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Zur Bundestagswahl und ihren Folgen:Die Wahl ist vorbei - die Probleme bleibenvon Dieter LachenmayerZugegeben, es war eine spannende Wahlnacht. Bis spät in in die Nacht blieb die Frage offen, ob die nächsten vier Jahre Politik nun von einer rot-grünen oder schwarz-gelben Regierung verantwortet werden. Illusionen über einen mehr als graduellen Unterschied, dürfte auch in dieser Nacht aber kaum jemand gehabt haben. Mit einer Ausnahme. Das deutlichste Unterscheidungsmerkmal der beiden Kandidaten war die Haltung zum Krieg. Während Spürpanzer der Bundeswehr in Kuweit bereits für ihren vorhersehbaren Einsatz gegen den Irak bereit standen (und noch heute stehen) legte sich der amtierende Bundeskanzler am 5. August im Zeichen sinkender Umfrageergebnisse fest: "Dieses Land wird unter meiner Führung für Abenteuer nicht zur Verfügung stehen!" Damit war die Frage des Krieges gegen den Irak zu einem zentralen Wahlkampfthema geworden. Die Zahlen der Meinungsforscher und das Wahlergebnis zeigen unzweideutig: die Ablehnung ds Kieges gegen den Irak hat die Wahl entschieden. Die neue und alte rotgrüne Koalition verdankt ihren Wahlsieg nicht dem Vertrauen, das die Wähler aus ihrer Politik der letzten vier Jahre schöpften, sondern dem noch uneinglösten Versprechen einer Kehrtwendung in der zentralen Frage Krieg und Frieden. Nachdem die Regierung Schröder / Fischer in ihrer ersten Amtsperiode die letzten Barrieren für eine Kriegsbeteiligung Deutschlands beseitigt hatte, hat sie nun ihre Wiederwahl der Ablehnung des nächsten Krieges zu verdanken. Kriegsablehnung war wahlentscheidend So paradox dies manchem erscheinen mag, dies ist das beste Wahlergebnis, das aus der Sicht der Friedensbewegung zu erreichen war. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik ist es gelungen, das aktuell zentrale Anliegen der Friedensbewegung gegenüber einer amtierenden Regierung im Wahlkampf durchzusetzen. Zu verdanken ist dieses Ergebnis in erster Linie der wachsenden Antikriegsbewegung in der Bundesrepublik, die sich seit dem 11. September mit neuer Kraft artikuliert. Vor einem knappen Jahr noch löste die Bewegung zur Kriegsablehnung zwar eine Zerreißprobe der Regierungskoalition aus, konnte aber das Bekenntnis zur "uneingeschränkten Solidarität" mit dem "Krieg gegen den Terror" nicht verhindern. Jetzt im Wahlkampf konnte sie sich trotz des damit verbundenen (und vom Gegenkandidaten beschworenen) Bruches der traditionellen Anbindung an die US-Außenpolitik durchsetzen. Erfolg der Antikriegsbewegung Wir alle wissen, daß damit eine Beteiligung Deutschlands am Krieg und schon gar nicht der Krieg selbst bereits verhindert ist. Aber ein "Zwischenergebnis", wonach die Forderungen der Friedensbewegung zum Krieg gegen den Irak nun als verlautbarte Regierungspolitik auftauchen, hätte, Hand auf's Herz, vor ein paar Monaten wohl kaum einer erwartet. Selbstverständlich wurde dieser Erfolg auch durch andere Faktoren als unsere Demos und Aktionen begünstigt und ermöglicht. Eine Stärkung des US-Einflusses auf die Ölregion liegt nun mal nicht im Interesse der deutschen und westeuropäischen Wirtschaftsstrategen. Insbesondere sollten die Gefahren, die der gleichzeitig mit der Kriegsablehnung verkündete "deutsche Weg" hervor ruft, nicht verkannt werden. Dennoch hat die Friedens- und Antikriegsbewegung heute allen Grund, mit neuem Selbstbewußtsein in die kommenden Auseinandersetzungen zur Verhinderung des Krieges zu gehen.
Die PDS wird fehlen Das rot-grüne Einschwenken auf den Kriegsunwillen der Bevölkerung forderte aber auch Opfer. Ausgerechnet der grüne Kriegsgegner Ströbele trug dazu bei, daß die PDS ihre vornehmlich im Osten erlittenen Stimmenverluste nicht wenigstens durch ein drittes Direktmandat kompensieren konnte. Mit dem Ausscheiden der PDS aus dem Bundestag verliert die Friedens- und manche andere außerparlamentarische Bewegung ihre in den letzten Jahren einzigen verläßlichen Stimmen im Parlament. Eine konsequente Antikriegsfraktion ist dort nun nicht mehr vertreten. Wie hart dieser Verlust viele außerparlamentarische Bewegungen treffen wird, muß sich noch heraustellen. Die Existenz einer linken Opposition im Bundestag hatte sich auch für uns Antifaschistinnen und Antifaschisten immer wieder als wichtige Unterstützung erwiesen. Erinnert sei an die Auseinandersetzung um die Entschädigung für Zwangsarbeit, an die vielen hilfreichen Anfragen, Initiativen und Publikationen zu Naziaktivitäten, an die Informationsarbeit im Bereich des Demokratieabbaus und der Verschärfung der sog. Sicherheitsgesetze. Weder von den Regierungsfraktionen noch von der bürgerlichen Oposition können solche "Serviceleistungen" für die außerparlamentarischen Bewegungen in Zukunft erhofft werden. Ultrarechte zurückgedrängt Positiv in diesem Wahlkampf war, daß weder die immerhin dreifach angetretenen Nazi- und Ultrarechtsparteien noch ihre Themen eine wichtige Rolle spielten. Vor vier Jahren noch war der Wahlkampf auch der etablierten Parteien mit markig populistischen Sprüchen über kriminelle Ausländer, über die weitere Einschränkung von Asylrecht und Zuwanderung und zur "inneren Sicherheit" markiert. Sieht man von einem letzten Versuch des bayrischen Innenministers Beckstein, kurz vor der Wahl mit solchen Themen das Blatt noch zu wenden ab, dann spielten Rassismus und Ausländerfeindlichkeit im Wahlkampf keine Rolle. Das ist sicherlich eines der Geheimnisse, warum der Stimmenanteil der ultrarechten NPD, Rep und Schillpartei nicht über das Kellergeschoß hinausschwappte. FDP: Mit Antisemitismus auf Stimmenfang Von dieser Regel gibt es nur eine größere Ausnahme: Möllemann und seine Versuche, durch das Bedienen antisemitischer Einstellungen am rechten Rand Stimmen zu fischen. Diesesmal ist dieses Politikkonzept gerade nochmal gescheitert. Zwar hat Möllemann mit seinen antisemitischen Aufällen das Stimmenergebniss der nordrheinwestfälischen FDP um 2 % steigern können. Aber bundesweit (mit Ausnahme des Nachbarlandes Rheinland Pfalz) blieb jeder Zuwachs aus. Deshalb wird Herr Möllemann in die zweite Reihe zurücktreten müssen, um der FDP zu helfen, ihr Gesicht als seriöse Partei zu wahren. Die Methode, auch vor dem schlechtesten Scherz nicht zurückzuschrecken, ist damit aber noch lange nicht aus dem Arsenal der Spaßpartei FDP verschwunden. Vergessen: Der Aufstand der Zuständigen Auf der anderen Seite aber ist auch auffallend, daß die Zurückweisung des wuchernden Neofaschismus im Land für niemanden ein Wahlkampfthema war. Der von den Verfassungsschutzbehörden so offensichtlich torpedierte Prozess gegen die NPD blieb außerhalb der Wahlkampfthemen, der erst vor zwei Jahren ausgerufene Aufstand der Anständigen scheint keine weiteren Spuren bei den wahlkämpfenden Parteien hinterlassen zu haben. Um so mehr wird es nun nach der Wahl auch unsere Aufgabe bleiben, der Regierung Druck zu machen. Rotgrüne Zukunft: Weiterer Sozialabbau Das scheint nun überhaupt die wichtigste Hinterlassenschaft der Wahlnacht zu sein: die Probleme bleiben. Unter dem Stichwort der Hartzvorschläge ist eine neue Etappe der Degregulierung des Arbeitsmarktes und des Tarifrechts bereits eingeläutet. Die Haushaltslöcher sind bereits entdeckt, die unweigerlich zu weiterem Sozialabbau führen werden. Die Wahl hat nichts daran geändert, daß die sozialen Bewegungen, allen voran die Gewerkschaftsbewegung, vor neuen Abwehrkämpfen stehen und nicht vor einem Aufbruch nach vorne. Sie hat aber, zumindest in der Friedensfrage, auch gezeigt, daß solche Kämpfe nicht vergebens sind. | ||||||||||||||||
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