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Nummer 4 / Oktober 2004



8. Mai 2004: Gedenkfeier auf dem KZ-Friedhof Birnau:

Krieg ist Barbarei

von Josef Kaiser

(ravensburg/friedrichshafen/birnau) Rund 150 Menschen nahmen auf dem KZ-Friedhof Birnau an der Feier zum Gedenken an die Opfer des Faschismus teil, die seit Jahren von den VVN-BdA-Kreisen Ravensburg/Oberschwaben, Singen und Konstanz sowie der IG Metall Friedrichshafen veranstaltet wird. Ehrengast war der ehem. Bundestagsabgeordnete Manfred Coppik, der sich in seiner eindringlich gegen Krieg und Gewalt wandte und für Sozialstaatlichkeit eintrat.

Ausserdem sprachen Gäste aus Italien. Umrahmt wurde die Feier mit Musik der Gruppe "Trotz alledem" aus Konstanz. Der Historiker Oswald Burger berichtete bei einer KZ-Stollenführung in Überlingen über neueste Forschungsergebnisse. An der abendlichen Kulturveranstaltung mit "Trio Trotzdem" aus Ulm nahmen auch der Friedrichshafener Oberbürgermeister Josef Büchelmeier sowie sein Amtskollege aus der Stadt Orbassano Carlo Marroni teil. 2005 jährt sich die Befreiung vom Faschismus zum 60sten male. Die die VVN-BdA Ravensburg plant deshalb in Zusammenarbeit mit der Stadt Orbassano einen internationalen Kongress in Friedrichshafen, bei dem Arbeiten italienische Schüler zum KZ-Friedhof Birnau präsentiert werden.
In seiner Gedenkrede auf dem KZ-Friedhof Birnau gedachte Manfred Coppik der Opfer des Faschismus und der Toten auf dem Friedhof. Er bezog auch zu aktuellen Themen klar Stellung.
Einige Auszüge:
"... Vor fünf Jahren erklärte der deutsche Außenminister Fischer, er habe zwei Lehren aus dem Faschismus gezogen: "Nie wieder Krieg" und "Nie wieder Auschwitz". Diese Gegenüberstellung von "Nie wieder Krieg" und "Nie wieder Auschwitz" wurde zur Begründung und zur psychologischen Vorbereitung eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen Jugoslawien vorgetragen. Das "Nie wieder Auschwitz" sollte den Krieg rechtfertigen. Natürlich wusste Fischer, dass im Kosovo kein Auschwitz war und Milosevic kein Hitler. So wurde in einer geradezu zynischen und ungeheuerlichen Verdrehung der geschichtlichen Zusammenhänge der Faschismus zur Rechtfertigung herangezogen, um wieder deutsche Bomben auf Serbien zu werfen. ...
Die historischen Vergleiche sind abwegig. Nicht nur deshalb, weil es keine Vergleichbarkeit mir dem Holocaust gibt. Und das nicht nur wegen der unvergleichbaren Zahl, wegen der Quantität der Verbrechen, und auch nicht nur deshalb, weil sie von einem unglaublichen und in dieser Form bis dahin unbekannten Rassenwahn getragen wurden, sondern weil die Verbrechen des Dritten Reiches durch eine Systematik und Perfektion der staatlichen Vernichtungsmaschinerie gekennzeichnet waren, die in der Geschichte noch nie da gewesen ist. ..."
Coppik warnte vor der aggressiven Militärpolitik der USA und der Aufrüstung auch in Europa: "Niemand bedroht Europa militärisch. Die Aufrüstung zielt deshalb auf ein Europa mit einem globalen imperialistischen Anspruch, den es vielleicht neben, vielleicht mit oder vielleicht gegen die USA durchsetzen will. Darum kann es aber nicht gehen. Europa muss einen Beitrag zum Frieden und zu sozialer Gerechtigkeit in der Welt leisten. Nur ein solches Europa wäre es wert, dafür zu kämpfen. ... "
Der Erhalt des Sozialstaates ist wichtiger Baustein gegen Rechtsentwicklung: "... wir wissen, dass eine massive Ausplünderung des Volkes im Zeichen neoliberaler Wirtschaftspolitik stattfindet. Der Sozialstaat wird an die Wand gefahren, während gleichzeitig die Zahl der Milliardäre wächst. Die Staatsfinanzen werden durch Steuergeschenke an die Großkonzerne ruiniert. ...
Die Krise des Kapitalismus ist absehbar. Aber wozu wird sie führen? Zunächst beinhaltet sie sicher eine große Gefahr des Faschismus und eine große Gefahr neuer Kriege. Kann dieser Gefahr begegnet werden? Wird der Widerstand der Völker stark genug sein, um sich einem neuen Faschismus zu widersetzen? Gelingt es uns, die Kultur des Widerstandes, der Demokratie und der Zivilcourage so weiter zu entwickeln, dass sie erfolgreich sein kann? Es gibt viele gute Ansätze. Ich denke an das Weltsozialforum, an die Sozialforen auf den verschiedenen Kontinenten und überall in der Welt. Ich hoffe, dass wir der Politik der Herrschenden ein unüberhörbares und unüberwindbares "Nein zum Faschismus!" und "Nein zum Krieg!"
entgegenstellen können. Über dieses Nein hinaus muss es aber auch ein Ja zu einer besseren Weltordnung sein: Ein Ja zu einer solidarischen demokratischen Gesellschaftsordnung ohne politische Unterdrückung und ohne ökonomische Ausbeutung. Manche sagen, dies sei ein Traum. Ich weiß es nicht, aber diesen Traum sind wir all denen schuldig, die ihr Leben als Opfer der Tyrannei und des Faschismus gelassen haben. Diese Vision schulden wir auch denen, die hier auf diesem Friedhof begraben liegen und derer wir heute gedenken. Die Aufgabe dieser Vision wäre ein Rückfall in die finsterste Barbarei."
Die vollständige Rede kann im Internet nachgelesen werden: www. vvn.telebus.de, dort FLUGBLATT/ REDEN. Für Interessierte möchten wir darauf hinweisen, dass die Geschichte des KZ-Friedhofs Birnau und des KZ-Stollens in Überlingen auf unserer Internetseite in verschiedenen Sprachen dokumentiert ist unter www. vvn. telebus.de, dort KREISE/

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