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Nummer 2 / Mai 2006



Demonstration gegen Berufsverbote in Karlsruhe:

Die Solidarität muss weiter gehen!

Stefan Riedel

An die 500 Menschen haben sich am gestrigen Samstag, den 25.03.2006 auch von strömendem Regen nicht abhalten lassen, gegen Berufsverbote und für die sofortige Einstellung des Realschullehrers Michael Csaszkóczy zu demonstrieren. Zu der Demonstration hatten die Landesverbände Hessen und Baden-Württemberg der GEW und das Solidaritätskomitee gegen Berufsverbote aufgerufen.

Dem VVN-BdA Mitglied Michael wird seit Beginn des Jahres 2004 die Einstellung in den baden-württembergischen Schuldienst verweigert, weil er sich in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD) engagiert, die vom Verfassungsschutz als "linksextrem" bezeichnet wird. Mittlerweile hat sich das Bundesland Hessen dem Berufsverbot angeschlossen. Auf der Demonstration bezeichnete der Europaabgeordnete Tobias Pflüger das Berufsverbot als eklatante Menschenrechtsverletzung, mit der gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen werde. Als Vertreter des Bundesvorstands der Roten Hilfe stellte Michael Dandl das Urteil in den Kontext einer zunehmenden Ausgrenzung und Kriminalisierung antifaschistischen Engagements, die sich mittlerweile bereits gegen Träger von T-Shirts mit durchgestrichenen Hakenkreuzen richtet. Eine Sprecherin der AIHD zeigte die Kontinuität deutscher Obrigkeitspolitik in der Verfolgung von Linken auf, die sich seit dem 19.Jahrhundert als roter Faden durch die unterschiedlichen Regierungssysteme ziehe. Der baden-württembergische GEW-Vorsitzende Rainer Dahlem erklärte, ein engagierter und unbequemer Lehrer sei ein besseres Vorbild für unsere Kinder als viele unsere Politerinnen und Politiker, die allen nach dem Mund reden. Ebenso wie die stellvertretende Vorsitzende der GEW Hessen Carmmen Ludwig, die das Urteil als einen Akt der politischen Justiz bezeichnete, versicherte er Michael Csaszkóczy die rechtliche und politische Unterstützung in seinem weiteren Kampf gegen das Berufsverbot. Das jetzige Urteil Am 13.03.2006 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe das Berufsverbot für rechtens erklärt - eine Entscheidung, gegen die Michael Csaszkóczy mit Unterstützung der GEW Rechtsmittel angekündigt hat. Die Urteilsgründe beschränken sich in ihrem Kern auf die Frage der Mitgliedschaft von Michael Csaszkóczy in der AIHD (Antifaschistische Initiative Heidelberg). Das "Sündenregister" des Verfassungsschutzes, die sogenannte 20-Punkte-Liste, mit der Michael Csaszkóczy vorwiegend antifaschistische Aktivitäten (Demos gegen NPD-Aufmärsche u.ä.) vorgeworfen wurden, spielt praktische keine Rolle mehr. Im Gegenteil, seine persönlichen Aktivitäten werden nahezu lobend bewerteten: "Ein engagierter Streiter gegen Rechts und für friedliche Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht". Michael Csaszkóczy sei aber sozusagen ein Wolf im Schafspelz. Das filtert das Gericht aus dem Papier der AIHD "Wir über uns" heraus, das ihm qua Mitgliedschaft in der AIHD zugerechnet wird. Daraus werde nämlich deutlich - und hier bezieht sich das Gericht auf Verfassungsschutzberichte des Bundes und des Landes Baden-Württemberg, dass der "Antifaschismus" (den das Gericht mit spitzen Fingern in Anführungsstriche setzt) das traditionelle Aktionsfeld für Anhänger und Gruppierungen des Linksextremismus sei und "sich seit jeher nur vordergründig gegen den Rechtsextremismus richte". Die von jedem Beamten/Lehrer mitzubringende Verfassungstreue wird zur Staatstreue uminterpretiert: Insbesondere moniert das Gericht, zwei Aussagen aus dem Papier der AIHD: Zum einen die Darstellung, dass es gesellschaftliche Kontinuitäten zwischen dem Nationalsozialismus und der BRD gegeben habe, zum anderen, dass im Deutschland der 1990er Jahre rassistische Übergriffe zur Normalität geworden seien. In diesen Passagen werde "die Bundesrepublik Deutschland haltlos angegriffen und diffamiert" und die "Grenzen einer legitimen Kritik unseres Staates (…) weit überschritten." Wenn solche Aussagen (die wissenschaftlich fundiert und evident sind, und gerade deshalb auch in der Öffentlichkeit präsent sind) für Angehörige des öffentlichen Dienstes nicht mehr erlaubt sein sollen, dann ist die Meinungsfreiheit tatsächlich in höchster Gefahr. Das Verwaltungsgericht schwingt sich hier zu einer Autorität in Sachen Historie auf, die versucht, eine höchst fragewürdige Version deutscher Geschichte zu verordnen. Das Urteil verletzt offenkundig grundlegende Menschen- und Bürgerrechte, insbesondere das Recht auf Meinungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und freie Berufswahl.

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