VVN-Logo VVN-BdA Baden-Württemberg, Böblinger Strasse 195, D-70199 Stuttgart / Tel. 0711/603237 Fax 600718 01.05.2003
antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 2 / April 2003



Ausstellungsverbot in Pforzheim - mehr als eine Provinzposse:

CDU ist Steinewerfer im Glashaus

von Reinhard Hildebrand

Mit allen Mitteln wollte der CDU-Staatssekretär Mappus verhindern, dass die Ausstellung der VVN-BdA "Neofaschismus in der Bundesrepublik Deutschland" in Pforzheim gezeigt wird.

Dieser Angriff auf die Informationsfreiheit führte regional und bundesweit zu Protesten. "Dies ist ein einmaliger Vorgang, der ein erbärmliches Demokratieverständnis dokumentiert", so VVN-BdA-Bundessprecher Werner Pfennig. Die CDU wolle ganz offensichtlich nicht wahrhaben, dass neofaschistisches Gedankengut bis weit in die Mitte der Gesellschaft reicht, wie dies in der Ausstellung zum Ausdruck komme.

Zensur durch Erpressung
Die Zensurversuche der CDU und ihre Art und Weise, mit unliebsamer Kritik umzugehen, gaben der Ausstellung der VVN-BdA bundesweit so viel Publizität in den Medien wie nie zuvor. Mitte Januar sollte die Neofaschismus-Ausstellung in Pforzheim im Kulturhaus Osterfeld gezeigt werden. Unter dem Motto "Keine Toleranz für Nazis!" wollte der DGB als Veranstalter damit ein Zeichen setzen gegen die braunen Umtriebe in der Region. Wenige Tage vor der Eröffnung schrieb die örtliche CDU einen offenen Brief an das Kulturhaus, in dem die VVN-BdA als als "linksextremistisch und verfassungsfeindlich" diffamiert wurde. Außerdem sei es "unerträglich", dass die CDU in der Ausstellung in einem Atemzug mit rechtsextremen Organisationen genannt werde. Im Namen des CDU-Kreisvorsitzenden Stefan Mappus und des CDU-Bundestagsabgeordneten Gunther Krichbaum wurde der Leiter des Kulturhauses ultimativ aufgefordert, "die Ausstellung nicht stattfinden zu lassen". Als das Kulturhaus diesem Wunsch nicht nachkam, habe Mappus laut Presseberichten gedroht, die öffentlichen Zuschüsse von Land und Kommune komplett zu streichen. Mit allen Mitteln wolle er verhindern, dass die Ausstellung gezeigt werde, nicht in dieser Stadt und auch nicht anderswo. Daraufhin wurde die Ausstellung abgesagt mit dem Hinweis, man sei als öffentlich anerkannte und geförderte Institution erpressbar.
Auch die Fachhochschule in Pforzheim nahm Mappus ins Visier. Dort hatte die Organisation der Studenten, der U/AStA, am 3.Dezember 2002 eine Diskussionsveranstaltung zum Thema "Neofaschismus in der BRD" durchgeführt, Referent war der VVN-BdA Landessprecher Reinhard Hildebrandt. "Ein Unding", machte Mappus dem Rektor klar.

Meinungsfreiheit à la CDU
Beim Neujahrsempfang der Pforzheimer CDU am 19. Januar sprach sich auch die als Rednerin geladene baden-württembergische Kultusministerin Dr. Annette Schavan (CDU) gegen die Ausstellung aus. Wohl kaum zufällig untersagte das ihr unterstellte Oberschulamt Karlsruhe dem Schulleiter des Hebel-Gymnasiums in Pforzheim, die Ausstellung in seiner Schule zu zeigen. Dies ungeachtet der Tatsache, dass das Oberschulamt Freiburg den Schulen in seinem Bereich den Besuch der Ausstellung pädagogisch empfohlen hatte.
Nur vorläufig konnte Mappus die Neofaschismus-Ausstellung verhindern. Die Ausstellung wurde vom 11. bis 23. Februar in der evangelischen Stadtkirche gezeigt, nachdem Versuche der CDU, auch deren Dekan unter Druck zu setzen, sowie den Landesbischof einzuschalten, scheiterten. "Jetzt wollen wir sie erst recht sehen", meinten Pforzheimer Bürger bei einer Umfrage.

Gescheiterter Versuch
Im Begleitprogramm sprach am 20.2. im vollbesetzten Saal des DGB-Hauses unser Kamerad, Bundessprecher Peter Gingold, über sein Leben, über den Widerstand im Nazi-Deutschland, seine Emigration nach Frankreich. Dort beteiligte er sich an der Résistance, wurde verhaftet und gefoltert, konnte aber entkommen. Sein Erlebnisbericht über den Widerstand damals und heute vermittelte den Zuhörern, unter ihnen zahlreiche Jugendliche, die Notwendigkeit, den Neofaschismus aktiv zu bekämpfen.

Die Ausstellung als Staatsaffaire
Der Schuss der CDU gegen die VVN-BdA und die Neofaschismus-Ausstellung ging nach hinten los. Um ein klares Zeichen gegen Zensurbestrebungen zu setzen, zeigten DIE GRÜNEN die umstrittene Ausstellung in ihren Fraktionsräumen im Stuttgarter Landtag. Vor der Eröffnung am 23. Januar gab es eine eineinhalbstündige Debatte im Landtag, ein Lehrstück für die Demokratie. Die CDU bewegte sich dabei unterhalb der Gürtellinie, die Ausstellung sei "ästhetisch unappetitlich, historisch falsch und politisch skandalös", so CDU Staatsminister Palmer. Mehrere Redebeiträge seitens der CDU und FDP entbehrten jeder Sachkenntnis. Positiv dagegen einige Feststellungen der SPD. Landtagsvizepräsident Birzele (SPD) warnte davor, alle Mitglieder der VVN-BdA als Linksextremisten einzustufen und verwies auf den Ehrenvorsitzenden Alfred Hausser, der auf Vorschlag des Ministerpräsidenten das Bundesverdienstkreuz erhalten hatte, und auf den Landessprecher Reinhard Hildebrandt, der als Gesprächspartner vom Landtag eingeladen werde, um die alljährliche Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus vorzubereiten.

Antifaschismus ist nicht verfassungsfeindlich!
Der eigentliche Skandal bei der CDU-Aktion ist nicht nur die Zensur, sondern die ständig wiederholte Diffamierung der VVN-BdA als "verfassungsfeindlich" und die Leugnung einer Grauzone zwischen konservativen und neofaschistischen Kräften. Schon im alten Rom wurde der Überbringer einer schlechten Nachricht gesteinigt. Die Vorwürfe der Verfassungsfeindlichkeit hat der VVN-BdA-Landessprecher Reinhard Hildebrandt in scharfen Worten zurückgewiesen. In einem Vortrag beim DGB in Pforzheim forderte er den FDP- Stadtrat Rülke und den CDU-Staatssekretär Mappus auf, die "unwahren, rufschädigenden Behauptungen" zurückzunehmen. Weiter sagte er, dass die Beobachtung der VVN-BdA durch den Verfassungsschutz und die Desinformationen in seinen Berichten "einen schwerwiegenden Eingriff in die durch das Grundgesetz geschützte Freiheitssphäre" darstelle. Er forderte ein Ende der Bespitzelung und die Streichung der VVN-BdA aus allen Verfassungsschutzberichten. "Diejenigen, die in Konzentrationslagern waren, müssen sich jetzt verteidigen. Ein schamloser Vorgang!" sagte DGB-Bezirkschef Jürgen Schroth.
An die Adresse der CDU gerichtet, sagte der Referent: "Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen." Die CDU könne die historische und aktuelle Wahrheit nicht ertragen. Schließlich sei es eine Tatsache, dass CDU-Ministerpräsident Filbinger wegen seiner faschistischen Vergangenheit als Marinerichter zurücktreten musste, dass CDU Politiker mit ihren rassistischen und fremdenfeindlichen Äußerungen den Neofaschisten Schützenhilfe leisteten. Erinnert sei nur an die unsägliche "Kinder statt Inder"-Kampagne des CDU-Politikers Rüttgers.

Die Grauzone in der CDU
Aktuell nimmt das von Filbinger 1979 gegründete Studienzentrum Weikersheim eine Scharnierfunktion zwischen konservativen und neofaschistischen Kreisen wahr. In einem Beitrag der Fernsehsendung "Panorama" vom 6. Juni 2002 wurden Beziehungen zwischen konservativen Politikern wie Roland Koch oder Jörg Schönbohm und dem Vorstandsmitglied der "Gesellschaft für freie Publizistik", CDU-Mann Albrecht Jebens. aufgezeigt. Dieser Verein ist bestens bekannt durch Hetze gegen Juden und Verharmlosung des Holocaust. Weiter wurde enthüllt, dass CDU-Mitglied Prof. Hans-Helmuth Knütter bei einem Gipfeltreffen der deutschen Naziszene zur gewaltsamen Durchsetzung von politischen Zielen, zu Saalschlachten und Straßenkämpfen aufgerufen habe. In der Fernsehsendung wurden andere Namen von CDU-Mitgliedern genannt: der Geschichtsprofessor Klaus Hornung, der seine Werke im neofaschistischen Grabert-Verlag publiziert. Joachim Siegerist, wegen Volksverhetzung verurteilt und Chef des neofaschistischen Vereins "Die deutschen Konservativen". Auch in der rechtsextremen Burschenschaft Danubia seien viele Mitglieder der CDU/CSU und der Jungen Union aktiv. Die Ausstellungstafeln "Grauzone" und "Feindbilder", die der CDU so missfallen, zeigen offenbar nur die Spitze des Eisberges.

Grauzone in Hessen:
In feiner Gesellschaft
Weitere Fakten, neue Namen. Dieser nur scheinbar honorige Herr mit Professorentitel ist ebenfalls CDU-Mitglied. Sein Name: Hans-Helmuth Knütter. Der CDU-Mann referiert auch gern auf weniger öffentlichen Veranstaltungen, etwa hier, in Hohenroda, ein entlegenes Dorf in Hessen, beim Gipfeltreffen der deutschen Naziszene. ... Hier treffen sich neben CDU-Mitgliedern wie Knütter auch führende NPD-Funktionäre, bekannte Auschwitz-Leugner und gewaltbereite Neonazis. Eingeladen hat die "Gesellschaft für Freie Publizistik". Deren Hauptanliegen ist bekannt. ...
Verniedlichung, Verharmlosung sowohl des Themas Krieg und Kriegsschuld, als auch Infragestellen der Vergasung von Millionen Juden. ... CDU-Mann Knütter lobt die schlagkräftigen jungen Kameraden und propagiert Gewalt mit Leidenschaft. O-Ton (Tonbandmitschnitt) Prof. Hans Helmuth Knütter (CDU): "Diese jüngeren Leute werden sich, wie Jüngere das tun können, mit körperlichem Einsatz für die Durchsetzung der politischen Ziele einsetzen, und das ist gut, das ist hervorragend. Die älteren können aber auch etwas tun. Man wird auch den hier Anwesenden aufgrund des Alters wohl kaum zumuten können, sich an Saalschlachten und Strassenkämpfen zu beteiligen. Aber was sie tun können, ist natürlich: Geld sammeln, Aktionen ermöglichen."
Saalschlachten und Straßenkämpfe? Der Aufruf zur gewaltsamen Durchsetzung von politischen Zielen. Dazu wollen wir den CDU-Professor befragen. ... Der kamerascheue CDU-Mann ergreift die Flucht. Sein rechtsradikales Gedankengut, sein Engagement für Gewalt - über all das will man in der Berliner CDU-Zentrale noch nie etwas gehört haben. Wieder mal nur Ahnungslosigkeit.
Panorama Nr. 614 vom 6.6.2002

Grauzone in Thüringen:
Ungebremst
Mit einer Veröffentlichung, die die "postkommunistische" Unterwanderung der Gewerkschaften belegen sollte, mischte die "Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft" der CDU (CDA) 1999 beim Landtagswahlkampf in Thüringen mit. Die DGB-Gewerkschaften wurden darin als "Transmissionsriemen der Postkommunisten" und drei Gewerkschafter persönlich diffamiert. Im Rahmen des Thüringer Verfassungsschutzskandals wurde jetzt bekannt, wer sich hinter dem Pseudonym des Münchner Politikwissenschaftlers Peter Christian Segall verbarg. Ganz ungebremst von wissenschaftlichen Ansprüchen schrieb der Autor der "Konrad-Adenauer-Stiftung" Patrick Moreau, den Gewerkschaftern die "satanische Qualität gefallener Engel" zu. Hinter jeder Ecke, so Moreau, lauere die "Tradition der stalinistischen III. Internationale". Und mit der Forderung nach einem Betätigungsverbot für Neofaschisten wolle die PDS lediglich ihre Vorstellung von kultureller Hegemonie in der Gesellschaft umsetzen, meint der "Extremismusexperte" Moreau/Segall.
Der Rechte Rand Nr. 81 März/April 2003

Grauzone in Pforzheim:
Jederzeit Einsatzbereit
Angemeldet und behördlich genehmigt wurde der Fackelmarsch und die Mahnwache des rechtsextremen Freundeskreises "Ein Herz für Deutschland" auf dem Wartberg in Pforzheim anläßlich des Jahrestages der Zerstörung der Stadt am 23. Februar 1945. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit sei gegeben. Wenn andere stören, müssen friedliche Demonstranten geschützt werden. Den Neofaschisten wurde also Friedfertigkeit unterstellt und Meinungsfreiheit zugesichert. Die Polizei geleitete die rund 120 Neonazis streng abgeschirmt zum Kundgebungsort und von dort wieder zurück. Auf dem Rückweg der gleiche Geleitschutz, mit einem Zwischenfall. Als die Ordnungshüter die Mitglieder der "Kameradschaft Karlsruhe" nach Ispringen zum dortigen Bahnhof zurück transportierten, weigerten sie sich, sofort in den Zug zu steigen - sie wollten erst noch in Ruhe ein Bier in einer Kneipe trinken.
Ganz anders der Umgang mit den Antifaschisten. Bereits im Vorfeld der Gegendemonstration wurde gehetzt und Panikmache betrieben. "Wir müssen von gewalttätigen Ausschreitungen ausgehen" betonte der Pforzheimer Polizeichef Arnitz. Die Polizei sei mit mehreren Hundertschaften einsatzbereit, begleitet von Polizeihunden und -pferden, es werden spezielle Festnahmeeinheiten kommen, das Geschehen werde von Hubschraubern aus überwacht, Feuerwehr, Notärzte und Krankenhäuser verständigt. Geschäftsleute und Anwohner hätten Schäden durch Randale zu befürchten. Die Deutsche Presseagentur titelte: "Pforzheim bereitet sich auf den größten Polizeieinsatz vor." So wurde ein Bündnis mit der Antifa Pforzheim/ Enzkreis verhindert. Der DGB und die Friedensinitiative Pforzheim beteiligten sich nicht. Dennoch demonstrierten am Sonntag, den 23. Februar etwa 500 - meist junge Menschen - im Namen von "Toleranz und Frieden - Gegen Gewalt und Fremdenhass", trotz Provokationen der Polizei friedlich. Die Veranstalter und Augenzeugen sprachen von 1000 Antifaschisten. Gegen sie waren rund 1000 Polizisten aus ganz Baden-Württemberg im Einsatz. Der Polizeichef sprach von einem "offensiven Schutzauftrag". Spezielle Festnahmeeinheiten standen mit Kabelbindern bereit. Für den Fall von Festnahmen hätten sich am Sonntag speziell für die Erstellung von Anklageschriften fünf Staatsanwälte bereit gehalten. Ähnliches ist für die Ergreifung von Neofaschisten bei ihren von der Justiz tolerierten Aufmärschen nicht bekannt. Aus der Geschichte nichts gelernt und auf dem rechten Auge blind.

VVN-Logo http://www.vvn.telebus.de © 2003 J. Kaiser