VVN-Logo VVN-BdA Baden-Württemberg, Böblinger Strasse 195, D-70199 Stuttgart / Tel. 0711/603237 Fax 600718 02.05.2005
antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 2 / Mai 2005



Kriegsverbrecherehrung in Mittenwald?

Endlich weg damit!

LV

Pfingsten 2005: Eine Woche zuvor jährt sich der Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus zum 60. Mal. Etliche aber wurden damals nicht befreit, sondern besiegt und diese Niederlage steckt ihnen 60 Jahre später noch in den Knochen. Und so werden sich auch dieses Jahr zu Pfingsten über tausend ehemalige Wehrmachtssoldaten, gegenwärtige Bundeswehrsoldaten und ihre GesinnungsgenossInnen aufmachen zu einer Gedenkveranstaltung der ganz anderen Art: Nach Mittenwald, zum ‚Ehrenmal' der Gebirgsjäger am Hohen Brendten, wohin der Kameradenkreis der Gebirgsjäger seit 48 Jahren lädt, damit sie dort ‚ihrer' Toten aus zwei Weltkriegen gedenken. Wir finden: Sie müssen sich ihrer Täterschaft erinnern und der Opfer gedenken.
Darum sind die Gebirgsjäger seit 2002 bei ihrer widerlichen Veranstaltung nicht mehr ungestört: Vor drei Jahren enterte eine Gruppe AntifaschistInnen das traditionelle Schweinebratenessen von Gebirgsjägern im ‚Postkeller' in Mittenwald und forderte eine Gedenkminute für die Opfer der Verbrechen der Gebirgsjäger. Für diese sicherlich nicht unbillige Forderung wurden sie von Greisen mit Stühlen attackiert, aus dem Lokal geworfen und anschließend von der bayerischen Polizei für 24 Stunden in der Jugendherberge festgesetzt. In den vergangenen beiden Jahren wurde öffentlich und breiter nach Mittenwald mobilisiert:
Gegen den Skandal eines Tätergedenkens, an dem sich nicht nur die noch lebenden Täter sondern auch die Bundeswehr beteiligt, in dem unbeirrt an der Mär von Ehre und Tugend des deutschen Gebirgsjägers gestrickt wird, am generationenübergreifenden soldatischen Geist - und dies alles im Angesicht der Tatsache, dass diese Truppe während des zweiten Weltkriegs eigenhändig Massenmorde in über 50 Orten quer durch Europa verübte.
Kommeno, ein Dorf in Nordgriechenland, wo über 317 ZivilistInnen ermordet wurden und Kephalonia, eine Insel bei Korfu, auf der 5000 tausend entwaffnete italienische Soldaten hingerichtet wurden, sind von den Verbrechen der Gebirgsjäger nur die bekanntesten: Von Griechenland über den Balkan, nach Italien und Frankreich bis hinauf nach Finnland zieht sich eine breite Blutspur.
Die alljährliche Selbstvergewisserung der Gebirgsjäger an Pfingsten hat so immer auch den Charakter einer Selbsthilfegruppe für Kriegsverbrecher, ideell und ganz konkret: Hier werden Absprachen getroffen für den Fall, dass die Strafverfolgungsbehörden doch noch einmal mit einer Mordanklage an die Tür klopfen.
Darum gibt es seit zwei Jahren zu Pfingsten in Mittenwald nicht nur ‚gedenkende' Gebirgsjäger, sondern auch Veranstaltungen mit Überlebenden der Massaker der Gebirgstruppe, die so am Ort der Täter eine Stimme erhalten, es gibt Aktionen und Demonstrationen, die dazu geführt haben, dass das Gebirgsjägertreffen vom alljährlichen normalen Vorgang zum brisantesten Thema der örtlichen öffentlichen Debatten geworden ist. Aber das reicht uns nicht! Wir fordern: Weg damit! Es muss endlich Schluss sein mit dem Gebirgsjägertreffen in Mittenwald! Es muss Schluss sein mit Feierlichkeiten, bei denen Täter zu Opfern umgelogen werden! Erst dann kann die Frage eines Mittenwalder Bürgers, wie denn der antifaschistische "Sauhaufen" am besten aus Mittenwald fern zu halten sei, eine Antwort finden.
"Ich würde ja was sagen, aber dann müsste ich hier wegziehen."
Im idyllischen Mittenwald herrscht eine repressive Atmosphäre von Gewalt und Angst. Während der Demonstration am Pfingstsamstag 2004 musste sich der Theresienstadt-Überlebende Ernst Grube anhören, "man hat Euch zu vergasen vergessen". Die Wirtin einer Gaststätte fand: "Euch müsste man alle mit dem Schürhaken erschlagen" und solche Hinrichtungsphantasien sind kein Einzelfall. Wo er aber nicht freiwillig besteht, da wird der Gemeinde-Gebirgsjäger-Konsens erzwungen. Der Wirt der Halle des Mittenwalder Sportvereins, in der 2003 das Hearing mit Überlebenden der Massaker stattfand, ist anschließend von seinen Mitbürgern unter so massiven Druck gesetzt worden, dass er die zentral gelegenen Örtlichkeiten 2004 nicht mehr an die ‚angreifbare Traditionspflege' vermieten wollte. Kein Buchladen fand sich bereit, das vom AK angreifbare Traditionspflege herausgegebene Buch ‚Mörder unterm Edelweiß' in ihr Sortiment aufzunehmen. Ein Ziel unserer Aktionen ist es, den Schulterschluss von Militär und Gemeinde in Mittenwald zu brechen. Hier sehen wir taktisch auch ganz gute Chancen: Denn das ganze öffentliche Aufsehen, das das Treffen und die Gegenaktionen hervorgerufen haben, die ungenierten Äußerungen mancher Mittenwalder BürgerInnen vor laufender Kamera und die laufenden Ermittlungsverfahren wg. Kriegsverbrechen in Kommeno und Kephalonia haben bereits zu Stornierungen empörter TouristInnen geführt, die unter solchen Mörderbanden keinen Urlaub machen mögen.

Vorläufiges Programm:
  • Donnerstag 12. Mai:
    Wiederentwaffnungs-Camp in Mittenwald, ab 19 Uhr Eröffnungsveranstaltung
  • Freitag 13. Mai:
    Aktionstag im Freistaat Bayern mit mindest. zwei AK zu Militarismus und zu den Todesmärschen
  • Samstag, 14. Mai:
    10 Uhr Zeitzeugenveranstaltung u.a. mit: Livio Piccioni. Resistenza Camerino (angefragt), Bruno Pettinari Macerata Historiker (angefragt), Lipej Kolenik, Partisanenname Stanko. Anton Pecnik, Partisanenname Tine, (Beide desertierten von der Wehrmacht und schlossen sich den Kärntner Partisanen an.) Vida Obid, Mitautorin des Buches "Haiders Exerzierfeld" 15 Uhr Demonstration:
    Von verschiedenen Plätzen aus werden um 15 Uhr Sternmärsche beginnen, sie treffen sich vor der katholischen Kirche, wo um 16.30 Uhr die zentrale Abschluss-Demonstration beginnt. Die Demonstration steht unter dem Motto: "Kriegsverbrecher ergreifen - NS-Opfer entschädigen".

    Infos bei: www.nadir.org/mittenwald sowie bei den VVN-BdA Landesvereinigungen Bayern und NRW, www.nrw.vvn-bda.de Tel. 0202 45 06 29 Fax 0202 25 49 836, Anschrift: Gathe 55, 42107 Wuppertal

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