VVN-Logo VVN-BdA Baden-Württemberg, Böblinger Strasse 195, D-70199 Stuttgart / Tel. 0711/603237 Fax 600718 26.06.2004
antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 3 / Juli 2004



35. Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA in Schwäbisch Hall:

Gegen Rechtsentwicklung und Sozialabbau!
Für Antifaschismus und Frieden!
Keine Naziaufmärsche in Schwäbisch Hall und anderswo!

LDK

Zweimal waren bereits im letzten Jahr die Nazis gegen die Wehrmachtsausstellung in Schwäbisch-Hall aufmarschiert. Auch für dieses Jahr waren weitere Aufmärsche lange schon angekündigt. Vor diesem Hintergrund sollte die 35. Landeskonferenz der VVN-BdA den antifaschistischen Kräften in Schwäbisch Hall den Rücken stärken. Ganz besonders galt die Unterstützung natürlich unserer dortigen Kreisvereinigung, die im Zentrum der vielen Gegenaktionen zu den mittlerweile insgesamt neun Aufmarschversuchen der Nazis stand und steht.

Die Kameradinnen und Kameraden aus Schwäbisch Hall liessen es sich nicht nehmen, die Delegierten mit den frischen Klängen der Schallmeiengruppe Schwäbisch Hall zu begrüßen, die ihre Instrumente übrigens vor Jahren von der VVN-BdA erhalten hat. Jochen Dürr, Sprecher der Kreisvereinigung hieß die insgesamt 54 Delegierten und fast noch mal sovielen Gastdelegierten und Gäste in der Schwäbisch Haller Blendstatthalle herzlich willkommen.

Erfolgreiche Gegenwehr gegen Naziprovokation
Angesichts der offen Herausforderung durch die Nazis und der Häufung ihrer Provokationen war und ist es in einer Stadt wie Schwäbisch Hall nicht einfach, immer neu den Widerstand zu organisieren. Nicht immer konnte zwischen den vielen unterschiedlichen Gruppen und Organisationen eine gemeinsame Linie gefunden werden.
Dass sich unsere Kreisvereinigung in Hall aber beim Versuch, die unterschiedlichen Herangehensweisen zu einem gemeinsamen Vorgehen aller demokratischen Kräfte großes Ansehen und Anerkennung erworben hat, machte bereits der erste Redebeitrag der Landesdelegiertenkonferenz deutlich. Der Stellvertreter des Oberbürgermeisters, der SPD-Fraktionsvorsitzenden Dieter Vogt erinnerte in seiner Begrüßung auf die erfolgreiche gemeinsame Zurückweisung des Naziaufmarsches am 6. März diesen Jahres. An diesem Tag hatten 1500 Haller Bürgerinnen und Bürger den Marktplatz blockiert und damit verhindert, dass dort die von den Neonazis beabsichtigte Kundgebung stattfinden konnte(s. auch AN Nr. 04). Dieter Vogt verwies auch darauf, dass eine solch erfolgreiche Mobilisierung der Haller Bevölkerung nicht gelungen wäre, wenn in der Stadt Schwäbisch Hall nicht seit Langem die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte in der Zeit des Faschismus öffentlich geführt worden wäre. Als Beispiel nannte er u.a. die KZ-Gedenkstätte Hessenthal, die im Jahre 2002 weitgehend nach Vorschlägen der Haller VVN-BdA gestaltet und eingeweiht werden konnte. Dieter Vogt gab auch der Hoffnung Ausdruck, dass von unserer Konferenz Impulse ausgehen für den gemeinsamen Umgang mit den angekündigten weiteren Naziaufmärschen Für diese Auseinandersetzung wünschte er sich die größtmögliche Mobilisierung der demokratischen Kräfte in Schwäbisch Hall.

Wegsehen hilft nicht
An die Auseinandersetzungen in Hall knüpfte auch das Grußwort des DGB-Regionalvorsitzenden, des VVN-BdA-Kameraden Bernhard Löffler an, der im Auftrag des DGB Landesvorstandes die Grüße auch des Landesvorsitzenden Rainer Bliesener überbrachte. Bernhard Löffler unterstrich die Notrwendigkeit die Naziaufmärsche zurückzuweisen.
Die Methode "Wegsehen und ignorieren" helfe nicht. Der Widerstand gegen die Nazis, so Bernhard Löffler, wird nur dann Erfolg haben, wenn sich die Demokraten zur Gegenwehr zusammenfinden. Bernhard Löffler brachte auch das völlige Unverständnis des DGB darüber zum Ausdruck, dass gerichtliche Entscheidungen immer wieder diese Art von faschistischen Aufmärschen erlauben. Er zitierte den baden-württembergischen Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft Josef Schneider: "Die Verantwortung für diese Art von Demonstrationen liegt also bei unserer -aus meiner Sicht leider ‚blauäugigen' -Justiz, die die deutsche Geschichte bei der Beurteilung solcher Fragen wohl völlig ausblendet."
Der Redner machte auf den Zusammenhang zwischen sozialer Ausgrenzung und Rechtspopulismus sowie offen faschistoiden Tendenzen aufmerksam: "Viele der an den Rand der Gesellschaft gedrängten, viele der aus dem Arbeitsprozess Ausgegrenzten wollen ihre traurige Bilanz vor allem dadurch verbessern, dass sie sich von anderen noch schwächeren Gruppen distanzieren. Die Forderung des DGB nach einer "Wirtschafts und Sozialpolitik, die nicht die Gemeinschaftsressource Solidarität ständig mehr aushöhlt und damit Desintegrationsprozesse verstärkt", sei deshalb eine Forderung gegen Rechts. "Was wir brauchen gegen Ausländerfeindlichkeit sind also Arbeit und soziale Gerechtigkeit", rief der Redner aus. "Um was es gehen muss ist die Entwicklung globaler Solidarität und sozialer Gegenmacht in Deutschland und der Welt!"
Auch die Erste Bevollmächtigte der IG Metall in Schwäbisch Hall, die Kameradin Heidi Scharf, hob in ihrem am Nachmittag gesprochenen kurzen Grußwort die Notwendigkeit der Zusammenarbeit der demokratischen Kräfte hervor und rief zur gemeinsamen Gegenwehr gegen die faschistischen Provokationen in Hall und anderswo auf.
Für den Deutschen Freidenkerverband überbrachte Peter Wagner solidarische Grüße und die besten Wünsche für eine erfolgreiche Konferenz.

Die neue Generation ist gefordert
Wie jede Landeskonferenz diente auch die Schwäbisch Haller Konferenz in erster Linie dazu, die Rolle unserer eigenen Organisation in den laufenden und in den kommenden Auseinandersetzungen zu bestimmen. Dass die VVN-BdA, die 1947 von den Überlebenden des Widerstandes und der Opfer des Faschismus gegründet wurde, heute in einer Umbruchsituation steht, wurde bereits bei der Eröffnung deutlich. In ehrenden Worten gedachte Landessprecher Reinhard Hildebrandt der 42 Kameradinnen und Kameraden, von denen wir uns seit der letzten Konferenz für immer verabschieden mussten. Viele von ihnen waren Gründungsmitglieder. Sie verkörpern die erste Generation der Antifaschistinnen und Antfaschisten, die sich den Verbrechen der Nazis entgegengestellt hatten und nach der Befreiung den Schwur von Buchenwald lebten. Zur Erfüllung dieses Auftrages gründeten sie unsere Organisation, die VVN-BdA. Der Abschied von der Gründergeneration, der uns zuletz beim Abschied von unserem Ehrenvorsitzenden Alfred Hausser so schmerzlich bewusst wurde, ist zugleich ein Abschied von der bisherigen VVN-BdA, die so stark von der Erfahrung, der Tatkraft, dem Ansehen dieser ersten Generation getragen wurde. Diese Aufgabe muß nun die zweite und dritte Generation der Antifaschisten zunehmend ohne die Hilfe der Gründungsmitglieder erfüllen. So war die Haller Konferenz auch die erste in der Geschichte der Landesvereinigung, an der keines unserer Gründungsmitglieder teilnehmen konnte.
Landes und Bundessprecher Werner Pfennig wies zu Beginn seines Rechenschaftsberichtes darauf hin: "Wir brauchen Mut, Kraft und eine starke VVN-BdA um an der Verwirklichung unserer Vorstellungen zu arbeiten für eine Welt ohne Faschismus, Antisemitismus, Rassismus, Ausbeutung und Krieg.

Für eine Welt des Friedens
Sein mündlicher wie auch der ausführliche schriftliche Rechenschaftsbericht zeigte auf, dass sich die Arbeit, die Mitglieder, Kreisvereinigungen und Landesvereinigung für diese Ziele leisten, sehen lassen kann. Seine Analyse der politischen Situation, mit der wir konfrontiert sind, machte gleichzeitig deutlich wie notwendig diese Arbeit ist und wieviel zu tun bleibt.
Der Krieg gegen den Irak hat erneut offenbart wie weit entfernt wir noch von einer Welt des Friedens stehen. Werner Pfennig bezeichnete diesen Krieg als "ersten Kolonialkrieg der Neuzeit, bei dem es um die Verfügungsgewalt über die weltweit zweitgrößten Erdölvorkommen und weitere strategische Ziele ging... Dieser Krieg war ein Verbrechen, das sich niemals wiederholen darf." Ausführlich ging er dabei auch auf die Rolle der Bundesregierung ein. Zwar anerkannte er, dass diese sich in der UN gegen den Krieg gestellt hatte. Anderseits aber habe sie weder die Infrastruktur für diesen Krieg verweigert, noch sich zur Erklärung durchgerungen, dass es sich um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg handelt.
Stattdessen versuchten die Bundesregierung und Frankreich "das ‚Alte Europa' propagandistisch als friedliebenden, sozial gerechteren Gegenpart zur imperialistischen Großmacht USA in Stellung zu bringen." Diesem Versuch der Selbsdarstellung stehe aber die Wirklichkeit in Europa und in der Bundesrepublik im Wege: Die vorgelegte EU-Verfassung verpflichte alle Mitglieder zur weiteren Aufrüstung. Die Bereitschaft zu weltweiten Militäreinsätzen erhält Verfassungsrang. Dies entspreche auch den neu vorgelegten verteidigunspolitischen Richtlinien der Bundeswehr und die Vielzahl der Aufrüstungs- und Beschaffungsprojekte. "Die Bundeswehr ist auf dem Weg zur Angriffsarmee und dem widersetzen wir uns!", rief Werner Pfennig aus.
Gleichzeitig wandte sich Werner Pfennig gegen den laufenden Demokratieabbau, wie er "unter dem Vorwand der prophylaktischen Terroristenbekämpfung" betrieben werde. Dazu gehöre auch die drohende Neuauflage der unsäglichen Berufsverbotepraxis.

Aus der Geschichte lernen
Ein wichtiger Teil des Rechenschaftsberichtes befasste sich mit den zunehmend offeneren Aktivitäten von Neonazis - nicht allein in Schwäbisch Hall.
Am Beispiel des Tages der Befreiung, der von vielen immer noch als Tag der Niederlage verstanden wird, machte Werner Pfennig deutlich wie dringend und notwendig weiterhin die Aufarbeitung der Entstehung und Wirklichkeit des Deutschen Faschismus bleibt.
Ausführlich beschäftigte sich Werner Pfennig auch mit der aktuellen Wirtschafts- und Sozialpolitik. Vieles erinnere an die Konzepte und Notverordnungen die am Ende der Weimarer Republik das Unheil des Faschismus mit herbeigeführt hatten.
"Wir wollen eine wirklich demokratische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung", rief Werner Pfennig am Ende seiner Rede aus. "Lasst uns unsere Köpfe und Herzen und unsere Kraft in Sinne des Schwurs von Buchenwald für unsere Ziele einsetzen!"
Der große und anhaltende Beifall bewies, dass der Rechenschaftsbericht die Themen und Probleme richtig analysiert und benannt hatte, die die Delegierten bewegen.

Keine Tolerierung faschistischer Umtriebe
Im Laufe der Diskussion zum Rechenschaftsbericht überbrachte Bundessprecher Hans Coppi die Grüße des BundessprecherInnenkreise. Er zog eine kurze Bilanz über die Entwicklung der Bundesvereinigung seit dem Zusammenschluss mit der antifaschistischen Verbände in Ost und West. In allen Bundesländern und in der Bundesvereinigung stellen sich ganz ähnliche Probleme wie er sie hier für Baden-Württemberg gehört habe, berichte Hans Coppi. So sei z.B. auch in Berlin seit dem gescheiterten Verbotsantrag gegen die NPD zu beobachten, dass Behörden gar nicht erst versuchten, Naziaufmärsch wie in Berlin Lichtenfelsd am 1. Mai zu verbieten, weil die Gerichte sie regelmäßig wieder erlauben würden. Stattdessen würden martialische Polizeiaufgebote gegen die antifaschistischen Gegendemonstranten eingesetzt. Dagegen richte sich der von unserer Bundesvereinigung initiierte Aufruf "Gegen die Tolerierung faschistischer Umtriebe" von über 160 Menschen aus der ganzen Bundesrepublik. Er wandte sich entschieden gegen die offizielle Geschichtspolitik in der Bundesrepublik, die von der Totalitarismusdoktrin geprägt sei. Sowohl im sächsischen Gedenkstättengesetz als auch im Antrag der CDU im Bundestag gehe man davon aus, dass nunmehr genug getan sei für Gedenkstätten an Faschismus und Krieg. Dabei zeigten Vorkommnisse wie der Fall Hohmann oder die Benennung Filbingers zum Wahlmann, wie gerade die CDU einen ernsthaften Nachholbedarf bei der Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte habe. Im Hinblick auf die vorgelegte Europaverfassung, aus der jede Erinnerung an die antifaschistischen Grundgedanken der meisten europäischen Verfassungen getilgt sind zitierte er einen italienischen Publizisten: Der Sieg über den Nazifaschismus sei die fundamentale DNA der europäischen Demokratie. Nur der Antifaschismus - nicht ein diffuser Antitotalitarismus - sei die Grundnorm der europäischen Demokratie, weil die Kommunisten fester Bestandteil der militärischen Allianz und der Resistenzia waren, die die Demokratien aufgebaut hat, in welchen wir leben.

Gedenken an die Opfer
Nach der Mittagspause kamen die Delegierten der Aufforderung des Vertreters des OB zu einem kurzen Spaziergang in die schöne Haller Altstadt nach. Der Ausflug galt dem historischen Marktplatz, wo eine ins Pflaster eingelassene Gedenkplatte an die Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung und an die Stelle erinnert, wo die Faschisten das Inventar der Synagoge damals verbrannten. Reinhard Hildebrand zog in einer kurzen Gedenkrede die Verbindung von den Verbrechen damals und den Naziaufmärschen heute: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Im Gedenken an die Opfer des Faschismus legten die Delegierten anschließend ein Blumengebinde an diesem Mahnmal nieder.

Finanzen: Grundstock für die Organisation
Nach der Mittagspause wartete auf die Delegierten jenes Thema, das sich als das Schwerpunktthema der 35. Landeskonferenz herausstellen sollte: Die organisatorische Zukunft der VVN-BdA. Zuvor schon hatte der Bericht der Revisionskommission dem Landeskassierer und den mit Gelddingen befassten KameradInnen eine korrekte und auch sparsame Kassenführung bescheinigt. Das änderte aber nichts daran, dass Landeskassierer Bernhard Mainz einen Kassenbericht mit erschreckenden Zahlen vorlegen musste. Seit Jahren schon schließt die Landeskasse jedes Jahr mit einem Minus in der Bilanz ab, das mit Hilfe von ererbten Rücklagen gedeckt werden musste und konnte. In diesem Jahr wurde aber dank des neuen vereinfachten Beitragssystems (ohne FIR und Presseanteil) eine weit größere Deckungslücke sichtbar: Zugleich mit den in der Einnahmen-Ausgabenrechnung der tatsächlich geflossenen Gelder sind hohe Beitragsschulden an die Bundesvereinigung angelaufen. Kurz: das seit Jahren schon vorhandene strukturelle Defizit der Landesvereinigung wurde in seinem ganzen Ausmaß sichtbar.

Strukturelles Defizit
Diesem Problem war am Samstag Nachmittag ein eigener Tagesordnungspunkt gewidmet. Für die vom Landesvorstand eigens für diese Aufgabe berufenen Finanzkommission trug Josef Kaiser eine Analyse der aktuellen finanziellen Situation vor: Gut aufbereitete Zahlen und Schaubilder machten die Probleme deutlich: Bei gleich bleibenden Einnahmen wird die Landesvereinigung auch in Zukunft jährlich 13400 Euro an notwendigen Ausgaben nicht durch Einnahmen decken können. In drei, spätestens vier Jahren wären die vorhandenen Rücklagen aufgebraucht.
Als wichtigste Ursache wies Josef Kaiser auf die seit Jahren rückläufige Mitgliederentwicklung hin. Nur in einem der letzten zehn Jahre ist es gelungen, die Zahl der Mitgliederverluste, sehr viele davon verursacht durch den Tod, tatsächlich durch Neuaufnahmen auszugleichen. Zwar hat sich die Kurve der sinkenden Mitgliederzahlen in den letzten Jahren verflacht, sie zeigt aber immer noch nach unten.
An diesem Problem, so der Vorschlag der Finanzkommission gelte es anzusetzen. Neue Mitglieder lösen nicht nur das finanzielle Problem der VVN-BdA, sie sind darüber hinaus wichtig, um die politische Arbeit in Kreisen und Land fortzuführen und zu verbessern.

Die VVNBdA braucht neue Mitglieder!
Als Hauptaufgabe für die kommenden Jahre schlug die Finanzkommission deshalb eine Kampagne zur Werbung neuer Mitglieder vor. Konkrete Zielstellungen und Verpflichtungen in den Kreisvereinigungen sollen dazu beitragen in jedem der nächsten vier Jahre 110 neue Antifaschistinnen oder Antifaschisten für den Beitritt in die VVN-BdA zu gewinnen. Parallel dazu, so der Vorschlag und Beschlussantrag des Landesvorstands, müssen auch eine Reihe anderer organisatorischer Maßnahmen umgesetzt werden. Allem voran muß die vollständige Kassierung und Abrechnung auch in den (wenigen) Kreisen durchgesetzt werden, die damit noch Schwierigkeiten haben. Der bargeldlose Beitragseinzug durch das Land soll in diesen Fällen der Regelfall werden. (siehe unter Beschlüsse).
Die geschilderte Finanzlage und die unterbreiteten Vorschläge lösten lebhafte Diskussionen aus.

Wir schaffen es!
In der Hauptfrage, neue Mitglieder für die VVN-BdA, stimmten alle DiskutantInnen überein. Zunächst aber überwog noch Skepsis: Wie soll das gehen? Viele Delegierte berichteten aber auch von ermutigenden Beispielen und Ideen. Schließlich spielte die gastgebende Schwäbisch Haller Kreisvereinigung den praktischen Bahnbrecher: Noch während die Diskussionen wogten, füllten gleich drei Schwäbisch Haller AntifaschistInnen, die als FreundInnen der VVN-BdA bei der Organisation der Konferenz halfen, ihren Aufnahmeantrag aus. Nach diesem Lehrbeispiel über bislang nicht genutzte Möglichkeiten herrschte Aufbruchstimmung: Jawohl, es kann geschafft werden!
Zäher ging es da schon zu bei den administrativ-organisatorischen Fragen der Beitragskassierung. Bargeldloser Beitragseinzug durchs Land? - da sahen einige Kreisvorstandsmitglieder schon die Selbständigkeit der Kreisvereinigung in Gefahr. Nach harten Abwehrkämpfen siegte aber doch die gemeinsame Einsicht. Die Mehrheit musste sich nicht durchsetzen, es gelang ihr zu überzeugen: Am Ende wurde der Beschlussvorschlag des Landesvorstandes einstimmig angenommen.

Organisationsstrukturen der Neonazis
Spannend wurde es am ersten Konferenztag noch einmal, als am späten Nachmittag das Gastreferat angesagt war. Wir hatten Robert Andreasch eingeladen, einen engagierten antifaschistischen Publizisten, der seit langem die Rechte Szene in Süddeutschland beobachtet und ihre Verzweigungen und Entwicklungen verfolgt. "Von ‚fightback' bis Bombenterror - aktuelle Organisierungsansätze der neofaschistischen Szene in Süddeutschland". Das Thema war auch besonders im Hinblick auf den Tagungsort Schwäbisch Hall gewählt worden. So hatten sich zum öffentlichen Vortrag auch etliche Interessierte aus der Stadt eingefunden. Wer eigentlich ist die "Deutsche Volksgemeinschaft", deren Aufmärsche die Stadt seit einem Jahr terrorisieren sollen? Wie hängen sie mit anderen Nazis zusammen? Was tut sich in der neofaschistischen Szene in Baden-Württemberg. Der Referent gab auf diese Fragen kundig und informiert umfassend Auskunft. Auch vielen unserer Delegierten aus den etwas "ruhigeren" Kreisverbänden liefen die Augen über, in welcher Vielzahl und in welch offenener faschistischen Ausrichtung sich die Neonazis im Lande wieder im Lande tummeln.
Die vielen Fragen, die im Anschluss an seinen Vortrag an den Referenten gerichtet wurden, beweisen, dass es zu diesem Thema gerade in unseren Reihen noch jede Menge Informationsbedarf gibt. Neben der Auseinandersetzung mit den öffentlich wahrnehmbaren und auch bei Wahlen auftretenden neofaschistischen Parteien wie NPD und REPS darf auch die Befassung mit der stiefelfaschistischen Subkultur nicht vernachlässigt werden.

Der Kongress singt
Eigentlich hätten sich nach diesem langen und arbeitsreichen Konferenztag nun erste Ermüdungs- und Erschöpfungsanzeichen unter den Delegierten breit machen müssen. Das wurde aber erfolgreich verhindert: Die zum kulturellen Abendprogramm eingeladene Singegruppe Che Guevara aus Dresden sorgte vom ersten Lied an für Begeisterung.
Mit alten und neuen Liedern aus den antifaschistischen und sozialen Bewegungen und mit viel Pep sorgten die Freunde aus Dresden dafür, dass der Kongress noch lange nicht zur Ruhe kam. Am Schluss waren es nicht die Delegierten, sondern die Musikanten, die nach immer neuen stürmisch geforderten Zugaben erschöpft die Instrumente sinken liessen. Auch von dieser Stelle noch mal: ein Dankeschön nach Dresden.

Schwerpunkte der kommenden Arbeit
Nach den Ausschweifungen des vergangen Abends war nun am Sonntag wieder nüchterne Konferenzarbeit zu leisten. Die Diskussion um die Finanzen hatte soviel Zeit gefordert, dass die vorgesehen Arbeitsgruppen geopfert werden mussten um den noch anstehenden politischen und satzungsmäßigen Aufgaben der Konferenz Platz zu geben.
Auf der Tagesordnung standen die Wahlen zum Geschäftsführenden Landesvorstand, die VertreterInnen im Bundesausschuss und die Kommissionen der Landesvereinigung (siehe Kasten) sowie die Diskussion und Verabschiedung des Leitantrags des Landesvorstandes, in dem die politischen Aufgaben für die nächsten beiden Jahre benannt und politische Akzente gesetzt werden. Diese Diskussion erwies sich als weit einfacher als die vorausgehende Finanzdebatte. Der vom Landesvorstand in mehreren vorausgegangen Sitzungen erarbeitete Leitantrag fand im Grundsatz die Zustimmung fast aller Delegierten. Die wenigen Änderungsanträge wurden auch dank der guten Arbeit der Antragskommission diszipliniert und sachlich vorgetragen, diskutiert und eingearbeitet. Der umfangreiche Antrag, der nun in der kommenden Zeit unsere Arbeit inhaltlich bestimmen wird konnte bei einer Enthaltung einstimmig verabschiedet werden.
Deutlicher traten dann politische Differenzen in einigen der Einzelanträge zu Tage, die am Sonntag Nachmittag zur Diskussion standen. Dennoch wurden am Ende der Diskussion die Anträge in der Regel fast einstimmig verabschiedet. Eine Reihe von Anträgen musste dann jedoch wegen Zeitknappheit an den Landesvorstand verwiesen werden.
Immerhin, soviel Zeit musste sein, rief die Konferenz auf zur Kundgebung gegen den neusten Nazi-Aufmarsch in Schwäbisch Hall am 5. Juni.

Gute Beschlüsse. Setzen wir sie um!
Für 15 Uhr 30 war das Ende der Konferenz geplant gewesen, es wurde schließlich nach 16 Uhr als die alte wie neue Landesprecherin Anne Rieger das Schlusswort sprechen konnte. Zuvor hatte sie sich herzlich bei den beiden aus dem Geschäftführenden Landesvorstand ausscheidenden Kameraden Ewald Ressel und Helmut Woda herzlich für ihre Arbeit bedankt.
Auch für das Büroteam der VVN-BdA, Elke Günther und Dieter Lachenmayer gab es Blumen nicht allein als Dankeschön für die Vorbereitung der Konferenz.
Ein besonders herzlicher Dank ging natürlich auch an die gastgebenden Kreisvereinigung Schwäbisch Hall die Haller Naturfreunde und den Dritte Welt Laden, die die Versorgung der Delegierten übernommen hatten.
Anne Rieger fasste aber auch in kurzen Worten die wichtigsten Ergebnisse der Konferenz zusammen: Der Vortrag von Robert Andreasch habe eindringlich die Gefahren des weiter existierenden und sich immer stärker vernetzenden Neofaschismus hingewiesen und erneut bewusst gemacht wie notwendig antifaschistische Arbeit heute ist. Sie rief dazu auf, sich auch dem nächsten Naziaufmarsch in Hall am 5. Juni entgegenzustellen.
Die zwei Tage harter Konferenzarbeit hätten bewiesen dass sich die VVN-BdA auch den zukünftigen Aufgaben stellen wird. Die intensive und politisch gute Diskussion um Finanzen und Mitglieder war dazu eine wichtige Vorraussetzung. "Gehen wir nach Hause und setzen sie um!"
"Wir sind die Moorsoldaten" - das am Ende der Konferenz gemeinsam gesungene Lied aus dem KZ Bürgermoor wird uns AntifaschistInnen auch in Zukunft begleiten.

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