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antifNACHRICHTEN Titelseite
Nummer 3 / August 2002



Von Dänemark bis Italien, von den Niederlanden bis Ungarn:

Europa auf dem Weg nach rechts?

von Janka Kluge

Bei den Wahlen in Frankreich ist es nur allzu deutlich geworden: Das politische Klima in Europa hat sich nach rechts hin verschoben. Nicht nur die französische Linke war entsetzt, als nach dem ersten Wahlgang zur Präsidentschaftswahl Le Pen in die Stichwahl zog.

Le Pen hatten bei dieser ersten Wahl 19,88 % der WählerInnen gewählt. Fast 20% für einen offen rassistisch auftretenden Politiker ist auf den esten Blick erschreckend. Beim genaueren Hinsehen relativiert sich dieses Ergebnis aber wieder. Der Wahlforscher Emmanuel Todd vom Pariser "Institut National des Etudes Démographiques" schrieb über das Wahlergebnis: "Le Pen hat von 11,8 der Wahlberechtigten auf 12,1 Prozent zugelegt. Das ist keine Flutwelle."1) In Zahlen ausgedrückt, liegt der Stimmenzuwachs für Le Pen bei 900 000 WählerInnen. Nicht der Stimmenzuwachs hat Le Pen in die Stichwahl gebracht, sondern daß es ihm als einzigem gelungen ist, seine Anhänger zu mobilisieren. Die niedrige Wahlbeteiligung von 71,6 Prozent macht deutlich, daß viele, die früher links gewählt haben, diesmal nicht zur Wahl gegangen sind.

Vorbild Haider
Lauteten vor einigen Jahren die Schlagzeilen der politischen Kommentare noch, daß Europa "links regiert werde", so muß jetzt festgestellt werden, daß an vielen Regierungen Rechtsextreme und Rechtspopulisten beteiligt sind.
Die wenigsten der neuen rechten Politiker entsprechen allerdings dem Bild von Le Pen. Im Gegensatz zu ihm geben sie sich fortschrittlich und modern. Das Vorbild für diese neuen Rechtspopulisten ist der Österreicher Jörg Haider. Er war der erste, der versucht hat, mit dem vordergründigen Verzicht auf typisch neonazistische Rhetorik Stimmen im unzufriedenen Bürgertum zu bekommen.

Pim Fortuyn: von 12 auf 17 Prozent
Ähnlich ging Pim Fortuyn in den Niederlanden vor. In seinem Wahlkampf hetzte er gegen muslimische EinwanderInnen. Er forderte unter anderem, daß die Grenzen dicht gemacht werden sollen, damit keine neuen Immigranten in die Niederlande kommen können. Kurz vor seiner Ermordung wollten ihm 12 Prozent der WählerInnen ihre Stimme geben. Es störte sie nicht, daß Pim Fortuyn selbst mehrfacher Millionär war und sich außerdem offen zu seiner Homosexualität bekannte. Die "Lijst Pim Forthyn" konnte bei den Wahlen sogar noch einmal zulegen. 17 Prozent der niederländerischen WählerInnen gaben der Liste Pim Forthyn ihre Stimme.

Ungarn: Von Horthy zu FIDESZ
Anfang April wurde auch in Ungarn gewählt. Dort verlor der amtierende Ministerpräsident Viktor Orbán und seine Partei FIDESZ die Mehrheit, obwohl sie versucht hatten, den rechten Rand der ungarischen Bevölkerung zu bedienen. In der antifaschistischen Zeitschrift "Der Rechte Rand" wurde diese Politik so zusammengefaßt: "FIDESZ glaubte einige Elemente der politischen Kultur aus der Horthyperiode der Zwischenkriegszeit übernehmen zu müssen, den Kult der Stephanskrone, die nationalistische Agitation und einen vorgeblichen Antikapitalismus." (2). Der Wahlkampf der FIDESZ wurde von Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und dem Vorsitzenden der CSU und Kanzlerkandidat Edmund Stoiber unterstützt.

Italien: Medienmacht und Rechtspopulismus
In Italien formt sich langsam der Widerstand gegen die Politik der Berlusconi-Regierung. Ein Kritikpunkt ist, daß die italienischen Massenmedien mittlerweile vollständig in der Hand von Berlusconi sind. Schon bevor der Medienzar Ministerpräsident wurde, war er einer der reichsten und mächtigsten Männer Italiens. Berlusconi zeigt zur Zeit am deutlichsten, wie für die Rechtspopulisten Wirtschaftspolitik aussehen soll. Die Rechte von ArbeitnehmerInnen und Gewerkschaften werden massiv eingeschränkt, Tarifverträge weitgehend ausser Kraft gesetzt. Die Arbeitgeber sollen völlig uneingeschränkt schalten und walten können.

Dänemark: Regressive Einwanderungspolitik
In Dänemark konnte Pia Kjaersgaard einen großen Wahlerfolg verzeichnen. Auch sie setzte auf anti-islamische Hetze. Sie behauptete in ihrem Wahlkampf u.a., daß an der Krise der dänischen Rentenversicherung islamische EinwanderInnen schuld seinen. Inzwischen ist die Ausländerpolitik im ehemals toleranten und offenen Dänemark die regressivste in Europa. Die Themen der Rechtspopulisten lassen sich wie folgt zuammenfassen: Ablehnung von Zuwanderung, Ablehnung der EU, insbesondere der geplanten Ost-Erweiterung und außerdem Kampf gegen die (vermeintlich ausländische) Krimianlität. Die Themen sind an und für sich nichts Neues. Neu ist lediglich die Art und Weise, wie die Rechtspopulisten ihre Inhalte an die WählerInnen bringen. Der Wahlkampf ist nicht mehr an einer Partei und deren Programm orientiert, sondern vollkommen auf eine "charismatische" Führerfigur zugeschnitten. Einen Vorschmack konnten wir in Hamburg im Wahlkampf des Richters "Gnadenlos" Schill erleben.

Anmerkungen:
  1. Zitiert nach Marcel Galand "Keine Debatte möglich" in "Der Rechte Rand" Nr. 77, Juli/August 2002
  2. Karl Pfeifer "Ungarn nach der Wahl" in "Der Rechte Rand" Nr. 77, Juli/August 2002

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