Nummer 2 / April 2004
Keine Nazi-Aufmärsche in Schwäbisch Hall und anderswo
Nazis ausgebremst
von Dieter Ferenz
Von gleich drei Naziaufmärschen wurde Schwäbisch Hall während der
Wehrmachtsausstellung im letzten Jahr heimgesucht. (Siehe AN 4/2003) und jetzt
auch noch das: Die sogenannte "Bewegung Deutsche Volksgemeinschaft drohte,
solange durch Hall zu demonstrieren, bis die Stadt keine Zuschüsse mehr für
das politisch eher linke kulturelle Zentrum Club Alpha mehr gewährt. Der erste
Aufmarsch in dieser Reihe aber scheiterte gründlich ...
Ein breites Bündnis aus Gemeinderat, Gewerkschaften, Parteien,
Kirchengemeinden, Fachhochschule, verschiedenen Einrichtungen und Vereinen,
darunter der VVN-BdA, verhinderte am Samstag, 6.3.04, eine
äußerst provokative und erpresserische Aktion der Neonazis in Schwäbisch
Hall. Sie richtete sich gegen die Unterstützung des wohl ältesten
selbstverwalteten soziokulturellen Zentrums Deutschlands, dem Club Alpha 60,
durch die Stadt. Die angemeldete Aktion war von der Stadtverwaltung
verboten worden, vom Verwaltungsgericht zugelassen und nach einer Beschwerde der
Stadt vom Verwaltungsgerichthof in Mannheim endgültig genehmigt worden. In der
hanebüchenen 11seitigen Begründung heißt es, eine Versammlung dürfe nicht
schon deshalb verboten werden, weil Meinungen geäußert werden, die
grundlegende Verfassungswerte in Frage stellten.
12000 Unterschriften gegen Naziaufmarsch
Dabei hatten sich schon über 12.000 BürgerInnen in
einer Unterschriftenaktion zu einer demokratischen, pluralistischen und offenen
Gesellschaft bekannt und sich damit gegen die für Demokraten völlig
unannehmbare Forderung der Rechtsradikalen gewandt. Am Freitag vor der
Naziauftritt wurde eine von VVN-BdA-Kamerad Jochen Dürr angemeldete
Protestkundgebung des Bündnisses gegen die Naziprovokation mit Ulrich Sander
als Redner veranstaltet, an der etwa 250 Personen teilnahmen
Die faschistische „Bewegung Deutsche
Volksgemeinschaft“ unter ihrem Anführer Lars Käppler und mit Günter Deckert
als Redner wollte an jenem Samstag von 14 bis 18 Uhr Kundgebungen auf dem
Marktplatz Schwäbisch Halls und eine
Demonstration durch die Stadt durchführen, um gegen deren Unterstützung des
Clubs Alpha zu protestieren. Ihr Motto war „Multidiktat in Hall brechen –
Schindluder mit Steuergeldern beenden: Linksradikalem Club Alpha die Tantiemen
streichen“. Sie drohten mit der Erpressung, solange immer neue Demonstrationen
durchführen zu wollen, bis die Stadt die Bezuschussung des selbstverwalteten
Zentrums einstellte. Der Marktplatz wurde jedoch schon ab 11 Uhr, noch während
des Wochenmarktes, von Haller BürgerInnen und angereisten AntifaschistInnen
besetzt. Um 14 Uhr waren schließlich etwa 2.000 Menschen versammelt und dann
wechselnd bis 19 Uhr ständig zwischen 1000 und 2500. Als die vielleicht 50
Nazis eintrafen, Augenzeugen zählten sogar nur 35, wagte es die in mehreren
Hundertschaften angerückte Polizei nicht, ihnen den Marktplatz zu räumen.
Gemeinsam klappte es
Die für den Naziaufmarsch festgelegte Route vom
Holzmarkt über die Unterlimpurger Straße zum Marktplatz blockierten etwa 300
überwiegend jugendliche Antifaschisten so geschickt, dass die Faschisten bis
zum Abend nicht weiter als etwa 200 Meter kamen. Die Polizei versuchte zwar
immer wieder, ihnen den Weg frei zu knüppeln. Schon nach wenigen Minuten
mussten die ersten jungen Gegendemonstranten mit Kopfverletzungen, Rippenbrüchen
und schweren Prellungen wegtransportiert werden. Trotz des brutalen Vorgehens
hatte die Polizei aber keinen Erfolg. Schließlich drängte sie am späten
Nachmittag die Neonazis auf ihren Ausgangsort Holzmarkt zurück. Hier hielten
sie eine kurze Kundgebung ab. Die Polizei gewährte ihnen auch noch eine
eingeforderte Verlängerung. Um 19 Uhr wurde dann endlich die Naziversammlung
gerichtlich und polizeilich aufgelöst.
Buntes Hall
Auf dem Marktplatz informierte unser Kamerad Siggi
Hubele mittels Megaphon immer wieder die versammelten Leute über den Stand der
Entwicklung. Er warnte wiederholt davor, den Platz vor dem Ende des genehmigten
Aktionszeitraums zu verlassen. Es bestünde sonst die Gefahr, dass die Nazis
doch noch auf dem Marktplatz ihre Kundgebung abhalten könnten. Doch die
Menschen harrten aus. Eine französiche Jugendgruppe fing an zu tanzen. Dann
erklangen Salsa-Rhythmen vom Rathausbalkon und alles tanzte mit. Die Pace-Fahnen
und die großflächigen Antinazi-Transparente auf der breiten Freitreppe vor
der Kirche St. Michael schwenkten im Rhythmus mit. Als schließlich um 19 Uhr
vom Oberbürgermeister Pilgrim die Auflösung der Neonazi-Versammlung verkündet
wurde, brach die Menschenmenge in Jubel aus.
Polizeieinsatz gegen AntifaschistInnen
Sie hatten zusammen mit den jungen Straßenblockierern
einen Sieg über die Faschisten errungen. Auch hatten sie mit der Verhinderung
ihres Marsches durch die Stadt und einer Kundgebung auf dem Marktplatz die
inakzeptable Genehmigung der Neonaziaktion durch die rechtslastigen Richter
Weingärtner, Schmenger und Roth am Verwaltungsgerichtshof außer Vollzug
gesetzt. Als bittere Wermutstropfen mussten allerdings die zahlreichen
verletzten jungen Antifaschisten hingenommen werden und die
erkennungsdienstliche Festnahme von etwa 130 Gegendemonstranten am Abend, von
denen nach einem Pressebericht einige erst nach 2 Tagen freikamen.
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