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antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 1 / Januar 2005



Wir werden einen langen Atem brauchen:

Weg mit den Berufsverboten!

von Elke Günter

Am Samstag, 23. Oktober demonstrierten rund 1000 Menschen gegen das im Sommer offiziell gegen den Heidelberger Realschullehrer Michael Csaskóczy verhängte Berufsverbot. Michael Csaskóczy und mehrere Berufsverboteopfer aus den 70er und 80er Jahren führten den bunten Demonstrationszug an.

Ständig wurden über Lautsprecher und mittels Flugblättern die zahlreichen Passanten über den Berufsverboteskandal informiert. Gut drei Stunden lang bewegte sich der Demonstrationszug durch Straßen und malerische enge Gassen der Heidelberger Altstadt. Reggae- und Hip-Hop-Einlagen von Chaoze One und Mc Mal sowie die Lieder von Jane Zahn sorgten für eine lebendige Stimmung.
Die Demonstration, die mit einem Auftakt am Bauhaus begonnen hatte, ar von einem breiten Bündnis von Gewerkschaften, Menschen- und Grundrechtsorganisationen, von antifaschistischen Gruppen getragen. Die VVN-BdA hatte dazu aufgerufen und von Stuttgart aus einen Bus zur Demonstration nach Heidelberg organisiert. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg hatte am 21.10. nochmals zu der Aktion aufgerufen und ihre Unterstützung für Michael Csaszkózy bekräftigt: "Wir brauchen gerade in unseren Schulen Lehrkräfte, die sich für demokratische Werte und Ideen einsetzen." Michael Csaskóczys Berufsverbot war damit begründet worden, daß er u.a. als Anmelder von Antikriegsdemonstrationen und Protesten gegen Neonaziaufmärsche aufgetreten sei. (Wir berichteten ausführlich in den Antifa-Nachrichten 4/2004).
Bei der ersten Zwischenkundgebung, bei der die Vertreterin des Komitees für Grundrechte und Demokratie die Arbeit ihre Organisation vorstellte und auf die Funktion der grundgesetzwidrigen Berufsverbote als Disziplinierungsinstrument einging, sprach auch Michael Csaszkózy. Er bedankte sich für die Solidarität und Unterstützung: "Ihr könnt Euch vorstellen, dass es in meiner Situation gut tut, Solidarität zu erfahren.... Ich freue mich besonders, dass der Versuch nicht gelungen ist, uns in sogenannte 'böse extremistische Linke' und und in 'gute Demokraten aus der Mitte der Gesellschaft' zu spalten und dass hier radikale Linke, GewerkschafterInnen und Mitglieder von Menschenrechtsgruppen solidarisch zusammenstehen. ... Beim Kampf gegen die Wiederbelebung der Berufsverbote geht es nicht darum, ob jemand meine politische Position teil oder nicht. Es geht um die Frage, unter welchen Bedingungen wir alle künftig Politik machen können. Es geht darum, ob die Einschüchterung und die Gesinnungsschnüffelei dem offenen und wachen Denken noch weitere Fesseln anlegen.. Wir werden im Kampf gegen die Berufsverbote wie schon damals in den 70er Jahren einen langen Atem brauchen."
Auf der Abschlußkundgebung sprach auch VVN-BdA Bundes- und Landessprecher Werner Pfennig. Als er von dem Berufsverbot erfahren habe, habe er zunächst gedacht im falschen Film zu sein: "Gräfin Shavania hat in ihrem Schlosse am falschen Sargdeckel gefummelt und die Untoten auf die Menschheit losgelassen. Und prompt sind sie alle wieder da, die wir tot gelaubt hatten: Der Radikalenerlaß und das Berufsverbot." Die Verfolgung von Antifaschisten habe nicht nur in Baden-Württemberg, wo ein Marinerichter Filbinger Minsterpräsident werden konnte, eine lange und traurige Tradition, stellte Werner Pfennig fest. So hatte der Adenauererlaß von 1950 bereits die "unnachsichtige und sofortige Entfernung" von Mitgliedern der VVN-BdA aus dem Staatsdienst verfügt, während die alten Nazikader wieder in Amt und Würden zurückkehrten. "Bereits fünf Jahre nach der Befreiung vom Faschismus waren es die Verfolgten, nicht die Verfolgter, die angeblich die Verfassung bedrohten". Heute bezeichne der "CDU-Landes-Kronzprinz Günter Oettinger" NPD und PDS gleichermaßen als Radikale, gegen die vorgegangen werden müsse. "In der Berufsverbote-Ära der 70er und 80er Jahre wurden 1250 Bewerber abgewiesen. 265 Menschen aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Sie waren zu 99 Prozent Demokraten, Kriegsgegner, Antifaschistinnen und Antifaschisten... Insgesamt wurden im Laufe der damaligen Berufsverbotepraxis 3,5 Mio. BewerberInnen für den öffentlichen Dienst vom sogenannten Verfassungsschutz überprüft, d.h. bespitzelt und durchleuchtet. Mittels dieser millionenfachen Schnüffelerkenntnisse wurden dann 'nur' 11 000 Berufsverboteverfahren und 2200 Disziplinarverfahren eingeleitet." Diese Zahlen machten deutlich, so Werner Pfennig, daß es bei Berufsverboten nie nur um die unmittelbar Betroffenen gegangen sei, sondern immer um Einschüchterung und ständige Bedrohung aller, die aktiv werden wollen für soziale und demokratische Rechte, gegen Nazis, für Frieden. "Es geht nicht um den Schutz von Demokratie, sondern um ihre Verbinderung" stellte der VVN-BdA Bundes- und Landessprecher klar. Das Berufsverboteverfahren mache den Verfassungsschutz zur über Berufs- und Lebensperspektiven entscheidenden Instanz. "Der Verfassungsschutzfiffi", wie ihn der Freiburger Oberbürgermeister genannt hat, wird zum lieben Gott." Die Kultusministerin habe mit dem Berufsverbot einen Versuchsballon gestartet, den Neonazis als Ermunterung verstehen dürfen, so Werner Pfennig. Heute gelte wie vor 20 Jahren: "Rettet die Demokratie - Weg mit den Berufsverboten".
Der Bezirkspersonalratsvorsitzende Ulrich Karl (GEW) betonte in seiner Rede: "Jede und jeder muss das Recht haben, auch im Beamtenstatus seine demokratischen Grundrechte uneingeschränkt wahrzunehmen." Dies sei nicht nur im Interesse der Lehrkräfte, sondern auch pädagogischer Sicht wichtig, weil "zur Demokratie nur erfolgreich erziehen kann, wer für Schülerinnen und Schüler selbst als Demokrat erkennbar wird. Lehrer dürfen nicht indoktrinieren, wollen sie auch nicht. Aber ein politisches Neutrum erzieht nicht zur Demokratie, sondern zu politischer Enthaltsamkeit. Ulrich Karl ließ keinen Zweifel an der Solidarität der Gewerkschaft mit Opfern von Berufsverboten: "Die GEW steht zu unserer Demokratie und zu den demokratischen Grundrechten. Sie steht deswegen auch zu ihem Mitglied Michael Csaszkóczy."
Die erfolgreiche Aktion am 23. Oktober war der erste große, aber noch lange nicht der letzte Protest gegen die neu auflebende Praxis der Berufsverbote. Michael Csaszkóczy und sein Anwalt haben inzwischen Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben. Bei dem Klageverfahren soll zunächst aufgezeigt werden, daß das Berufsverbot gegen das Grundgesetz verstößt. Zudem soll verdeutlich werden, daß ein Berufsverbot nicht damit begründet werden kann, daß der Lehramtsbewerbeer bei einer Vereinigung aktiv ist, die der Verfassungsschutz beobachtet und die allein damit - und mit ihr jedes Mitglied - das "Gütesiegel" extremistisch bekommt.

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