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Nummer 4 / Oktober 2005



Urteil gegen Kriegsunterstützung:

Völkerrecht gebrochen

von Frank Brendle

Die Bundesregierung hat mit der Unterstützung des Irak-Krieges das Völkerrecht verletzt. Entsprechende Vorwürfe aus der Friedensbewegung sind nun vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich bestätigt worden.

Die Leipziger Richter legten in dieser Woche die schriftliche Begründung zu einem bereits im Juni ergangenen Urteil vor. Darin werden hinsichtlich des Krieges und der deutschen Unterstützungsleistungen "gravierende rechtliche Bedenken" geäußert.

Zweigleisig gefahren
Vor knapp drei Jahren, mitten im letzten Bundestagswahlkampf, hatte sich Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) öffentlich gegen den Kriegskurs der USA gestellt und eine deutsche Beteiligung am Irak-Krieg ausgeschlossen. "Für Abenteuer stehen wir nicht zur Verfügung", erklärte Schröder. Tatsächlich ist die Bundesregierung zweigleisig gefahren: Auf diplomatischem Parkett agierte sie gegen die Kriegsvorbereitungen der USA und Großbritanniens, in der Sache gewährte sie uneingeschränkte Unterstützung, ausgenommen die direkte Entsendung eigener Soldaten. Die USA erhielten ungehinderte Überflugs- und Transitrechte im Bundesgebiet bzw. dem deutschen Luftraum; Kriegsgerät und Mannschaften wurden in Deutschland umgeladen und in Richtung Kriegsschauplatz weitertransportiert. US-Truppen trainierten auf dem Übungsplatz in Grafenwöhr den Einsatz im Irak. Damit die Kriegsvorbereitungen reibungslos vonstatten gehen konnten, bezogen 7000 Bundeswehrsoldaten Wachposten vor amerikanischen Kasernen. In Kuwait standen Spürpanzer des Typs "Fuchs" der "Koalition der Willigen" zur Verfügung. Schließlich flogen deutsche Besatzungsmitglieder weiterhin an Bord der AWACS-Aufklärungsflugzeuge der NATO mit, die von der Türkei aus den irakischen Luftraum ausspähten.
Die Friedensbewegung sah in diesen Maßnahmen einen Verstoß gegen Völkerrecht und Grundgesetz. In einem Aufruf an Soldaten der Bundeswehr wurden diese aufgefordert, "sich allen Befehlen zu widersetzen, deren Umsetzung der Vorbereitung oder Führung eines Krieges gegen den Irak dienen". Ein Major, der genau dies tat, wurde wegen Ungehorsams degradiert und zog dagegen vors Bundesverwaltungsgericht. Dieses hat jetzt die Position der Friedensbewegung bestätigt.

Schallende Ohrfeige
Im Urteil ist ausdrücklich festgehalten, daß es für den Irak-Krieg keine völkerrechtliche Grundlage gegeben hat. In bezug auf die Bundesrepublik weisen die Richter die Behauptung zurück, Deutschland sei ein neutraler Staat gewesen - ein solcher hätte nämlich die völkerrechtliche Verpflichtung, "jede Verletzung seiner Neutralität, wenn nötig mit Gewalt, zurückzuweisen". Die Bundesregierung habe aber mit ihren Unterstützungsleistungen geradezu den Zweck verfolgt, "das militärische Vorgehen der USA und des UK zu erleichtern oder gar zu fördern", schreiben die Richter.
Das von der Bundesregierung bemühte Argument, Deutschland sei nur seinen Verpflichtungen als NATO-Mitglied nachgekommen, läßt das Gericht nicht gelten. Es gebe keine Verpflichtung, "entgegen der UN-Charta und dem geltenden Völkerrecht völkerrechtswidrige Handlungen von NATO-Partnern zu unterstützen".
Das Urteil ist nicht nur für die Bundesregierung eine schallende Ohrfeige, sondern auch für den Generalbundesanwalt. Dieser hatte im März 2003 eine Strafanzeige der PDS gegen den Bundeskanzler "wegen des Verdachts der Vorbereitung eines Angriffskrieges" nicht angenommen. Es liege fern, hatte er damals geschrieben, "bloße Duldungs- oder Unterlassungshandlungen unter dem Begriff der Kriegsbeteiligung zu subsumieren". Nachdem nun ein Bundesgericht das Verhalten der Bundesregierung klipp und klar als Beihilfe zum Völkerrechtsbruch deklariert hat, darf man gespannt sein, mit welcher Begründung der Generalbundesanwalt die nächsten Anzeigen gegen führende Politiker zurückweisen wird.

Der Fall des Majors Pfaff
Die Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts bezieht sich auf den Fall eines Bundeswehrmajors, der seinen Vorgesetzten unmittelbar nach Beginn des Krieges gegen den Irak mitgeteilt hatte, er halte den Krieg für völkerrechtswidrig und werde keine Befehle befolgen, die eine Unterstützung des Krieges darstellen. Der damals 46jährige Florian Pfaff war mit der Entwicklung einer Software beschäftigt, mit der in der Bundeswehr künftig der gesamte Materialbereich gemanagt werden soll. Weil sein Kommandeur ihm keine anderweitige Tätigkeit zuweisen wollte, verweigerte Pfaff den weiteren Dienst. Er berief sich dabei auf das Soldatengesetz, demzufolge Befehle, die sich gegen das Völkerrecht richten, nicht ausgeführt werden dürfen.
Später wurde gegen den Major ein Disziplinarverfahren wegen Ungehorsams eingeleitet. Ein Truppendienstgericht degradierte ihn im Februar 2004 zum Hauptmann. Der Militärrichter behauptete, daß Pfaffs Tätigkeit in keiner Weise eine Unterstützung des US-Krieges darstelle. Außerdem leide die Funktionsfähigkeit der Armee, wenn die "Bereitschaft zum Gehorsam" fehle. Gegen dieses Urteil legte Pfaff Berufung ein - genauso wie der Wehrdisziplinaranwalt, der dem unbequemen Offizier vorwarf, "gegen soldatische Kernpflichten" verstoßen zu haben, und seine "Entfernung aus dem Dienstverhältnis" forderte.
Der zweite Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichtes gab Pfaff nun in vollem Umfang Recht. Die Richter betonten, die Pflicht eines Soldaten zum Gehorsam ende dort, wo sein Gewissen die Ausführung eines Befehls verbiete. Auch Befehle, die sich gegen die Menschenwürde oder das Völkerrecht richteten, bräuchten nicht befolgt zu werden.

Diesen Beitrag von Frank Brendle haben wir leicht gekürzt der Tageszeitung Junge Welt entnommen

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