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Neuer Naziaufmarsch in Schwäbisch Hall:Polizeilich geschützte Volksverhetzung und Kriegsverherrlichungvon Lukas BischlerAm 11. September war es in Schwäbisch Hall wieder einmal soweit: erneut waren Nazidemonstrationen angemeldet. Neu war diesmal allerdings, daß gleich zwei Demonstrationen stattfinden sollten, eine vom in Schwäbisch Hall bereits altbekannten Neonazi Lars Käppler aus Heilbronn, die andere vom vorher in Hall noch nicht als Versammlungsleiter in Erscheinung getretenen Mario Matthes. Diesmal richtete sich die Kundgebungen auch nicht in erster Linie gegen "Club Alpha 60 e.V." oder gegen das Goetheinstitut wie in der Vergangenheit. Am 3. Jahrestag der Anschläge gegen das World Trade Center stellten die Nazis ihre Kundgebungen unter das Motto "Die USA sind unser Unglück". Soweit zur Vorgeschichte. Besonders skandalös war diesmal allerdings das Vorgehen der Stadt Hall: sie versuchte noch nicht einmal die Versammlung zu verbieten, obwohl der OB dies im Juli noch angekündigt hatte. Und es kam noch besser: Man lud die Veranstalter der Nazidemos sogar noch zu einem "runden Tisch" ins Ordnungsamt Hall ein. Dort wurde dann vereinbart, dass die Nazis auf ihre Kundgebung auf dem Marktplatz verzichten, um das Geschäftsleben in der Innenstadt nicht zu stören. Gleichzeitig ließ sich das Rathausbündnis auf ein von den Nazis gewünschten Kompromiss ein und verzichtete ebenfalls auf die schon lange geplante Gegenveranstaltung auf dem Marktplatz. Ein Verbot des Faschoaufmarsches durch die Stadt wurde damit nicht mehr erwogen. Die einzige "Gegenveranstaltung" zu der sich die Stadt durchringen konnte, war fernab vom Geschehen eine Kundgebung auf dem Unterwöhrd, auf der u.a. der DGB Landesvorsitzende Rainer Bliesener, die SPD-Landesvorsitzende Ute Vogt sprechen sollten. So war das "Bündnis für ein buntes Hall", das zur Gegenkundgebung auf dem Haller Bahnhof aufgerufen hatte, wieder einmal auf sich gestellt. Am Bahnhof sprach VVN-BdA Bundes- und Landessprecher Werner Pfennig. Motto und Parolen dieses "antiamerikanischen Sternmarsches" erfüllten eindeutig den Tatbestand der Volksverhetzung stellte der Redner fest. Um so unverständlicher sei, dass sich der Haller Oberbürgermeister Pelgrim nicht zum einem Verbot des Naziaufmarsches habe entschließen können." Wenn sich ein CSU-Bürgermeister in Wunsiedel gegen Nazis auf die Straße setzt, kann man doch von einem SPD-Oberbürgermeister verlangen, dass er alles tut, um seine Stadt nazifrei zu halten!" Werner Pfennig erinnerte daran, dass Neofaschisten allein im vergangenen Jahr fast 11 000 Straftaten verübt haben. Über 120 Menschen seien in den letzten Jahren von Neonazis getötet worden. Der VVN-BdA Bundes- und Landessprecher rief dazu auf, weiter wachsam zu sein, denn überall in Europa, und nicht nur in Deutschland, würden neofaschistische Kräfte wieder salonfähig. "Das rechte Spektrum ist längst aus seinen Löchern gekommen und formiert sich europaweit. Wir wissen, wie Faschismus historisch entstand und deshalb werden wir im Bündnis weiter dagegenhalten, aufklären und uns nicht wegducken." Die Gewalt komme auch aus der Mitte der Gesellschaft, stellte der Redner fest. "die Mauer zwischen restaurativem Konservatismus und gewalttätigem Rechtsextremismus ist gefallen." Gegen alte und neue Nazis könne es keine Toleranz geben, sie müssten auf allen Ebenen bekämpft werden betonte Werner Pfennig. Nach dem Ende der Kundgebung setzte man sich auf verschiedenen Schleichwegen in Richtung der Wohngebiete in Bewegung, die sich die Nazis als Aufmarschgebiet ausgesucht hatten. Die Hauptstraßen waren zu diesem Zeitpunkt von Hundertschaften der Polizei längst abgesperrt. Die Nazis hatten diesmal, wie bereits erwähnt, zwei Märsche geplant. Die eine Gruppe versammelte sich gegen zwei Uhr am Haller Bahnhof, die andere hatte sich ein Haller Schulzentrum als Treffpunkt ausgesucht. Die beiden Züge wollten zunächst auf zwei unterschiedlichen Routen durch Haller Wohngebiete marschieren, um dann auf einer Kreuzung vor einer Kirche eine gemeinsame Abschlusskundgebung abzuhalten. Die Zahl der angereisten Faschisten war beachtlich: Über 200 Mitmarschierer konnten die Veranstalter Käppler und Mattes zusammentrommeln, so viele wie schon lange nicht mehr. Doch auch das "Bündnis buntes Hall" konnte sich diesmal über mangelnde Unterstützung nicht beklagen: Die Gruppe aktionsbereiter Antifaschisten war mittlerweile auf 400 bis 450 angewachsen, mehr als man sich im Vorfeld erhofft hatte. Darunter waren diesmal wieder erfreulich viele Jugendliche aus Schwäbisch Hall. So gelang es zunächst auch die Straße, auf der Käppler marschieren wollte, mit einer Sitzblockade "dichtzumachen", was den Abmarsch der Nazis doch um einige Zeit verzögerte. Nach der zweiten Räumungsaufforderung durch die Polizei zog man sich geschlossen einige hundert Meter weit zurück, um den Platz vor der Kirche zu blockieren, auf dem die beiden Nazitruppen ihre Abschlusskundgebung abhalten wollten. Die Nazis wurden schließlich unter Polizeischutz um die Blockade herum geleitet. Dann stellte ihnen die Polizei auch noch einen alternativen Platz für ihre Kundgebung zur Verfügung. Zum Abschluss muss ein zwiespältiges Fazit dieses Samstags gezogen werden: die Naziaufmärsche konnte zwar nicht in der ursprünglich geplanten Form stattfinden, aber ihre Abschlusskundgebung konnten die Volksgemeinschaftler um Käppler und CO abhalten. Anders als am 6. März gelang es nicht, die Aufmärsche vollständig zu unterbinden. Doch trotz allem bleibt auch an Erfreulichem festzuhalten, dass die engagierten Nazigegner waren so zahlreich wie lange nicht mehr waren. Dies ist ein Erfolg, auf dem sich aufbauen lässt. Denn es ist leider davon auszugehen, dass dies nicht der letzte Aufmarsch von Neonazis in Schwäbisch Hall war. .
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