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Nummer 2 / Mai 2006



Bundesweiter Aktionstag für die sofortige Anklageerhebung gegen NS-Täter

Die Mörder von Sant'Anna di Stazzema sind unter uns

LV

Am Samstag vor dem 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Faschismus, planen regionale Gruppen und Initiativen einen gemeinsamen Aktionstag in Hamburg, Wollin/Brandenburg, Düsseldorf, Dortmund, Krefeld, Freiberg, Ortenberg/Frankfurt und Rümmingen/Freiburg. In all diesen Orten leben ehemalige Angehörige der 16. SSPanzergrenadier-Division, die 2005 in Italien als Kriegsverbrecher zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden sind. Am 8. Mai werden wir zudem vor der zuständigen Staatsanwaltschaft in Stuttgart einfordern, dass die längst überfälligen Strafverfahren gegen Kriegsverbrecher schleunigst eröffnet werden, solange die damaligen Mörder noch belangt werden können. Die Massaker und die hierfür Verantwortlichen sind nicht vergessen.

Das Massaker von Sant'Anna di Stazzema
Am 12. August 1944 überfielen 300 Angehörige der 16. Panzergrenadier-Division "Reichsführer SS" das toskanische Dorf Sant'Anna di Stazzema und ermordeten 560 Einwohner: Kinder, Frauen und alte Männer. Das zweitgrößte Massaker an der italienischen Zivilbevölkerung, legitimiert als vermeintlicher Vergeltungsschlag gegen Partisanen, war nicht das einzige Massenverbrechen der SS-Division. Insgesamt wurden durch diese Division in 250 Dörfern Mittel- und Norditaliens 2.000 Zivilisten umgebracht. Das grausame Massenverbrechen in Sant'Anna war Teil der nationalsozialistischen Mordstrategie im Vernichtungskrieg, der vor allem in Osteuropa, aber auch in den besetzten Ländern Süd- und Westeuropas stattfand. Die meisten dieser Verbrechen sind bis heute ungesühnt geblieben.

Der Prozess in Italien
Bis 1994 waren die entscheidenden von den Alliierten zusammen getragenen Ermittlungsakten vor allem aus Gründen der Nato-Partnerschaft bei der Militärstaatsanwaltschaft in Rom zurück gehalten worden. Nachdem die Akten gesichtet und neue Ermittlungen eingeleitet wurden, fanden und finden Prozesse wegen Massakern in Italien statt. Im April 2004 wurde vor dem Militärgericht in La Spezia der Prozess wegen des Massakers in Sant'Anna eröffnet. Verhandelt wurde in Abwesenheit der Angeklagten, die alle in Deutschland leben.
Am 22. Juni 2005 verurteilte das Gericht alle zehn Angeklagten zu lebenslanger Haft und zu Zahlung von Entschädigung. Damit wurden erstmals einige der deutschen Täter beim Namen genannt: Werner Bruß, Alfred Mathias Concina, Ludwig Göring, Karl Gropler, Georg Rauch, Horst Richter, Heinrich Schendel, Gerhard Sommer, Alfred Schöneberg und Ludwig Heinrich Sonntag. Erstmals können nach 61 Jahren die Überlebenden und Angehörigen der Ermordeten von Sant'Anna von Gerechtigkeit sprechen, da mit diesem Urteil festgestellt und anerkannt wurde, dass es sich weder um eine militärische noch um eine Aktion im Zuge der Partisanenbekämpfung gehandelt hatte, sondern um eine vorsätzliche Mordaktion an der Zivilbevölkerung. Dennoch bleibt das Urteil bislang ohne jede Konsequenz für die Täter, da das Urteil hier nicht anerkannt wird, die Täter ihre Strafe in Deutschland somit nicht verbüßen müssen und sie auch nicht ausgeliefert werden.

Verschleppte Verfahren in Deutschland
Erst 2002 nahm die Staatsanwaltschaft in Stuttgart die Ermittlung gegen 14 ehemalige Angehörige der SS-Division auf. Trotz der Verurteilung in Italien wurde bisher keine Anklage erhoben. Die offensiv betriebene Verschleppungstaktik zielt offensichtlich darauf ab, die Ermittlungen so lange in die Länge zu ziehen bis die Beschuldigten verhandlungsunfähig oder tot sind. Die Überlebenden von Sant'Anna haben sofort nach dem Urteil in Italien in Deutschland Nebenklage eingereicht. Den Opfern, vertreten durch die Hamburger Rechtsanwältin Gabriele Heinecke, wird jedoch bis heute die Akteneinsicht verweigert und verwehrt.

Das Totschweigen durchbrechen
Während in Italien in der Zwischenzeit weitere Prozesse wegen Massakern an der Zivilbevölkerung eröffnet wurden, will die Staatsanwaltschaft in Stuttgart im Fall von Sant'Anna einfach keine Anklage erheben. Die deutschen Ermittler betrachten das Massaker als Totschlag, der verjährte wäre, und nicht als Mord, wie das italienische Gericht festgestellt hat. Dieser Totschlagargumentation gilt es öffentlich entgegenzutreten, um die Forderung der Opfer nach Gerechtigkeit endlich durchzusetzen:
Die verantwortlichen Täter müssen endlich auch in Deutschland vor Gericht gestellt werden!

(Aktuelle Informationen unter www.partigiani.de )

Am 6. Mai 2006 demonstrieren wir vor den Wohnhäusern der in Italien verurteilten Kriegsverbrecher u.a. in Rümmingen/Freiburg und am 8. Mai 2006, dem Tag der Befreiung vom Faschismus, vor der Staatsanwaltschaft in Stuttgart, um der Forderung nach einer umgehenden Eröffnung der Verfahren Nachdruck zu verleihen.

Kundgebung

8. Mai 2006,
Staatsanwaltschaft
Neckarstr. 145
17 Uhr Stuttgart

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