VVN-Logo VVN-BdA Baden-Württemberg, Böblinger Strasse 195, D-70199 Stuttgart / Tel. 0711/603237 Fax 600718 20.06.2003
antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 3 / Juli 2003



Studienzentrum Weikersheim:

25 Jahre schwarz-braune Denkfabrik

von Hans Daniel

Wie in jedem Jahr im Mai lud das Studienzentrum Weikersheim auch diesmal wieder zum Jahreskongreß ins prachtvolle Schloß Weikersheim ein. In diesem Jahr konnte die von Ex-Ministerpräsident Filbinger gegründete schwarz-braune Denkfabrik, die sich selbst als "liberal-konservativ" bezeichnet, ihr 25jähriges Jubiläum feiern.

"Zeitgeist und Orientierungslosigkeit" hieß das Thema, dem sich die Gruppe mit der "höchsten Geisteskapazität" (Ex-Weikersheim-Präsident Von Stetten) in diesem Jahr widmen wollte. Zum Auftakt des Ganzen referierte Prof. Dr. Josef Schmidt von der Universität Bamberg zum Thema: "Europäische Kultur - die Herausforderung und kulturelle Idee im Zuge der europäischen Einheit". Schmidt ist in einschlägigen Rechtsaußenkreisen wohlbekannt. Er gehört zu den Autoren der Zeitschrift "Criticon", die das "Handbuch Rechtsextremismus" in die Reihe der wichtigsten rechten Publikumsorgane stellt. Nach dieser Einstimmung kam der Hausherr und Präsident des Studienzentrums Prof. Dr. Klaus Hornung zu Wort. Der emeritierte Professor der Universität Hohenheim ist ein Hans Dampf in allen braunen Gassen, ein Mann von rechtem Schrot und Korn, der die Tinte nicht halten kann, wenn braune Publikationen um sein Wort bitten. Im rechten "Deutschlandmagazin" bedauert er wortreich, daß "Deutschlandfeindlichkeit und Internationalismus" nicht sanktionswürdig seien. Auf Schritt und Tritt fühlt er sich vom "Antifaschismus als Waffe" verfolgt. Er sieht sich umgeben von "einem tiefgreifenden stillen Verfassungswandel vom freiheitlich-pluralistischen Rechtsstaat des Grundgesetzes von 1949 zu einem "fortschrittlich-antifaschistischen Ideologiestaat" (Deutschland-Magazin 2/2000). Auch in der rechtsangesiedelten "Jungen Freiheit ist Hornung ständiger Gast. Im Juli 2001 zog er dort gegen die "Schrumpfung des geschichtlichen Bewußtseins auf das leer Hier und Jetzt" folgendermaßen zu Felde: "Das antifaschistische Geschichtsbild hat eine reale deutsche Geschichte von tausend Jahren auf die zwölf Jahre des Nationalsozialismus eingedampft (!) und diese noch einmal auf den Holocaust. Doch Geschichtsverlust, so werden wir täglich belehrt, führt zu Identitäts- und Realitätsverlust (...) Auch die beliebte Rede vom deutschen faschistischen Überfall auf die friedliebende Sowjetunion Stalins ist ein zentrales Beispiel für die bei uns sich austobende Geschichtsschrumpfung und Geschichtsklitterung."

Schönbohm mit von der Partie
Das Land aus dieser Situation herauszuführen, dem Antifaschismus den Garaus zu machen und die Geschichtsschreibung auf den Stand zu bringen, der Deutschlands Größe anerkennt und nicht mehr "eindampft", sieht Weikersheim-Chef Hornung als dringlichste Aufgabe. Auch deshalb, weil dieses "antifaschistische Geschichtsbild des 20. Jahrhunderts in den Köpfen vieler Nachwuchspolitiker" weiterhin als "Instrument dazu dienen (soll), daß Deutschland aus der Rolle der Genossenrepublik nicht herauskommt." Der Vollständigkeit halber sei noch vermerkt, daß seine Bücher vorrangig im Hohenrain-Verlag erscheinen, einer Tochter des Grabert-Verlages, den der Verfassungsschutz von Baden-Württemberg den "größten rechtsextremistischen Verlag in Deutschland" nennt.
Pikant ist in diesem Zusammenhang, daß dem Präsidenten Hornung seit Mai 2001 Jörg Schönbohm, der für Verfassungsschutzfragen in Brandenburg zuständige Innenminister als Vizepräsident zur Seite steht. Entsprechend sieht sich auch die Bundesregierung nicht zur Distanzierung vom Geschehen im Taubertal genötigt, weil man "keinen Anlaß sehe, sich mit Objekten zu beschäftigen, die nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden". So jedenfalls stand es in der vergangenen Legislaturperiode in einer Antwort der Regierung auf eine Anfrage der damaligen PDS-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke, die wissen wollte, ob es nach der Installierung Hornungs Indizen für einen Kurswechsel des Zentrums gäbe. Sie hatte dabei auf einen Beitrag Hornungs im rechten "Deutschlandmagazin" aufmerksam gemacht, in dem er dem "Aufstand der Anständigen" alle "totalitären Muttermale auf der Stirn geschrieben" sah. Bestätigt wurde, daß sich die im rechten Spektrum höchsten Respekts erfreuende Denkfabrik auch der materiellen Gunst der Bundeszentrale für Politische Bildung erfreut. In den vergangenen zehn Jahren flossen an die 200 000 DM in die Weikersheimer Kasse. Für die Jahre 2000 und 2001 wurden 24 200 DM zugeschossen. Noch immer ist Weikersheim in der Liste der "anerkannten Bildungsträger" der Bundeszentrale aufgeführt.
Zurück zur Tagesordnung des 25. Jahreskongresses der in Weikersheim versammelten "geistigen Leistungselite" des Landes. Im Programm ist der CDU-Landtagsabgeordnete und Publizist Uwe Greve aus Kiel ausgewiesen. Sein Vortrag lautet: "Löst die Zuwanderung die deutschen Bevölkerungsprobleme?". Bei Greve ist die Antwort schon in der Frage gegeben. Natürlich nicht. Greve ist Autor des Arndt-Verlages, der im schleswig-holsteinischen Plön ansässig ist. Hier publizieren neben ausgewiesenen Experten für die Glorifizierung des Naziregimes und seiner Protagonisten u.a. der frühere NPD-Vorsitzende Deckert. Verlagschef Dietmar Munier bezeichnet sein Unternehmen als "zeitgeschichtlich engagierten Verlag und Versandhandel". Das bereits erwähnte "Handbuch Rechtsextremismus" nennt den Verlag mit seinen Ablegern einen "der größten und wichtigsten Verlage im rechtsradikalen Lager der Bundesrepublik".
Die "freiheitlich-konservative Begegnungsstätte", wie sich das Studienzentrum gerne anpreist, ist so gesehen tatsächlich eine pluralistische Einrichtung ohne alle Berührungsängst nach rechts außen. Das beweist nicht nur die Liste der Gastredner der vergangenen Jahre. Auch auf der Hompage von Weikersheim wurde in der Vergangenheit Tonangebendes aus dem braunen Spektrum präsentiert. Die Stuttgarter zeitung entdeckte im Oktober 1999 "konservative Hinweise", die von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über Nation und Europa hin zur NPD, der Deutschen Volksunion, bis zu den Unabhängigen Nachrichten (UN) führten. Das Duisburger Institut DISS beschreibt die UN als "eine der auflagenstärksten Publikantionen der extremen Rechten, die vor allem Jugendliche ansprechen soll. Ihr Hauptinhalt: Geschichtsfälschung und rassistische Propaganda gegen Ausländer".

Schäuble als Jubiläumsstar
Schmückte sich der staatlich alimentierte "Bildungsträger" im letzten Jahr mit dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), so zierte in diesem Jahr der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Schäuble, die Rednerliste. Wer seine Positionen zum Krieg der USA gegen den Irak oder den Einsatz der Bundeswehr für den Erhalt der "inneren Sicherheit" im Ohr hat, kann sich ausmalen, was er zur "Verantwortung für die Zukunft" zu sagen hatte.
Weikersheim präsentiert sich zur Jubiläumsveranstaltung erneut als "führende Denkfabrik der deutschnationalen Szene" (Der Stern) oder, wie der Spiegel notierte, als "rechtskonservative Kaderschmiede der Unionsparteien". Mit der neuen Leitung seit 2001 ist diese Funkton noch eindeutiger geworden. Von 13 Präsidiumsmitgliedern gehören neun der CDU an. CDU-Spitzenmann Schönbohm unterstreicht diese Dominanz nachdrücklich durch die Funktion des Vizepräsidenten. Die neue Spitze ließ das revanchistische Ostpreußenblatt im Mai 2001 jubeln: "Endlich Führungswechsel". Unter der neuen Mannschaft, so das Blatt hoffnungsvoll, will das Zentrum "zurück zum altbewährten Konzept eines intelligenten, tiefbegründeten, vor allem aber offenen Konservatismus und zur Vernetzung mit anderen ihm nahestehenden Organisationen."

Filbingers Jubiläum
Nach gutem altem Brauch offeriert das Haus den Mitgliedern und Förderern zum Jubiläum "eine ganz besondere Gelegenheit": "Wer bis zum 16. Mai eine Subskription des aus Anlaß des 90. Geburtstags im September erscheinenden Buches 'Aus neun Jahrzehnten' über Hans Filbinger absendet, kann sich in der Tabula Gratulationa eintragen lassen." Neben seinem Geburtstag kann Hans Karl Filbinger in diesem Jahr ein Silberjubiläum feiern: Am 7. August 1978 mußte er als baden-Württembergischer Ministerpräsident zurücktreten. Er habe "während des ganzen Dritten Reiches" seine "antinazistische Gesinnung nicht nur in "sich getragen, sondern auch sichtbar gelebt" hatte Filbinger erklärt, nachdem der Schriftsteller Rolf Hochhuth am 17. Februar 1978 dessen Rolle als Marinerichter unter Hitler enthüllte. Noch am 29. Mai 1945 hatte der Gründervater der "freiheitlich-konservativen Begegnungsstätte" Weikersheim aus seiner "antinazistischen" Gesinnung keinen Hehl gemacht und einen Soldaten zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt, weil der sich das Hakenkreuz von der Uniform gerissen hatte. Damals war Filbinger im Auftrag der Briten in verschiedenen Internierungslagern tätig. Sein Kommentar zum Urteil: "Der Angeklagte hat es bewußt darauf angelegt, sich gegen Zucht und Ordnung aufzulehnen. Seine Äußerungen stellen ein hohes Maß an Gesinnungsverfall dar."
Später war bekanntgeworden, daß er im Januar 1945 die Todesstrafe für den 22-jährigen Marinesoldaten Walter Gröger beantragt hatte, der der Desertion beschuldigt worden war. Am 17. März 1945 war das Urteil vollstreckt worden.
Der Mann ist sich treu geblieben - über die Niederlage des "Dritten Reiches" hinaus. 1935 hatte er im Organ der katholischen Jugendbewegung "Neudeutschland" begeistert verkündet: "Erst der Nationalsozialismus schuf die geistigen Voraussetzungen für einen wirksamen Neubau des deutschen Rechts (...) Schädlinge am Volksganzen, deren offenkundig verbrecherischer Hang immer wieder strafbare Handlungen hervorrufen wird, werden unschädlich gemacht." (Zitiert nach Metall, 24.7.1978).
Vor diesem Hintergrund werden die Intentionen Filbingers zur Gründung des Studienzentrums Weikersheim deutlich. Es ist eine Einrichtung zur Relativierung der Verbrechen des deutschen Faschismus - mit dem Blick auf "Deutschland morgen".

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