleidungsstücke, Aufkleber u. ä. über ein Ladengeschäft und einen Versandhandel betreibt. Bei einer Durchsuchung am 23. August 2005 wurden zahlreiche Artikel mit antifaschistischen Symbolen beschlagnahmt.
Ziemlich einmalig dürfte es sein, dass sich der Verteidiger von Jürgen Kamm, als auch der Bundesstaatsanwalt und der Vorsitzende Richter einig über die Aufhebung des unsäglichen Urteils waren.
Das Karlsruher Gericht stellte fest, dass die Distanzierung von Nazizeichen und eine klare Gegnerschaft zu faschistischen Inhalten unübersehbar sind.

Verfolgungswahn des Staataanwaltes
Als Rechtsgrundlage der Stuttgarter Juristen, die mit dem BGH-Urteil eine schallende Ohrfeige erhielten, musste damals Paragraf 86 a des Strafgesetzbuches herhalten, der die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und die Verbreitung von Nazipropaganda unterbinden soll. Dass dieses Gesetz vom Landgericht ausgerechnet gegen antifaschistische Symbole zum Einsatz kam, auf denen Hakenkreuze zerschlagen oder in einem Verbotsschild dargestellt waren, zeugte einmal von der absurden Rechtsauffassung der Stuttgarter Richter, zum anderen auch von einem politischen Klima, das Anti-Nazi-AktivistInnen systematisch zu kriminalisieren versucht. Es war höchste Zeit, dass Staatsanwalt Bernhard Häußler, der die Verfolgung von Antifaschisten statt von SS-Mördern auf seine Fahnen geschrieben hat, in seinem Wahn gestoppt wurde.

Heiterkeit über Stuttgarter Gehirnakrobatik
Bei der Beweisaufnahme des BGH riefen die kruden Gedankengänge des Stuttgarter Landgerichts Gelächter beim Vorsitzenden Richter und den Zuhören im Gerichtssaal hervor. Beispiele: Ein Hakenkreuz im Verbotszeichen ist nicht eindeutig und könnte missverstanden werden; ein Hakenkreuz im Verbotszeichen könnte geradezu eine Aufforderung zum Faschismus sein.
Bei dem "Mach mit" - Männchen ist nicht klar ersichtlich, ob das Hakenkreuz in die Mülltonne geworfen wird oder aus dieser herausgenommen wird, sozusagen aus dem Papierkorb der Weltgeschichte wieder herausgeholt wird. zu. Das "Mach mit" - Männchen könnte mit der erhobenen Hand, missverstanden werden, dass es mit dem "deutschen Gruß" dem Hakenkreuz salutiert. Ein CD-Cover, das einen Stiefel zeigt, der ein Hakenkreuz zertrümmert, beschreibt das Landgericht so: "Ein beschuhter Fuß verdeckt teilweise das Hakenkreuz". Bei einem Aufkleber "Kein 4. Reich" mit einem zerstörtem Hakenkreuz glaubt das Landgericht Stuttgart: Man könne die Bildaussage als Zustimmung zum Naziregime verstehen nach dem Motto: Für mich ist das Dritte Reich nicht untergegangen, und deshalb will ich kein Viertes Reich. Der BGH hatte keinerlei Verständnis für derartige Gehirnakrobatik. Niemand würde auf die Idee kommen, ein Halteverbotsschild als Aufforderung zum Parken zu verstehen - außer der Stuttgarter Staatsanwaltschaft vielleicht. Piktogramme sind nüchterne Zeichen, die ohne Wort und Text zur Verständigung dienen, da sie eine feste Bedeutung haben. Auch das durchgestrichene Hakenkreuz ist eine piktografische Aussage mit eindeutiger Aussage. Und genauso verhält es sich mit dem Hakenkreuz, das bildlich in eine Mülltonne fliegt. Der BGH stellte dazu in seinem Urteil fest: "Dieses Symbol zeigt im allgemeinen eine stilisierte Figur, die einen Abfallgegenstand mit ausgestrecktem Arm in einen Abfallbehälter wirft und so zur Sauberhaltung etwa von Parkanlagen auffordert. Auf vom Angeklagten vertriebenen Artikeln wurde dieses Symbol dahin abgeändert, dass der Abfallgegenstand durch ein Hakenkreuz ersetzt wurde, um ersichtlich zum Ausdruck zu bringen, dass dieses nichts wert und daher wegzuwerfen sei. Die offensichtlich rechtsextreme Gruppe ‚Nationaler Widerstand hat nun diese veränderte Darstellung mit Hakenkreuz übernommen, aber mit der Überschrift ‚Ihr stimmt uns heiter' und der Unterschrift ‚der Nationale Widerstand marschiert geschlossen weiter!' versehen. Damit hat diese Gruppe nicht die vom Angeklagten verwendete Darstellung gebraucht, sondern diese durch den Begleittext so verändert, dass sie einen entgegengesetzten Sinngehalt bekommen hat." - und der ist natürlich nach § 86 a StGB strafbar.

Klarer Erfolg für die Antifaschisten
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes betrachten wir als klaren Sieg für die antifaschistische Bewegung und als Maulschelle für Polizei und Staatsschutz, Staatsanwälte und Richter, die versuchen, Engagement gegen Nazis zu kriminalisieren.
Besonders im Südwesten der BRD kam es in den vergangenen Jahren in wachsendem Maß zu willkürlicher Repression gegen AntifaschistInnen, die wegen durchgestrichenen oder zerschlagenen Hakenkreuzen angeklagt wurden. Immer wieder wurden hauptsächlich junge Menschen kontrolliert und entsprechende Aufnäher und Buttons beschlagnahmt, mit denen sie ihre antifaschistische Haltung zum Ausdruck bringen wollten. Dem dürfte vorerst ein Riegel vorgeschoben sein.
Wir denken, dass der Freispruch für Jürgen Kamm vor allem der breit gefächerten Solidarität geschuldet ist. Der BGH sah wohl keine andere Möglichkeit, einen internationalen Skandal zu stoppen, der von unterwürfigen Beamten und willfährigen Vorinstanzen in Szene gesetzt worden war. "Ende einer Groteske" titelten die Medien.
Zur Entscheidung über die Verpflichtung zur Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen ist das Landgericht zuständig. Wir dürfen gespannt sein, ob die Richter ihre Lektion gelernt haben. Das BGH-Urteil dürfte auch positive Folgen in einem anderen Fall haben. Am 10. Januar 2007 wurde der 28-Jährige David G. vom Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen ebenfalls wegen Verstoßes gegen den Paragrafen 86 a Strafgesetzbuches zu einer Geldstrafe über 600 Euro verurteilt Bei einer Polizeikontrolle in Mittenwald fanden Polizeibeamte des Staatsschutzes in seinem Rucksack Flugblätter, die das Titelbild des im Buchhandel frei erhältlichen Buches "Feindaufklärung und Reeducation" abbilden, das Islamisten beim Zeigen des Hitlergrußes zeigt. Geworben wurde für eine Lesung mit dem Autor des Buches, Stephan Grigat. Sowohl aus den Flyern wie auch aus dem Buchtitel (Untertitel: "Kritische Theorie gegen Postnazismus und Islamismus") geht eindeutig hervor, dass der Inhalt in einem klar erkennbaren antifaschistischem Zusammenhang steht. Das Buch erschien im Freiburger Verlag "ca ira" und wurde laut Impressum mit der finanziellen Unterstützung des Österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur gedruckt. Das alles hielt das oberbayrische Amtsgericht jedoch nicht davon ab, ein Anti-Nazi-Gesetz gegen Nazigegner anzuwenden, und David G. wegen der Abbildung hitlergrüßender Islamisten zu verurteilen. Zur Kriminalisierung von antifaschistischer Symbolik und antifaschistischen Veranstaltungsflyern wurde der § 86 a StGB nicht geschaffen. Der Verurteilte legte Revision ein, die nächste Instanz wird das Oberlandesgericht München sein.
Nach dem Urteil des BGH wurden alle Verfahren, Strafanzeigen und Selbstanzeigen wegen durchgestrichener Hakenkreuze eingestellt. Der vom Innenministerium Baden-Württemberg behauptete Anstieg linksextremer Straftaten um rund 50 Prozent reduzierte sich damit auf Null, weil die angeblichen Straftaten das Zeigen und Tragen antifaschistischer Symbole waren.

VVN-Logo www.vvn-bda-bawue.de © 1997 - 2007 www.josef-kaiser.eu