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Nummer 3 / August 2006



Alfred-Hausser-Preis 2006:

Zwangsarbeit im Rhein-Neckar-Raum. Eine andere Heimatgeschichte

Ein Projekt der Integrierten Gesamtschule Mannheim-Herzogenried
LV

Aus derLaudatio von Ch. Jetter:

Der Namensgeber
... Alfred Haussers Kopf und Herz gehörten der Arbeiterbewegung, in der er sein Leben lang zu Hause war. Gekämpft hat er gegen den heraufziehenden Faschismus - in der Legalität vor, in der Illegalität nach der Machtübergabe an die Nazis, im Zuchthaus und dem damit verbundenen Terror der Isolierhaft und der Ausbeutung als Zwangsarbeiter für einen jener Konzerne, die zu den Profiteuren des 1939 von Deutschland ausgegangenen Eroberungskrieges gehören. Gesundheitlich schwer geschädigt, nahm er nach dem Scheitern aller Hoffnungen auf den Aufbau einer neuen Gesellschaft im Deutschland nach Hitler in der VVN den Kampf um die Anerkennung und Entschädigung der rasch beiseite geschobenen, bald schon wieder diskriminierten Opfer des Faschismus auf.
Dieser Kampf wurde zum großen Thema seines Lebens nach der Befreiung. Alfred Hausser hat ihn über Jahrzehnte hinweg nicht nur für Tausende Betroffene gegen Bürokratie und Ausgrenzungspolitik bis hinein in jene letzten 15 Jahre seines Lebens geführt, in denen er nochmals alle physischen und intellektuellen Kräfte für die Durchsetzung einer Entschädigung für die ehemaligen Zwangsarbeiter mobilisiert hat. Alfred Hausser hat Zeit seines Lebens gegen Unrecht angekämpft, besonders leidenschaftlich aber gegen jenes doppelte Unrecht, mit dem nach den Verfolgungsjahren das Schicksal, die Leiden und die Geschichte der toten und überlebenden Opfer des Faschismus im Sumpf der Gedächtnislosigkeit und der Missachtung entsorgt werden sollten.
Der zweite Aspekt ist: Alfred Hausser hat als Leitlinie aus seinen eigenen Erfahrungen in der Geschichte in mehr als acht Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, auch und gerade nach erlebten Niederlagen und Enttäuschungen unentwegt verfochten, ja gepredigt: "Wir müssen aus der Geschichte lernen!" Das hieß für ihn zweierlei: die Ursachen des verhängnisvollen Wegs in den Faschismus erkennen, um dessen Wiederkehr - egal in welchem Gewand - verhindern zu können; zum Anderen, gegen das Vergessen der Opfer, zumal derer, die Widerstand geleistet haben, aber auch gegen das Vergessen der Verbrechen und der Täter des Faschismus anzukämpfen. (...)

Die Preisträger
(...) Wie man dies anpacken kann, zeigt uns das Projekt Zwangsarbeit an der Integrierten Gesamtschule Mannheim-Herzogenried, an dem seit nunmehr 15 Jahren Schülerinnen und Schüler der Klassen 9 bis 13 teilnehmen. Teilprojekte der zurückliegenden Jahre haben bereits zu einer Buchveröffentlichung und zu Videofilmen geführt, die auf den langjährigen Kontakten zu ehemals deportierten Männern aus den Lothringischen Vogesen basieren. Wir werden anschließend wohl einige Beispiele sehen. Die gegenwärtig aktive Projektgruppe setzt diese Besuchsfahrten fort, führt Interviews und entwickelt derzeit aus den Erinnerungen von fast 30 ehemaligen Zwangsarbeitern eine Internetpräsentation. Geplant ist auch eine französische Version dieses Internetauftritts. Einbezogen in dieses Vorhaben sind noch nicht veröffentlichte Tagebücher von ehemaligen Zwangsarbeitern bei der Firma Lanz und weitere Aufzeichnungen zum ehemaligen Standort Heidelberg, auch Interviewaufzeichnungen zu anderen Unterbringungsorten. Am Ende soll der Internetauftritt unter der Überschrift "Zwangsarbeit im Rhein-Neckar-Raum - eine andere Heimatgeschichte" Bestandteil der Homepage der Gesamtschule Mannheim-Herzogenried werden. Die Projektgruppe plant zudem, alle betroffenen Kommunen aufzufordern, auf ihren Internetseiten Links zur Website des Projekts herzustellen.
Die auf dem jahrelangen Kontakt zu den Zeitzeugen aufbauende Recherche, die beharrliche Pflege dieser persönlichen Beziehungen und die Verlängerung des Projekts auf die aktuelle Ebene sowohl des Internet-Mediums wie der kommunal Verantwortlichen haben den Beirat davon überzeugt, dass das Projekt "Zwangsarbeit im Rhein-Neckar-Raum - eine andere Heimatgeschichte" ein würdiger Träger des erstmals verliehenen Alfred-Hausser-Preis ist.
Das Projekt ist nach unserer Beurteilung ein Beispiel für die erwähnte, dringend nötige "Geschichtsschreibung von unten" - es berichtet von der Erfahrung derer, die am "siebentorigen Theben der NS-Zwangsarbeit" mitarbeiten mussten und es hilft, diese Erfahrung zugänglich zu machen und zugänglich zu halten. Im Namen des Beirats wünsche ich der Projektgruppe und deren Leiter, Herrn Koppenhöfer, allen Erfolg auf dem noch zurückzulegenden Weg bis zur fertigen Internetpräsentation.

Christoph Jetter führt die Arbeit Alfred Haussers in der IG ehemaliger Zwangssarbeiter weiter und ist Mitglied im Beirat des Preises

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