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Aktionstag für Gerechtigkeit für die Opfer von Sant'Anna di Stazzema:Klagt endlich die Nazi Mörder an, statt die NazigegnerInnen zu schikanierenLV ANMehrere hundert Menschen demonstrierten am vergangenen Wochenende in Baden-Würtenberg, NRW, Hessen, Brandenburg und Hamburg für die sofortige Anklageerhebung gegen die 15 jetzt noch lebenden Kriegsverbrecher von Sant Anna di Stazzema. "Blanker, brutaler Massenmord" Vor über sechzig Jahren, am 12. August 1944, verübten Angehörige der 16. SS-Panzergrenadier-Division eins der schlimmsten Kriegsverbrechen an Zivilisten auf italienischem Boden. Auf dem Rückzug vor den alliierten Truppen ermordeten die Deutschen 560 Einwohner eines toscanischen Bergdorfes, ausnahmslos Frauen, Kinder und alte Männer. "Es bedarf keiner juristischen Klügelei, um zu erkennen, dass das, was am 12. August 1944 in Sant'Anna di Stazzema geschah, blanker brutaler Massenmord war", sagte Innenminister Schily bei seinem Besuch vor zwei Jahren - der erste offizielle Repräsentant der BR Deutschland nach über 60 Jahren. Eine Mordanklage gegen noch lebende Tatbeteiligte wäre folgerichtig die einzig mögliche rechtsstaatliche Konsequenz. Dennoch ermittelt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft seit Oktober 2002, ohne von der Stelle zu kommen. Gegenüber Nachfragen gibt man sich dort zwar fleißig: "Die Ermittlungen dauern noch an, ein Ende ist nicht abzusehen", begründet Tomke Beddies, die Sprecherin, die langen Zeiträume, und es ergeben sich immer wieder neue Hinweise. Dennoch ist ein Hauptverfahren auch weiterhin nicht in Sicht und die Staatsanwaltschaft verbreitet Signale, die vermuten lassen, sie sitze die "biologische" Lösung des Problems aus, so Lars Reismann vom Hamburger Initiativkreis St. Anna. Schließlich sei mit der Vorarbeit durch die italienischen Gerichte in manchen Fällen ein ganz konkreter Tatnachweis erbracht worden, und "ausreichende Hinweise" für eine Eröffnung eines Hauptverfahrens gäbe es allemal. Anstatt die Ermittlungen ins Uferlose auszuweiten solle, gerade angesichts des hohen Alters aller Beteiligten, wenigstens das Hauptverfahren in den offensichtlichen Fällen, wie dem des noch lebenden, ranghöchsten Offiziers Gerhard Sommer, eröffnet werden. Aktionen in fünf Bundesländern Vor dessen Altersresidenz in Hamburg-Volksdorf demonstrierten am 6. Mai etwa 70 Antifaschistinnen. Der rüstige Rentner war zwar ausgeflogen, was die Kundgebungsteilnehmer aber nicht davon abhielt, vor der Altersresidenz eine Gedenktafel mit den Namen der Opfer niederzulegen. Ein weiterer, in Italien wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilter ehemaliger SS-Mann lebt heute in Rümmingen bei Lörrach. Mit Transparenten, Fahnen, Megaphon und Sirene machten Antifaschisten auf die unerträgliche Situation aufmerksam, dass Georg Rauch nach über 60 Jahren in Deutschland für seine Verbrechen immer noch nicht zur Rechenschaft gezogen wurde. Der Richterspruch von La Spezia sei ein "Fehlurteil" zitierte die Badische Zeitung den Mann. Das Gericht in La Spezia gelangte allerdings zum umgekehrten Schluss: Als Bataillons-Adjutant habe Rauch die Berichte an den Kommandanten gelesen und weitergeleitet. Für Rauch, so die Richter, habe "also die Planung des Massakers von Sant" Anna direkt zu seinem Zuständigkeitsbereich gehört." Auch in Freiberg (Sachsen) und im Lißberger Stadtteil Ortenberg (Wetterau) den Wohnorten weiterer in La Spezia Verurteilter fanden Aktionen statt. Kundgebung in Stuttgart In Stuttgart hatte die VVN-Bund der Antifaschisten am 8. Mai, dem Jahrestag der Befreiung zu einer Kundgebung vor der zuständigen Staatsanwaltschaf aufgerufen. "Gerechtigkeit für die Opfer von Sant'Anna di Stazzema: Klagt endlich die Nazi Mörder an, statt die NazigegnerInnen zu schikanieren", hieß es im Aufruf dem 80 bis 100 Menschen gefolgt waren. Der ebenfalls anwesende Oberstaatsanwalt Häusler wurde aufgefordert, unverzüglich Anklage zu erheben. Bei der einstündigen Kundgebung schilderte Dietrich Schulze für die VVN-BdA das Verbrechen und den (Rück)Stand des Verfahrens gegen die Mörder. Janka Kluge legte Beispiele zur Kontinuität der "Nicht-Verfolgung" von NS-Kriegsverbrechen dar. Ein Mitarbeiter des freien Radios Stuttgart berichtete von der aktuellen, von der selben Staatsanwaltschaft betriebenen Kriminalisierung von AntifaschistInnen aufgrund des Tragens von Buttons etc. mit durchgestrichenen und zerschlagenen Hakenkreuzen. Lieder aus dem italienischen Widerstand begleiteten die Kundgebung. Zum Schluss wurde das Grußwort von Enio Mancini, einem Überlebenden und Sprecher des "Vereins der Märtyrer von Sant"Anna di Stazzema", verlesen. Die Kundgebungen bezeichnete er darin als "lobenswerten Initiative", die darauf hinweist, "wie wichtig und dringend es ist, dass auch in eurem Land weiter für die Wahrheit und für Gerechtigkeit gestritten wird." Jetzt, so Enio Mancini, "müsste auch endlich die Staatsanwaltschaft Stuttgart, so wie sie es uns seit Langem versprochen hat, ähnliche Maßnahmen in Deutschland einleiten. Doch zu unserem großen Bedauern passiert das bis heute leider noch nicht. Nachdem 60 Jahre lang Gerechtigkeit verweigert wurde, scheint es leider, als würde man weiterhin den historischen und moralischen Wert dieser Prozesse unterbewerten, obwohl sie doch die einzige Möglichkeit darstellen mit Nachdruck zu bekräftigen, dass Niemand, egal welcher Armee oder Miliz er angehört, an keinem Ort der Welt, angesichts solcher Verbrechen glauben darf, ein Recht auf Straffreiheit zu haben." Zum Abschluss bekräftigten die teilnehmerInnen vor der Stuttgarter Staatsanwaltschaft die Forderung nach der Verfolgung der Täter und forderten den anwesenden Oberstaatsanwalt Häusler auf, unverzüglich Anklage zu erheben. Briefwechsel mit dem Justizminister:
Die VVN-Bund der Antifaschisten hatte sich in der Sache Sant'Anna im Juli mit einem Brief an den baden-württembergischen Justizminister Goll gewandt. Der Brief wurde auch den Landtagsfraktionen zur Kenntnis gebracht. Darin heißt es unter anderem: | |||
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