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Nummer 1 / Januar 2003



VVN-BdA Wochenendseminar:

Krieg und Frieden in unserer Zeit

von Elke Günther

Wer am 10./11. Oktober am VVN-BdA Wochenendseminar "Krieg und Frieden in unserer Zeit" mit Prof. Reinhard Kühnl im Naturfreundehaus Fuchsrain in Stuttgart teilgenommen hat, konnte viel mit nach Hause nehmen: Jede Menge Informationen zum Thema, Wissen, fesselnd aufbereitet und spannende Diskussionen. 25 Kameradinnen und Kameraden haben das Seminarangebot genutzt.
Im folgenden der Versuch, die wichtigsten Aussagen Reinhard Kühnls zusammenzufassen:


Jeder Krieg beginnt mit einer Lüge, weil die Regierenden der Bevölkerung die wahren Kriegsgründe nicht mitteilen können. Das war schon in den alten Weltreichen der Antike so, und setzt sich bis heute fort. Allerdings wurden die Methoden der systematischen Irrführung der Bevölkerung perfektioniert. "Mitten im Frieden überfällt uns der Feind", hatte Kaiser Wilhelm II. behauptet. Dabei standen die deutschen Truppen bereits in Belgien. Die Erfahrungen aus dem 1. Weltkrieg mit Millionen toten und verkrüppelten Soldaten hatten eine pazifistische Grundstimmung in der deutschen Bevölkerung bewirkt, auf die auch die Nazis zunächst Rücksicht nehmen mußten. Sie erfanden schließlich einen Kriegsgrund: den angeblichen Überfall polnischer Soldaten auf den Sender Gleiwitz. Solche erfundenen Kriegsgründe haben den unschätzbaren Vorteil, daß der Zeitpunkt des Kriegsbeginns nach Bedarf frei bestimmt werden kann.

Jeder Krieg beginnt mit einer Lüge
Die USA haben diese Technik von den Nazis aufgenommen und nach 1945 propagandistisch weiterentwickelt. Beispiele dafür sind der Vietnamkrieg, der mit dem angeblichen Angriff Nordvietnams auf ein US-Amerikanisches Kriegsschiff in der Tonking-Bucht begann und der Golfkrieg 1991. Die USA hatten damals eine Umfrage in Auftrag gegeben, die ermitteln sollte, welches Verbrechen die US-Bevölkerung am meisten empört. Es stellte sich heraus, daß die Empörung höchste Wellen bei Gewalttaten gegen Kleinkinder schlug. Die US-Regierung beauftragte nun die damals größte US-Werbeagentur Hill & Knowlton mit der Ausarbeitung eines zugkräftigen Empörungsszenarios. So war bald auf sämtlichen Fernsehsendern eine junge kuwaitische Krankenschwester zu sehen, die mit tränenumflorter Stimme berichtete, irakische Soldaten hätten bei ihrem Einmarsch in Kuwait Säuglinge aus Brutkästen gerissen und auf die Straße geworfen. Als dann herauskam, daß die "verzweifelte Krankenschwester" die offenbar mit schauspielerischem Talent ausgestattete Tochter des Kuwaitischen Botschafters in den USA war, war der Krieg, dem mehr als hunderttausende Menschen zum Opfer gefallen sind, bereits gelaufen. Ähnlich wurde dann im Jugoslawienkrieg mit der Massenvergewaltigungslüge verfahren...

Geschichte des Krieges
Es wird behauptet, daß es Kriege schon immer gegeben hat, weil sie in der Natur des Menschen liegen. Kriege sind jedoch eine Erscheinung der Klassengesellschaft, in der eine Minderheit über die Machtmittel verfügt, andere für sich arbeiten zu lassen und Kriege zu führen. "Krieg ist ein Teil der Erwerbskunst" sagte schon Platon. Solange es Kriege gibt, gibt es Gegenbewegungen, Sehnsüchte nach Frieden, und zwar quer durch alle Kulturen. Frieden im Zentrum des göttlichen Willens (Altes Testament, Jesaja), aber auch im Islam.
Bis ins 17. Jahrhundert herrschte regellose Gewaltanwendung. Die katholische Kirche versuchte mit ihrer Lehre vom gerechten Krieg, kriegerischen Handlungen Regeln zu geben. Krieg muß von legitimer Autorität erklärt werden und nicht für jedes Ziel, nur für eine gerechte Sache. Diese Überlegungen flossen in den Westfälischen Frieden ein. Nach dem Sieg der bürgerlichen Revolution in Holland wurden dort erste völkerrechtlich gültige Regeln aufgestellt. Die Haager Landkriegsordnung (19. Jahrundert) bestimmte, daß Kriegshandlungen, die sich gegen die Zivilbevölkerung richten, verboten sind. Doch galt bis zum Ende des 1. Weltkrieg das Ius ad bellum, das Recht der Staatsführung, Krieg zu führen, wann sie will. Der 1.Weltkrieg stellte dann eine Zäsur im Denken vieler Menschen dar. Der Friedenswille mündete in Revolutionen ein. Die Erkenntnis, diese Gesellschaftordnung, die zum Krieg treibt, muß weg, die kapitalistische Logik muß überwunden werden, war die Triebfeder auch der gescheiterten deutschen Revolution von 1918. Lenins Dekret vom Frieden (8.11.1917), in dem u.a. die Prinzipien der Gleichberechtigung und der gutnachbarlichen Beziehungen mit allen Ländern und Ächtung des Krieges als Mittel der Politik festgeschrieben sind, entsprach damals einem weit verbreiteten Gefühl. Das Dekret richtete sich auch gegen den Kolonialismus. Der Briand-Kellog-Pakt von 1928, sah ebenfalls die Ächtung des Krieges vor. Krieg sollte kein Mittel der Politik mehr sein. Der Pazifismus schien auf der Siegerstraße zu sein, obwohl die Aussagen des Briand-Kellog-Pakts zunehmend verwässert wurden. Politiker trugen der weit verbreiteten Kriegsablehnung auch dadurch Rechnung, daß z.B. Kriegsminister jetzt Verteidigungsminister hießen. Doch trotz aller Lippenbekenntnisse liegt Krieg nach wie vor in der Logik des Kapitalismus.

Verbrechen gegen die Menschheit
Das Ende des 2.Weltkrieges und die Befreiung vom Faschismus hat dann zunächst eine wirkliche Wende gebracht. Das Nürnberger Tribunal brandmarkte die Führung eines Angriffskrieges und die Vorbereitung des Krieges als Verbrechen gegen die Menschheit (Menschheit, nicht Menschlichkeit!) und benannte damit das Zentralprinzip der Charta der Vereinten Nationen. Dieses Zentralprinzip wird heute, nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten, zunehmend als lästige und zu überwindende Fessel empfunden. Jahrzehntelang sicherte das "Gleichgewicht des Schreckens" den Weltfrieden. Denn die Botschaft von Hiroshima hatte ja geheißen, seht her, wir haben die Waffe, die unwiderstehlich ist, wir sind die Herren der Welt. Die Entwicklung der ersten atomar bestückten sowjetischen Trägerraketen, die in der Lage waren, das Territorium der USA zu erreichen, setzte dem ein vorläufiges Ende. Mit der Herstellung des "Gleichgewichts des Schreckens", des atomaren Patts waren der stärksten imperialistischen Macht, Zügel angelegt. Es mußten Rücksichten genommen werden. Ronald Reagan brachte dies so auf den Punkt: "Wir haben den Vietnamkrieg verloren, weil uns die Hände gebunden waren."
Heute hat der mächigste Staat der Welt freie Hand. Die vordringliche pädagogische Botschaft des Jugoslawienkriegs war: So geht es jedem, der unsere Bedingungen nicht akzeptiert.

Zum Charakter der USA
Die USA sind seit dem römischen Imperium die erste Hegemonialmacht mit globalem Herrschaftsanspruch. Sie spielen eine aggressive Sonderrolle selbst innerhalb der kapitalistischen Welt. Sie klinken sich aus allen völkerrechtlich bindenden Verträgen aus. Das gilt für Chemie- und Biowaffenabkommen, für Verträge die eine Begrenzung des Schadstoffausstosses vorsehen, für die Ablehnung des Internationalen Strafgerichgtshofs durch die USA. Das gilt auch für die Kinderschutz-Konvention. Diese Sonderrolle der USA wird von der Mehrheit der US-Bürger akzeptiert. US-Präsident Bush ist somit adäquater Repräsentant der USA. Die USA sind ein Staat, in dem soziale Rechte so gut wie keine Rolle spielen, was auf das Fehlen einer relevanten Arbeiterbewegung zurückzuführen ist. Der Gedanke, daß der Staat dafür zuständig ist, daß sich soziales Elend in Grenzen hält, ist in den USA nahezu unbekannt. Aber auch die Traditionen der Aufklärung sind im Bürgertum nicht sonderlich verwurzelt. Die realen politischen Einflussmöglichkeiten einer Opposition sind äußerst gering. Die USA haben nicht nur ein "lausiges Rechtssystem" (Herta Däubler-Gmelin), die herrschenden Kreise schrecken auch vor kriminellen Methoden, z.B. Falschaussagen, um politisch mißliebige Personen lebenslang hinter Gitter oder gleich in die Todeszelle zu bringen, wie den schwarzen Bürgerrechtler Mumia Abu Jamal, nicht zurück. Auch bezahlte Killer werden eingsetzt, um das Entstehen einer Fundamentalopposition zu verhindern, abweichende Meinungen zu unterdrücken. So fiel die gesamte Führungsebene der Black Panter-Bewegung innerhalb eines halben Jahres "Unfällen" zum Opfer.

Perspektiven
Antikriegspositionen müssen vor allem auch in Europa gestärkt werden. Die EU braucht eine klare Positionierung gegen den Krieg. Die UN, das Völkerrecht, das Verbot des Angriffskrieges müssen unbedingt verteidigt werden. Die UN-Vollversammlung muß gestärkt werden gegenüber dem Sicherheitsrat.
Gewerkschaftliche Gegenmacht und soziale Bewegungen müssen ebenfalls gestärkt werden. Es gilt, sozialstaatliche Regelungen zu verteidigen gegen alle, die in Richtung Neoliberalismus wollen.

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