| |||
Ausstellungsverbot in Pforzheim - mehr als eine Provinzposse:CDU ist Steinewerfer im Glashausvon Reinhard HildebrandMit allen Mitteln wollte der CDU-Staatssekretär Mappus verhindern, dass die Ausstellung der VVN-BdA "Neofaschismus in der Bundesrepublik Deutschland" in Pforzheim gezeigt wird. Dieser Angriff auf die Informationsfreiheit führte regional und bundesweit zu Protesten. "Dies ist ein einmaliger Vorgang, der ein erbärmliches Demokratieverständnis dokumentiert", so VVN-BdA-Bundessprecher Werner Pfennig. Die CDU wolle ganz offensichtlich nicht wahrhaben, dass neofaschistisches Gedankengut bis weit in die Mitte der Gesellschaft reicht, wie dies in der Ausstellung zum Ausdruck komme. Zensur durch Erpressung Die Zensurversuche der CDU und ihre Art und Weise, mit unliebsamer Kritik umzugehen, gaben der Ausstellung der VVN-BdA bundesweit so viel Publizität in den Medien wie nie zuvor. Mitte Januar sollte die Neofaschismus-Ausstellung in Pforzheim im Kulturhaus Osterfeld gezeigt werden. Unter dem Motto "Keine Toleranz für Nazis!" wollte der DGB als Veranstalter damit ein Zeichen setzen gegen die braunen Umtriebe in der Region. Wenige Tage vor der Eröffnung schrieb die örtliche CDU einen offenen Brief an das Kulturhaus, in dem die VVN-BdA als als "linksextremistisch und verfassungsfeindlich" diffamiert wurde. Außerdem sei es "unerträglich", dass die CDU in der Ausstellung in einem Atemzug mit rechtsextremen Organisationen genannt werde. Im Namen des CDU-Kreisvorsitzenden Stefan Mappus und des CDU-Bundestagsabgeordneten Gunther Krichbaum wurde der Leiter des Kulturhauses ultimativ aufgefordert, "die Ausstellung nicht stattfinden zu lassen". Als das Kulturhaus diesem Wunsch nicht nachkam, habe Mappus laut Presseberichten gedroht, die öffentlichen Zuschüsse von Land und Kommune komplett zu streichen. Mit allen Mitteln wolle er verhindern, dass die Ausstellung gezeigt werde, nicht in dieser Stadt und auch nicht anderswo. Daraufhin wurde die Ausstellung abgesagt mit dem Hinweis, man sei als öffentlich anerkannte und geförderte Institution erpressbar. Auch die Fachhochschule in Pforzheim nahm Mappus ins Visier. Dort hatte die Organisation der Studenten, der U/AStA, am 3.Dezember 2002 eine Diskussionsveranstaltung zum Thema "Neofaschismus in der BRD" durchgeführt, Referent war der VVN-BdA Landessprecher Reinhard Hildebrandt. "Ein Unding", machte Mappus dem Rektor klar. Meinungsfreiheit à la CDU Beim Neujahrsempfang der Pforzheimer CDU am 19. Januar sprach sich auch die als Rednerin geladene baden-württembergische Kultusministerin Dr. Annette Schavan (CDU) gegen die Ausstellung aus. Wohl kaum zufällig untersagte das ihr unterstellte Oberschulamt Karlsruhe dem Schulleiter des Hebel-Gymnasiums in Pforzheim, die Ausstellung in seiner Schule zu zeigen. Dies ungeachtet der Tatsache, dass das Oberschulamt Freiburg den Schulen in seinem Bereich den Besuch der Ausstellung pädagogisch empfohlen hatte. Nur vorläufig konnte Mappus die Neofaschismus-Ausstellung verhindern. Die Ausstellung wurde vom 11. bis 23. Februar in der evangelischen Stadtkirche gezeigt, nachdem Versuche der CDU, auch deren Dekan unter Druck zu setzen, sowie den Landesbischof einzuschalten, scheiterten. "Jetzt wollen wir sie erst recht sehen", meinten Pforzheimer Bürger bei einer Umfrage. Gescheiterter Versuch Im Begleitprogramm sprach am 20.2. im vollbesetzten Saal des DGB-Hauses unser Kamerad, Bundessprecher Peter Gingold, über sein Leben, über den Widerstand im Nazi-Deutschland, seine Emigration nach Frankreich. Dort beteiligte er sich an der Résistance, wurde verhaftet und gefoltert, konnte aber entkommen. Sein Erlebnisbericht über den Widerstand damals und heute vermittelte den Zuhörern, unter ihnen zahlreiche Jugendliche, die Notwendigkeit, den Neofaschismus aktiv zu bekämpfen. Die Ausstellung als Staatsaffaire Der Schuss der CDU gegen die VVN-BdA und die Neofaschismus-Ausstellung ging nach hinten los. Um ein klares Zeichen gegen Zensurbestrebungen zu setzen, zeigten DIE GRÜNEN die umstrittene Ausstellung in ihren Fraktionsräumen im Stuttgarter Landtag. Vor der Eröffnung am 23. Januar gab es eine eineinhalbstündige Debatte im Landtag, ein Lehrstück für die Demokratie. Die CDU bewegte sich dabei unterhalb der Gürtellinie, die Ausstellung sei "ästhetisch unappetitlich, historisch falsch und politisch skandalös", so CDU Staatsminister Palmer. Mehrere Redebeiträge seitens der CDU und FDP entbehrten jeder Sachkenntnis. Positiv dagegen einige Feststellungen der SPD. Landtagsvizepräsident Birzele (SPD) warnte davor, alle Mitglieder der VVN-BdA als Linksextremisten einzustufen und verwies auf den Ehrenvorsitzenden Alfred Hausser, der auf Vorschlag des Ministerpräsidenten das Bundesverdienstkreuz erhalten hatte, und auf den Landessprecher Reinhard Hildebrandt, der als Gesprächspartner vom Landtag eingeladen werde, um die alljährliche Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus vorzubereiten. Antifaschismus ist nicht verfassungsfeindlich! Der eigentliche Skandal bei der CDU-Aktion ist nicht nur die Zensur, sondern die ständig wiederholte Diffamierung der VVN-BdA als "verfassungsfeindlich" und die Leugnung einer Grauzone zwischen konservativen und neofaschistischen Kräften. Schon im alten Rom wurde der Überbringer einer schlechten Nachricht gesteinigt. Die Vorwürfe der Verfassungsfeindlichkeit hat der VVN-BdA-Landessprecher Reinhard Hildebrandt in scharfen Worten zurückgewiesen. In einem Vortrag beim DGB in Pforzheim forderte er den FDP- Stadtrat Rülke und den CDU-Staatssekretär Mappus auf, die "unwahren, rufschädigenden Behauptungen" zurückzunehmen. Weiter sagte er, dass die Beobachtung der VVN-BdA durch den Verfassungsschutz und die Desinformationen in seinen Berichten "einen schwerwiegenden Eingriff in die durch das Grundgesetz geschützte Freiheitssphäre" darstelle. Er forderte ein Ende der Bespitzelung und die Streichung der VVN-BdA aus allen Verfassungsschutzberichten. "Diejenigen, die in Konzentrationslagern waren, müssen sich jetzt verteidigen. Ein schamloser Vorgang!" sagte DGB-Bezirkschef Jürgen Schroth. An die Adresse der CDU gerichtet, sagte der Referent: "Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen." Die CDU könne die historische und aktuelle Wahrheit nicht ertragen. Schließlich sei es eine Tatsache, dass CDU-Ministerpräsident Filbinger wegen seiner faschistischen Vergangenheit als Marinerichter zurücktreten musste, dass CDU Politiker mit ihren rassistischen und fremdenfeindlichen Äußerungen den Neofaschisten Schützenhilfe leisteten. Erinnert sei nur an die unsägliche "Kinder statt Inder"-Kampagne des CDU-Politikers Rüttgers. Die Grauzone in der CDU Aktuell nimmt das von Filbinger 1979 gegründete Studienzentrum Weikersheim eine Scharnierfunktion zwischen konservativen und neofaschistischen Kreisen wahr. In einem Beitrag der Fernsehsendung "Panorama" vom 6. Juni 2002 wurden Beziehungen zwischen konservativen Politikern wie Roland Koch oder Jörg Schönbohm und dem Vorstandsmitglied der "Gesellschaft für freie Publizistik", CDU-Mann Albrecht Jebens. aufgezeigt. Dieser Verein ist bestens bekannt durch Hetze gegen Juden und Verharmlosung des Holocaust. Weiter wurde enthüllt, dass CDU-Mitglied Prof. Hans-Helmuth Knütter bei einem Gipfeltreffen der deutschen Naziszene zur gewaltsamen Durchsetzung von politischen Zielen, zu Saalschlachten und Straßenkämpfen aufgerufen habe. In der Fernsehsendung wurden andere Namen von CDU-Mitgliedern genannt: der Geschichtsprofessor Klaus Hornung, der seine Werke im neofaschistischen Grabert-Verlag publiziert. Joachim Siegerist, wegen Volksverhetzung verurteilt und Chef des neofaschistischen Vereins "Die deutschen Konservativen". Auch in der rechtsextremen Burschenschaft Danubia seien viele Mitglieder der CDU/CSU und der Jungen Union aktiv. Die Ausstellungstafeln "Grauzone" und "Feindbilder", die der CDU so missfallen, zeigen offenbar nur die Spitze des Eisberges.
| |||
|